Miserikordias Domini / 3. Sonntag der Osterzeit (26.04.20)

Miserikordias Domini / 3. Sonntag der Osterzeit


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
1 Petr 2, 21b-25 Apg 2, 14.22-33 1 Petr 1, 17-21 Lk 24, 13-35 oder
Joh 21, 1-14

Beide Lesungen aus dem 1. Petrusbrief legen es nahe, danach zu fragen, welcher Lebensstil heute Christinnen und Christen von einem „Leben ohne Inhalt“ unterscheidet. In den Blick kommt ein an Gerechtigkeit orientiertes Leben.

Die Ostererzählung von Joh 21,1–14 lässt sich als Vorbild eines nachhaltigen Versöhnungsgeschehens lesen.

1 Petr 1,17–21 / 1 Petr 2,21b–25

Der 1. Petrusbrief wendet sich an Christen und Christinnen, die sich in ihrer Lebenswelt als Fremdlinge erfahren. Die These, es handle sich um eine Taufansprache, ist heute (weithin) aufgegeben. Der Brief entfaltet seine Wirkung eher dann, wenn bei der Adressatenschaft mit Menschen gerechnet wird, die in ihrem Lebensalltag zermürbende Schwierigkeiten bereits langfristig erfahren haben. Zwar scheinen sie keine lebensbedrohliche Verfolgung zu erleiden, doch sind sie Opfer von Anfeindung und Isolation. Infolge ihrer Einstellungen und ihres Lebensstils begegnet ihnen Misstrauen und Feindseligkeit. Der Brief lässt nicht im Detail erkennen, worin solche Entfremdung gründet. Doch sein Drängen auf die Konkretheit eines veränderten Lebens bezieht sich vornehmlich auf die soziale Gestaltung zwischenmenschlichen Zusammenlebens (vgl. 1 Petr 3,8f; 4,8–10) und die Einfachheit eines von Hoffnung (vgl. 1 Petr 1,3; 3,15 u.ö.) bestimmten Lebensstils.

1 Petr 1,17–21 erinnert an die Wende von einem „nichtigen Wandel“ (Lutherbibel 2017), einer „nichtigen Lebensweise“ (Einheitsübersetzung 2016), einem „Leben ohne Inhalt“ (Zürcher Bibel 2007) hin zum Leben in Gottesfurcht. Kontrastiert werden außerdem die vergänglichen Materialien von Silber und Gold zum kostbaren Blut Christi und im weiteren Verlauf des Briefes (1 Petr 3,4) zum unvergänglichen Schmuck einer geisterfüllten Lebenshaltung. In der Konkretisierung für den heutigen Zeitkontext kommt eine Orientierung in den Blick, die sich in einem alternativen, nachhaltigen, wenn auch möglicherweise unbequemen Lebensstil auswirkt. Wer die Welt als Schöpfung ansieht, wird sich von ausbeutendem Umgang mit Ressourcen fernhalten (vgl. 1 Petr 4,2f). Wer aus Hoffnung lebt, kann sich von der Sucht, aus dem Jetzt alles herauszuholen, fernhalten. Motivierend ist nicht selbstzwecklicher asketischer Verzicht, sondern die Einsicht, wie sehr die blosse Konsumhaltung um „Nichtigkeit“ kreist und auf ein „Leben ohne Inhalt“ hinausläuft.

1 Petr 2,21b–25 bringt dieselbe Wende zum Ausdruck und beschreibt sie – christologisch begründet – als Gestorbensein für die Sünde und als Eintreten in ein Leben für Gerechtigkeit. Im Begriff der Gerechtigkeit schwingt die ganze Vision einer Lebenswelt von Frieden und Gerechtigkeit mit, wie sie der Bundesgott verheißt. Der prophetische Ruf zum bundesgerechten Verhalten Israels erreicht über die im 1. Petrusbrief angesprochene Gemeinde die christgläubigen Heiden, die sich künftig von einem bloß ausschweifenden, den Begierden überlassenes Leben fernhalten sollen (vgl. 1 Petr 4,2f). Ihr Herumirren nimmt ein Ende in der Rückkehr zu jenem Hirten, an dem vorbildhaft (vgl. 1 Petr 2,21) ablesbar ist, wie die Menschen der Schöpfung hirtlich begegnen sollen.

Apg 2,14.22–33 ist ein Auszug aus der Pfingstpredigt des Petrus und spricht vom Glauben, dass Gott das Leben und Sterben Jesu für die Gerechtigkeit des Reiches Gottes mit Leben beantwortete. Als Geisterfüllte können Menschen in dieser Hoffnung leben und wirken.

Joh 21,1–14

Die Osterperikopen sind immer auch Erzählungen von Versöhnung und Neuaufbruch. Besonders kunstvoll gilt dies für die Begegnung zwischen dem Auferstandenen und den Jüngern am See von Tiberias.

Im Entschluss des Petrus und einiger Jünger, sich erneut der früheren beruflichen Tätigkeit zuzuwenden, scheint sich Resignation zu manifestieren. Sie lässt sich nicht nur auf den Tod Jesu beziehen, sondern dürfte im Gesamt des 21. Kapitels auch als Ausdruck der Enttäuschung und Scham über das eigene Versagen zu lesen sein.

In dieser Situation begegnet ihnen der Auferstandene in einer Weise, die Versöhnung eröffnet.

  • Er nimmt die Anrede von Joh 13,33 „Kinder“ wieder auf.
  • Er überführt ihre Erfolglosigkeit beim Fischen in einen reichen Fischfang.
  • Sollte die Kenntnis von Lk 5,1–11 im Johannesevangelium vorauszusetzen sein, so hat die Perikope evtl. auch die Absicht, an die erste Berufung des Petrus zu erinnern. Jesus würde damit auf das Potenzial der Anfangszeit zurückgreifen und so einen neuen Anfang ermöglichen.
  • Nachhaltig ist ein Versöhnungsgeschehen nicht, wenn es Versagen, Bruch und Schuld überspielt, statt zu heilen. Als Symbol für die behutsame Thematisierung auch des Verrates dient das Kohlenfeuer. Es war der Ort des Verrates (Joh 18,18), wird aber nun zum Ort des Mahles sowie in der anschließenden Perikope der Ort, an dem Petrus seine Liebe beteuern darf.
  • Obwohl auf dem Kohlenfeuer bereits Fisch und Brot liegen, ist Jesus darauf bedacht, die Jünger an der Bereitung des Mahles zu beteiligen.

Der Auferstandene ermöglicht es den Jüngern, über die Geschichte des Versagens hinauszukommen und in der erneuten Gemeinschaft mit ihm auch vor sich selbst und voreinander wieder bestehen zu können. Jesus ist nicht an ihrer Beschämung und Schwäche interessiert, sondern darauf bedacht, sie zu einem versöhnten Umgang mit der Geschichte ihres Verrates und Freundschaftsbruches zu führen. Nicht als Gebrochene, sondern als Wiederaufgerichtete und Ermächtigte können sie verantwortungsvolle Träger einer Sendung sein. Dass alle Evangelien unbeschönigt vom Versagen der Jünger – schon vor der Passion, erst recht darin – sprechen, und dass die neutestamentlichen Schriften andererseits die Jünger in starker Weise auftreten lassen, ist Indiz für eine nachhaltige Versöhnung, wie sie im Ostergeschehen ermöglicht wurde und auch heute geschehen kann.

Prof. Dr. Eva-Maria Faber, Chur