9. Sonntag nach Trinitatis / 19. Sonntag im Jahreskreis
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Jer 1,4-10 | 1 Kön 19, 9a.11-13a | Röm 9, 1-5 | Mt 14, 22-33 |
Jer 1,4 – 10 (Jeremia = Der Herr möge aufrichten (?))
Vor 75 Jahren (am 6.8.1945 und am 9.8.1945) wurden in Hiroshima und Nagasaki die ersten Atombomben eingesetzt. Seit 75 Jahren wird die Abrüstung aller Atomwaffen gefordert – es gab zwischenzeitlich einige Abrüstungsschritte, inzwischen wird aber wieder viel getan, um Atomwaffen zu „modernisieren“. Es wird weiterhin ganz offen mit „atomarer Abschreckung“ gedroht.
75 Jahre Einsatz für eine atomwaffenfreie Welt – aber das Ziel wurde nicht erreicht. Sollte man sich da nicht abfinden mit den Realitäten und den Machtinteressen der Atommächte?
Jeremias Berufung zeigt dagegen:
Jeremia hat lange Zeit (angedeutet: 40 Jahre lang) vergeblich Volk und Obrigkeit zur Umkehr aufgerufen – sie haben nicht gehört. Jeremia wurde geächtet und verfolgt. Seine Unheilsdrohungen haben sich – mangels Umkehr von Juda – mit der Eroberung Jerusalems und der Verschleppung ins Exil erfüllt. Jeremia konnte solch ein frustrierendes Leben nur durchhalten, weil er sich von Gott dazu berufen / gedrängt fühlte und auf Gottes Beistand vertraute, s. besonders Vers 9. Am Schluss konnte Jeremia den Juden im Exil sogar Hoffnung zusprechen, s. Kapitel 29. Jeremias Ende, bei der Flucht nach Ägypten, ist unbekannt.
Wenn ich etwas klar als Unheil erkenne, bin ich verpflichtet, das auch deutlich auszusprechen, gerade gegen Mächtige – Jeremia tat es gegen den König / den Hofstaat / gegen falsche Propheten. Aber wie?
Jeremia hat keine Gewalt angewendet, sondern mit einer bildhaften Sprache gestritten – und mit Zeichenhandlungen.
Er litt unter Depressionen, war wohl auch oft verbittert; aber er hat am Auftrag Gottes festgehalten.
Spätere anonyme Propheten konnten dann sein Erbe weiterentwickeln zu der Hoffnung auf einen neuen Bund, s. besonders Jeremia Kapitel 31.
Vgl. dazu das Pfingstlied „Der Geist des Herrn erfüllt das All“, zweite Strophe, im Gotteslob Nr. 802,
von Maria Luise Thurmaier, verfasst 1941(!):
„Der Geist des Herrn erweckt den Geist
in Sehern und Propheten,
der das Erbarmen Gottes weist
und Heil in tiefsten Nöten.
Seht, aus der Nacht Verheißung blüht;
die Hoffnung hebt sich wie ein Lied
und jubelt: Halleluja!“
1 Kön 19,9 - 13
Am Sinai schließt Gott einen Bund mit den Israeliten („Ich bin der HERR, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.“ - Ex 20,2).
Die Vertragsregeln sind dann die 10 Worte / 10 Gebote (Ex 20, 3-17). Gottes Macht und Herrlichkeit wird angedeutet durch Sturm, Erdbeben und Feuer (Ex 19,16-19).
Beim „Gottesurteil auf dem Karmel“ 1 Kön 18, 20 – 40 antwortet Gott auf Elijas Gebet mit Feuer.
Nun, am Horeb, kündigt „ein sanftes, leises Säuseln“ Gott an (Vers 12; von Martin Buber übersetzt als „Stimme verschwebenden Schweigens“) - und Gott redet direkt mit Elija.
Die biblischen Schriftsteller machen deutlich:
Gott inszeniert sich sehr unterschiedlich: Mit Überwältigungen – und mit leisem Reden in der Stille.
Die Überwältigung wirkt oft nur kurz (am Sinai verfallen die Israeliten bald dem Stierkult;
am Karmel lässt Elija die Baals-Priester töten, bald darauf wird er selbst von der Königin gejagt).
