Altjahrsabend / Silvester 2020
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. Evangelium |
2. Mose 13,20-22 | 1 Joh 2, 18-21 Hl. Silvester I: Ez 34, 11-16 |
Joh 1, 1-18 Hl. Silv.: Mt 16, 13-19 |
Die Autorin bearbeitet alle fĂŒnf Texte. Sie bietet keinen RĂŒckblick auf das vergangene Jahr. Die Hoffnungsbotschaft der Texte soll gepredigt werden. Mit ihr sind nachhaltige VerĂ€nderungen in der Gegenwart und fĂŒr die Zukunft möglich.
Exodus 13, 20-22
Exegetische Hinweise
âIn den dramatischen ErzĂ€hlungen...geht es vor allem um die Gottesbegegnung, den Glauben und das praktische Leben der spĂ€teren Gemeinde. Wie kann Israel sich stets neu der richtigen Gottesverehrung und LebensfĂŒhrung vergewissern?... Das ganze Buch ist ein aufregender Versuch, die geistliche Geschichte Altisraels im Rahmen von immer neuen AufbrĂŒchen auf der Suche nach der gerechten Gemeinschaft zu erfassen. Es hat bis in die neuere Geschichte (Befreiungstheologie in der Dritten Welt) erstaunlich krĂ€ftig nachgewirkt.â
(s. Bibel in gerechter Sprache (BigS), 2006, S. 116, Exodus. Das zweite Buch der Tora. S.a. Kompendium, Feminist. Bibelauslegung, 2. Auflage S. 514 f.)
Predigtimpulse
Das Jahr 2020 ist geprĂ€gt von Erfahrungen mit der Corona-Pandemie. Eine solche weltweite Krise ist eine groĂe Herausforderung und auch eine Chance. Wie soll, wie kann das Leben auf diesem Planeten, in unseren Gesellschaften und Familien weitergehen? ZurĂŒck zur gewesenen âNormalitĂ€tâ? Alt-Israel konnte nicht mehr zu den âFleischtöpfen Ăgyptensâ zurĂŒck. Verunsicherung machte sich breit, ja Rebellion gegen diese unsichtbare Gottheit âIch-bin-daâ (Exod. 3,14). Doch âIch-bin-daâ geht voraus in die ungewisse Zukunft. Ăngste kommen auf, doch Wolken- und FeuersĂ€ule zeigen die Richtung an. âIch-bin-daâ sorgt immer wieder fĂŒr positive Ăberraschungen, gerade in Krisenzeiten.
Bezug zur Nachhaltigkeit
Ausschau halten nach Signalen, die Perspektiven zum Leben bieten. Die EKD veröffentlichte am 30. April 2020 die ErklĂ€rung âZukunftsfĂ€higer Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft nach dem Lock Downâ. Es geht darum, âden Kairos zu nutzen, um herauszufinden, wie die Ăkonomien und Gesellschaften resilienter und nachhaltiger gestaltet werden können. Dazu gehört z.B. eine Priorisierung des Gesundheitswesens, ein bewusster RĂŒckbau der Globalisierung durch den Erhalt und Wiederaufbau nationaler und regionaler ProduktkapazitĂ€ten und ein konsequenter ökologischer Umbau der Wirtschaft ... Ein PrĂŒfstein fĂŒr die Milliarden schweren Rettungspakete sollte deshalb deren Beitrag zu einem zukunftsfĂ€higen Umbau der Wirtschaft seinâ. Es folgen Kriterien.
1 Joh 2, 18-21
Exegetische Hinweise
Schwerpunkte des anonymen âBriefesâ sind: Liebe, Gerechtigkeit, Gemeinschaft und SĂŒnde. FĂŒr 1. Joh. lĂŒgen alle, die sich fĂŒr sĂŒndlos halten (1,8ff). MaĂstab fĂŒr die Liebe, in der Christus prĂ€sent ist, ist das Halten der Gebote. Alle, die Gerechtigkeit âmachenâ, zĂ€hlen zu den Kindern Gottes (2,29). Die Geistgabe hilft dazu. Verbindend fĂŒr alle wird am Bekenntnis zu Christus festgehalten. So entsteht Gemeinschaft in der Liebe. Wer diesen Grundkonsens verlĂ€sst, sĂŒndigt, wird als 'Antichrist' bezeichnet und somit als prophetisches Zeichen der Endzeit gedeutet (2,18.22). Der Begriff kann mit den Pseudopropheten des Ersten Testaments in Verbindung gebracht werden (z. B. Jer. 14,14ff). SĂŒnde ist die Abkehr vom Christusbekenntnis. Sie wird nicht mit Strafen belegt (4,17-21), sondern der FĂŒrbitte ĂŒberantwortet (5,16).
S. Kompendium Feministische Bibelauslegung, 2. Auflage, Seite 709-714
Predigtimpuls
In der Predigt kann beispielhaft herausgearbeitet werden, wie die Liebe in Christus konkret wird. NĂ€mlich wo und wann immer Gerechtigkeit âgemachtâ wird und so neue Gemeinschaft entsteht. Krisenzeiten, wie die Chorona-Pandemie, werden zu Chancen, wenn wir nicht weitermachen wie bisher, sondern neu erproben, was das Bekenntnis zu Christus heute bedeutet und welche Herausforderungen es mit sich bringt z.B. an einer gerechteren Gemeinschaft mitzuarbeiten.
