Laetare / 4. Fastensonntag (10.3.13)

Lätare

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Joh 6, 47-51 Jos 5, 9a.10-12 2 Kor 5, 17-21 Lk 15, 1-3.11-32

(Betrachet werden die obigen Textstellen ohne 2 Kor 5, 17-21.)

Lätare ist der einzige „rosa" Sonntag im Jahr. Das Lila der Passionszeit bekommt eine große Portion Christus-Weiß beigemischt und erstrahlt als eine farbliche Sonderheit. Die meisten Gemeinden werden wohl keine rosa Paramente im Schrank haben und längst nicht alle Priester rosa Messgewänder tragen: Lätare bleibt mit allen Texten und Traditionen die Ausnahme in der Passionszeit, der rosa Sonntag.
Der harte Weg hinauf nach Jerusalem wird hier unerwartet unterbrochen. Mag man bei „Holz" an „Kreuz" und bei „Hügel" an „Golgatha" denken; mögen die dunklen Ereignisse schon ihre langen Schatten voraus werfen: Heute weinen wir nicht mit Jerusalem, sondern rufen „Freut euch mit dieser Stadt!" (vgl. Leitvers zum Eingangspsalm Jes 66,10.12 in Verbindung mit Ps 84). Heute wird rosa getragen. Die Ostkirche unterbricht für einen Tag ihr strenges Fasten. Man nennt Lätare auch „ das kleine Ostern".
Lätare könnte damit ein Sinnbild sein. „Es gibt kein wahres Leben im falschen" und so sind alle Schritte in Richtung Nachhaltigkeit bestenfalls rosa. Was viel ist, im Vergleich zur lila Leidenszeit. Im Vergleich zu Ignoranz, Lethargie oder Schöpfungsverachtung.

Die vorgesehenen Bibeltexte dieses Sonntags hängen mit dem Essen zusammen. Und da gibt es in den heimischen Supermärkten und Küchen wie auch im weltweiten ökonomischen Geflecht einen großen Mangel an Nachhaltigkeit. Da können vielmehr zahlreiche Passions-, Leidensgeschichten erzählt werden, dunkellia, fast schon Karfreitagsschwarz. Von Zuständen bei der Fleischproduktion oder Mangelernährung in den reichsten Ländern. Von vor Hunger aufgeblähten Kinderbäuchen oder organisiertem Landraub (Landgrabbing) in den verarmten Landstrichen. Das klingt krass, ist aber Alltag auf unserer Welt, Teil unseres Lebens.
Hier werden viele Kreuzwege gegangen. Hier ist viel Schuld im Spiel. Karfreitagsthemen, einer hängt am Folterholz und wir hängen alle mit drin. Bestenfalls ein bisschen rosa.

Die erste Lesung im Katholischen Lesejahr C (Jos 5, 9a.10-12) erzählt vom Pessachfest. Das Essen des ersten Abends dieser mehrtägigen Feier ist hoch aufgeladen. Hier wird nicht irgendwas schnell in sich reingeschoben. Alles, was auf dem Teller liegt, erfährt Würdigung, hat eine Vergangenheit und erinnert an eine Geschichte.
Nicht an die Wiese, auf der das Rind stand oder an den Bauern, der das Korn drosch. Aber an den Sklavendienst in Ägypten und an Gottes tatkräftige Befreiung davon. Wer so achtsam isst, wie das jüdische Volk am Sederabend, von dem kann man auch über Nachhaltigkeit beim Essen viel lernen.
Josua und die seinen erfahren, dass der Weg nach Jerusalem ziemlich anstrengend ist. Sie hatten sich den Auszug in hellen Farben erträumt und erleben nun ziemlich durch-wachsenes Lila. Kein Triumphmarsch in Rischtung Milch und Honig, sondern 40 Jahre zähe Wüstenwanderung. Die Erinnerung an Gottes Taten und Gottes Verheißungen färbt zumindest an diesem Fest die Perspektiven rosa – das kann in Passions- und anderen Zeiten genau so sein.

