Letzter Sonntag nach Epiphanias / 4. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Offb 1,9-18 | Zef 2, 3; 3, 12-13 | 1 Kor 1, 26-31 | Mt 5, 1-12a |
Vorbemerkung
Mit der apokalyptischen Literatur teilt sich die Offenbarung des Johannes eine duale und weitestgehend deterministische Weltsicht: dieses „böse“ Zeitalter muss vergehen, damit ein neues, „gutes“ Zeitalter anbrechen kann, in dem Gott „alles neu“ macht (Offb 21,5). Der Autor richtet sich dabei an eine bedrängte Christenheit, greift die Ängste seiner Hörerschaft auf und stellt den realen Schreckensszenarien mit Bezug auf den auferstandenen Christus heilsame Bilder der Rettung gegenüber.
Im Predigttext (Offb 1,9-18) wird die ergreifende Begegnung des Autors mit dem auferstanden Christus bildreich beschrieben. Diese Begegnung ist der Grund der Autorität des Autors und seines Schreibens und somit die Grundlage einerseits für die folgenden Ermahnungen an die Bedrängten und andererseits für alle ihnen angebotenen Rettungsbilder. Es wird klar, dass es angesichts der erlebten Bedrohung und der damit verbundenen Ängste innerhalb der Hörerschaft eines ebenso macht- und kraftvollen Bildes der Rettung bzw. des Retters bedarf.
Bezug zu Nachhaltigkeit
Während die Bedrohung der jungen Christenheit in den ersten beiden Jahrhunderten wesentlich durch soziale Ausgrenzung und politische Verfolgung gekennzeichnet war, mangelt es heute nicht an Schreckensszenarien, die den Kollaps unseres Ökosystems und damit eine existentielle Bedrohung der gesamten Menschheit skizzieren: die planetarischen Grenzen sind in mehrfacher Hinsicht ausgereizt oder bereits deutlich überschritten und politisch-soziale Verwerfungen spiegeln sich u.a. sowohl in der großen Zahl von Flüchtlingen als auch in einer skandalös ungerechten Verteilung des Weltvermögens.
Angesichts dieser Szenarien stellt sich die reale Frage, ob – um die Sprache der Apokalypse zu bedienen – auch dieses Zeitalter „vergehen“ muss, damit etwas ganz Neues entstehen kann, oder ob ein Übergang in ein neues „Zeitalter“ ohne die ganz große Katastrophe möglich ist.
Hier kann der Blick auf den christlichen Hintergrund der Apokalypse hilfreich sein: der Retter, der Auferstandene, der „in alle Ewigkeit lebt“, hat zu Lebzeiten das Reich Gottes verkündet: dieses ist im Irdischen niemals vollkommen, aber bereits dort erfahrbar, wo Menschen sich dem Geist Gottes öffnen und aus Liebe und Verantwortung mit und für einander ihr Leben gestalten. Das Reich Gottes beinhaltet eine wertschätzende Perspektive für das Bestehende, verbunden mit der Offenheit, das zu verändern, was dem Leben entgegensteht. Die derzeitigen Zusammenhänge sind komplex, die Herausforderungen enorm und die Veränderungen müssen tiefgreifend sein. Das Bild von der Begegnung des Johannes mit dem auferstandenen Christus kann hilfreich sein, den Mut nicht sinken zu lassen: „Als ich ihn sah, fiel ich wie tot vor seinen Füßen nieder. Er aber legte seine rechte Hand auf mich und sagte: Fürchte dich nicht!“ (1,18)
Die drei biblischen Lesungstexte des 4. Sonntags im Jahreskreis lassen sich gut unter der Perspektive von Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit aufgreifen und miteinander verbinden.
Mt 5,1-12a: Bezug zur Nachhaltigkeit
Die sogenannten Seligpreisungen in der Bergpredigt des Matthäusevangeliums bieten eine Steilvorlage für „nachhaltiges Predigen“: die Aspekte sozialer Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit können nahezu in allen einzelnen Preisungen aufgespürt und konkretisiert werden. Besonders bemerkenswert ist der Zusammenhang zwischen Sanftmütigkeit und dem „Besitzen“ des Erdreichs/der Erde. Eigentlich – wie die anderen Verse auch – ein Widerspruch: etwas zu besitzen, etwas sein Eigentum zu nennen oder sich etwas zu eigen zu machen, scheint wenig mit Sanftmut zu tun zu haben. Aber was bedeutet besitzen eigentlich, wenn selbst materielle Dingen eine gewisse Pflege und einen sorgfältigen Umgang benötigen, damit sie ihren Wert er- und behalten? Wenn ich mit „meinem“ Besitz in Berührung kommen und seinen Gehalt erschließen will, ist ein „sanftmütiger“ Umgang unerlässlich. Gewaltsames Aneignen zerstört unter Umständen den Besitz. Das gilt umso mehr für lebende Dinge (die Erde/Erdreich): sie geben ihren Wert nicht preis, wenn ich keinen sanftmütigen Umgang pflege und ich kann sie nicht wirklich besitzen, ohne mich ihnen zu öffnen und mit Respekt zu begegnen.