Die 10 Worte hingegen wirken auch ohne Sturm, Erdbeben und Feuer bis heute.
Und Gottes Rede zu Elija befähigt ihn wieder, sich kraftvoll als Prophet zu betätigen und am Ende Elischa als Nachfolger einzusetzen. Elischas Jünger tradieren die Erinnerung an Eilja und Elischa, sodass diese Erzählungen später von den biblischen Schriftstellern übernommen werden und bis heute durch die Bibel zu uns sprechen.
Also: Das Wort in der Stille ist sehr oft nachhaltiger als der kurzzeitige Erfolg durch Überwältigung.
(Womit sich die Stille als eine wichtige Voraussetzung für Nachhaltigkeit – auf jedem Gebiet – zeigt.)
Röm 9,1-5
Vorbemerkung: Der Paulus-Text ist so emotional – zerrissen, andererseits (besonders in Vv. 4-5) so gedrängt, dass er von einem normalen Zuhörer bei einem Vorlesen der Einheitsübersetzung nicht erfasst werden kann.
Daher sollte bei dieser Lesung eine vereinfachende Paraphrase vorgelesen werden, etwa „Die Bibel in heutigem Deutsch“ von 1982.
Exegetische Vorbemerkung: Vers 5 wird inhaltlich unterschiedlich übersetzt, je nachdem, welche Textüberlieferungen man zugrunde legt und welche Hauptaussage der Übersetzer bei Paulus annimmt.
Vergleiche die Einheitsübersetzung von 1980 und von 2017 (oder unterschiedliche evangelische Übersetzungen):
Vers 5, Einheitsübersetzung 1980: „sie [die Israeliten] haben die Väter, |
Einheitsübersetzung 2017: „ihnen [den Israeliten] gehören die Väter, |
Vers 5, Die Bibel in heutigem Deutsch 1980: „Sie sind die Nachkommen von Abraham, Isaak und Jakob, |
„Trauer um Israel. Autobiografische Einleitung“ steht in der Einheitsübersetzung von 2017 über diesem Abschnitt. Tatsächlich durchdringen sich Trauer um Israel und die Verwobenheit von Paulus mit Israel (durch Herkunft, Ausbildung und Glaube) in einem solchen Maß, dass Paulus – nach einer Selbstverfluchung V.3 –sich am Schluss rettet in einen Lobpreis Gottes, „der über allem ist“, der also auch über der Verwirrung des Paulus steht und diese Verwirrung hoffentlich auch auflösen wird. [Nach meiner Meinung gelingt Paulus in den Kapiteln 9 bis 11 diese Auflösung nicht ausreichend, sodass die Überschrift über den Schluss seiner Betrachtungen, Röm 11, 33 - 36, in der Einheitsübersetzung 2017 zutreffend lautet: „Hymnus auf die Unergründlichkeit der Wege Gottes“].
Röm 9,1-5 wie auch der ganze große Abschnitt Römerbrief Kapitel 9 – 11 („Heil für ganz Israel“) sind ein klassisches Beispiel dafür, dass uns bei Problemen, in die wir selbst tief verwickelt sind, meist keine nachhaltige Lösung gelingt. Wir dürfen uns dann nicht in dogmatische Verengungen verrennen, sondern sollen die Zerrissenheit aushalten in der Hoffnung, dass uns von Gott und den Menschen und der ganzen Schöpfung eine Lösung erwächst.
Mt 14,22 - 33 „Die Offenbarung des Gottessohnes auf dem Wasser“
Diese Überschrift in der Einheitsübersetzung 2017 trifft den Kern der Erzählung (die parallel bei Mt, Mk und Joh vorkommt – mit verschiedenen Schwerpunkten). Es geht hier darum, wer Jesus für den Gläubigen ist.
Je nachdem, was der Gläubige für ein Jesus-Bild hat, wird dann seine Antwort ausfallen auf die Frage: Was sagt mir / uns Jesus zur Nachhaltigkeit? (Vorsichtigere Formulierung: Was würde Jesus zur Nachhaltigkeit sagen?)
Hier ist wohl eher ein Gespräch zu zweit oder mit mehreren angebracht als eine Predigt.
Wenn es doch eine Predigt sein soll, dann wohl eine Dialogpredigt.
Michael Strake, Hütschenhausen