Die dritte Lesung (Lk 15, 1-3.11-32) erzählt von einem, der so hungrig ist, dass er träumt, wenigstens aus dem Viehtrog seines Vaters essen zu können. In der berühmten Geschichte vom verlorenen Sohn erlebt einer, wie es ist, vom verschwenderischen Reichtum in krasse Armut zu verfallen. Gestern: Tische, die sich biegen, Delikatessen aus aller Welt, Schampus satt. Heute: Kampf um Abfälle und Gänsewein. Ein Werdegang, den sich die wenigsten Predigthörenden vorstellen werden können.
82kg Essen, so fand im Frühjahr 2012 eine Studie heraus, wirft ein deutscher Durch-schnittsmensch pro Jahr in den Müll. Das sind nicht nur Nahrungsmittel im Wert von über 300€. Die Wissenschaftler der Universität Stuttgart meinen auch, dass sich gut 2/3 dieser Abfälle relativ einfach vermeiden ließen.
Der Sohn in Jesu Beispielerzählung erfährt die Liebe seines Vaters, ehe er auch nur ein Wort der Entschuldigung, der Erklärung oder eine Bitte gestammelt hat. Diese Liebe ist Grundlage für sein Bekenntnis „Vater ich habe gesündigt." Aufgrund dieser Liebe kann er anders werden. Seine dunkle Geschichte färbt sich rosa.
Welche Liebe brauchen wir, um anders, nachhaltiger mit Lebensmitteln umzugehen?
Die Aktion des Bundesverbraucherschutzministeriums „Zu gut für die Tonne" liefert zumindest Tipps und Informationen zur Vermeidung von Lebensmittel-Müll.

Im Evangelischen Predigttext (Joh 6, 47-51) erfährt das Essensthema nochmals eine Zuspitzung. Jesus selbst sagt von sich: „Ich bin das Brot des Lebens." Er identifiziert sich voll damit (ego eimi). Was heißt das für das Brot, das wir wegschmeißen?
Jesus gibt seinen Körper für das Leben der Welt. Spekulationen mit Nahrungsmitteln und Ackerland befördern zusätzlich zu Kriegen, Misswirtschaft und anderen menschli-chen Einflüssen, dass immer wieder Körper so aussehen, wie der Geschundene am Kreuz. Mangelernährt, verhungert, verendet.
Auch Körper die unter Essstörungen leiden sind leidende Körper. Das Thema Essen gebiert auch im Wohlstand Passionserfahrungen. Lebensmittel können zu Leidensmitteln werden. Sie sind ein Ausdruck dessen, wie wir mit Schöpfung und Geschöpfen umgehen, mit Pflanzen, Tieren, Boden, Wasser, Luft und letztlich auch uns selbst.
Jesus ist das lebendige Brot und verspricht ewiges Leben. Der Heiland ist Jude und so ist für ihn selbstverständlich, dass die Felder alle sieben Jahre ruhen sollen. Gegen den Hunger rauft er selbst am Sabbat Ähren. Seine Mähler sind wegweisend und schon zu biblischen Zeiten legendär.

Im Heiligen Land blühen jetzt die Mandelbäume rosa. Und auch bei uns zeigt sich, je nach Jahr in unterschiedlicher Intensität, dass der Winter ein Ende hat. Die angedeute-ten Facetten aus unserer „Esskultur" reißen jedoch alle rosaroten Brillen vom Kopf. Ernährung und Lebensmittelproduktion scheinen ein dunkles Passionsthema zu sein. Woher kommt Christusweiß, damit es an Lätare rosa wird?
Mir scheint, dass alle Texte frohe Botschaften in sich tragen. Die Liebe Gottes ist der Farbträger. Mit ihrem Charme lädt sie zum nachhaltigeren Leben ein. Dabei darf Schuld nicht verschwiegen werden (Aber der erhobene Zeigefinger wird kaum lustvolles An-ders-Essen stärken).
Ein Blick über den gedeckten Tisch, wie ich ihn in der Gemeinde erwarte/ erlebe könnte
Ausgangs- und Anhaltspunkt der Überlegungen sein. Er ließe sich mit dem sorgfältig ausgewählten Pessachteller, mit der Geschichte von Überfluss und Armut, mit Jesu Identifikation mit einem der Grundlebensmittel kontrastieren.
Natürlich würde es sich anbieten auch Abendmahl/ Eucharistie zu feiern und damit einen weiteren Bezugspunkt zum Essen herzustellen. Wie verhält sich das Heilige Mahl zu Hunger und Nahrungsmittelmüll? Wie können Essgestörte Heil erfahren am Brot des Lebens?

Rosa ist für mich auch ein Ausdruck von dem, was Paulus „schon jetzt" und „noch nicht" nennt. In unserem Umgang mit Lebens-mitteln spiegeln sich naheliegender Weise Gaben und Aufgaben, Freuden und Sünden unseres Lebens. Dabei scheint auch in lila Passionszeiten weißes Christuslicht.

Johannes Merkel

weblinks:
www.foodwatch.de Verbraucherorganisation rund um Lebensmittel, bei uns und im globalen Kontext
www.misereor.de/themen/hunger-bekaempfen/landgrabbing.html Einstiegsinforma-tionen zum Thema Landgrabbing, oder (Englisch): www.grain.org
www.bmelv.de/DE/Ernaehrung/Wert-Lebensmittel/ZuGutFuerDieTonne/node.html Aktion des Bundesministeriums gegen Lebensmittelverschwendung