Mögliche Predigtgeschichte als Ergänzung
Plastisch schildert die griechische Sage von König Midas das habgierige Besitzergreifen und dessen Folgen: Der König hatte den Wunsch, dass alles, was er berührte, zu Gold würde. Der Wunsch ging in Erfüllung, wurde ihm aber nach kurzer Begeisterung zum Fluch: er konnte die Dinge nicht mehr „sanft“ berühren: unter seinem Zugriff wurde alles – auch sein Essen und Trinken – zu Metall und verlor dadurch seinen eigenen und eigentlichen Wert.
Zef 2, 3; 3,12-13: Bezug zur Nachhaltigkeit
Der Prophet Zefanja mahnt seine Leser*innen zur Suche nach Gerechtigkeit und Demut. Beides sind im Blick auf Nachhaltigkeit zwei unerlässliche Tugenden, die in einer Kultur der scheinbar unbegrenzten Machbarkeit und Null-Fehler-Toleranz ein dringend gebotenes Korrektiv darstellen. Demut ermöglicht einerseits das Eingeständnis eigenen Fehlverhaltens und anerkennt andererseits die Begrenzung der eigenen Möglichkeiten. Bei der offensichtlich engen Verschränkung sozialer (Un-)Gerechtigkeit und fortschreitendem Klimawandel kommen wir nicht daran vorbei uns einzugestehen, dass die Menschen in den Ländern des Südens erheblich schwerer an den Folgen kapitalistischen Raubbaus tragen, als wir Menschen in den (zumeist) reichen Industriestaaten auf der Nordhalbkugel, die in kollektiver Verantwortung zu den Verursachern des Klimawandels gehören. Somit bedeutet der Einsatz, sich für einen verantwortungsvollen Umgang mit den endlichen Ressourcen dieses Planten einzusetzen, gleichzeitig, „Gerechtigkeit zu suchen“. Auf der persönlichen Ebene ist dafür Verzicht und eine Anpassung des Lebensstils im Sinn einer Selbstbeschränkung notwendig – ggf. auch gegen gesellschaftliche Erwartungen. Gesellschaftspolitisch muss die Idee der (unbeschränkten) Machbarkeit (Stichwort: Geoengineering) als auch die Struktur eines im Wachstumszwang verfangenen Kapitalismus radikal und „demütig“ hinterfragt werden.
1 Kor 1, 26-31: Bezug zur Nachhaltigkeit
Einem ähnlichen Duktus folgt auch die Passage aus dem ersten Brief an die Korinther, in dem das Schwache, Törichte und Geringe dem Starken, Klugen und Erhabenen als letztlich überlegen vorgestellt wird. Als Predigtanregung – sicherlich etwas plakativ – sind dabei plastische Gegenüberstellungen denkbar: extensive („schwach“/„töricht“) und intensive („stark/erhaben“) Formen der Landwirtschaft; kleine und Kleinstlebewesen („gering“) gegenüber großräumigem und maschinellen Eingriffen in die Natur („stark/erhaben“); Formen gemeinschaftlichen Tauschens und Teilens („töricht“) gegenüber profitorientiertem („klugen“) Wirtschaften. Die Frage bei diesen Gegenüberstellungen ist letztlich, welcher Weg langfristig der zukunftsfähigere Weg ist. Im Angesicht irreparabler Zerstörung kann sich das vermeintlich „Kluge“, „Starke“ und „Erhabene“ dieses Wirtschaftssystems sicher nicht rühmen. Umgekehrt ist auch hier generell Demut geboten: aufgrund der Komplexität derzeitiger Herausforderungen kann sich niemand darauf berufen, DIE Lösung gefunden zu haben oder mit grüngewaschener Weste dazustehen. „Wer sich rühmt, rühme sich des Herrn“ – des Schöpfers und Erhalters dieser Welt.
Nico Körber, Speyer