Bezug zur Nachhaltigkeit
Ein Beispiel zu gerechter Gemeinschaft: Ăber 20 bundesweit tĂ€tige Organisationen und VerbĂ€nde stellten im April 2020 Forderungen an Bundesregierung und Arbeitgeber*innen, die sich vor allem auf die Situation von Frauen beziehen. âWann, wenn nicht jetzt zeigt sich, welches die Jobs sind, die das Ăberleben sichern und die unter Bedingungen der Corona-Pandemie als systemrelevant gelten. Es sind Kranken- und Altenpfleger*innen, VerkĂ€ufer*innen, Arzthelfer*-innen, Erzieher*innen und alle, deren Arbeit in der Ăffentlichkeit gar nicht wahrgenommen wird. Menschen, die in den KĂŒchen, den WĂ€schereien, in der Verwaltung der KrankenhĂ€user und Pflegeeinrichtungen und in den Rettungsdiensten u.a.m. arbeiten. Sie halten den Laden am Laufen und das, obwohl sie sich tagtĂ€glich einer erhöhten Ansteckungsgefahr aussetzen. Es sind die sogenannten âFrauenberufeâ, die in Deutschland schlecht bezahlt und hĂ€ufig unter schwierigen Arbeitsbedingungen erledigt werden. Gesellschaftlich notwendige Arbeit muss jetzt und fĂŒr die Zukunft neu bewertet werden...â
Ganzer Text bei www.ekd.de/chancengleichheit
Johannes 1, 1-18
Exegetische Hinweise
Im Prolog des Johannes-Evangeliums wurde ein Lied an die Weisheit (sophia) auf Jesus ĂŒbertragen. Die Ăbersetzung des griechische Begriffs Logos mit âWortâ ist unzureichend. Logos bezeichnet neben pneuma den göttlichen Geist, eine eher mĂ€nnlich gedachte Wesenheit Gottes, welche an die Stelle der weiblichen sophia, der Weisheit, tritt.1) Die Bibel in gerechter Sprache ĂŒbertrĂ€gt 1,1-18 zurĂŒck mit dem Hinweis auf Gen. 1,1; Spr. 8,22-31; Sir 24,9: Am Anfang war die Weisheit und die Weisheit war bei Gott und die Weisheit war wie Gott...(1,1ff):2)
1) S. Kompendium Feministische Bibelauslegung, 2. Auflage, Seite S 710
2) Bibel in gerechter Sprache, Einleitung Johannesevangelium
Predigtimpulse
Christus als die "Göttliche Weisheit" oder âLogos des Lebensâ (1,4) erleuchtet unsere Welt. Die Schattenseiten treten deutlich hervor. Wir sind als Christ*innen vor Herausforderungen gestellt. Nicht erst die Corona-Krise, schon die ErderwĂ€rmung, das Artensterben und der Turbo-Kapitalismus drĂ€ngen uns die Frage auf, wie wir in Zukunft auf dieserm Planeten leben wollen. Was zĂ€hlt? Was erweist sich im Licht Christi als lebensfördernd? Logos oder Weisheit ist die schöpferische, lebenserhaltende Gotteskraft. Christ*innen können sie in Vollmacht (1,12) einer Logik der Macht entgegensetzen.
Bezug zur Nachhaltigkeit
Ein Beispiel: ĂŒber 2.000 BĂŒrgerinnen und BĂŒrgern unterzeichneten am 8. Mai 2020, dem Tag der Befreiung (75 Jahre seit Ende des 2. Weltkriegs), den Aufruf in der SĂŒdddeutschen Zeitung âAbrĂŒsten statt aufrĂŒstenâ. Ein Auszug: âWer den Frieden will, muss fĂŒr den Frieden kĂ€mpfen. Die hĂ€ufig zu hörende Forderung, Europa mĂŒsse die âSprache der Machtâ (MĂŒnchner Sicherheitskonferenz) lernen und seine militĂ€rischen FĂ€higkeiten ausbauen, ist falsch. ... Wir brauchen vielmehr eine Zivilisierung der sozialen, ökologischen und ökonomischen Konflikte. Andernfalls kehren die Gespenster der Vergangenheit zurĂŒck, die nur Tod und Zerstörung mit sich bringen.â
s. www.abruesten.jetzt/8-Mai-TagDerFreiung_SZ_08_05_20.pdf
Es geht zurzeit um die Anschaffung neuer, atomar bestĂŒckbarer Kampfjets fĂŒr die Bundeswehr. Eine Milliardenausgabe. Geld das fĂŒr prĂ€ventive KrisenbewĂ€ltigung und auch fĂŒr Pflege, Erziehung und Bildung fehlt.
Ez. 34, 12â16
Exegetische Hinweise
Ez. 34 gehört zu den Heilsworten des Propheten (Ez 25-39) und richtet sich an die âVerlorenen, Verirrten, Gebrochenen und Schwachenâ (34,16). Wie Schafe werden sie auf die gute Weide gebracht (34,14). Gott selbst verspricht: âich berge sie, fĂŒhre sie herausâ (34, 12-15). Ezekiel eröffnet mitten im politischen, wirtschaftlichen und persönlichen Desaster eine Zukunftsperspektive, gibt Hoffnung. Psalm 23 klingt an. Evangelientexte nehmen das Thema verĂ€ndert auf (Lk 15,1-10; Joh. 10; Lk 4,18).
Predigtimpulse
Das von Ez beschriebene âWeidenâ möchte ich mit zwei Punkten in Verbindung bringen. Der eine ist das neue Schlagwort âsystemrelevantâ, das mit dem Lockdown der Corona-Pandemie (MĂ€rz 2020) aufkam. Der andere: Die OeRK-Arbeit fĂŒr eine âĂkonomie des Lebensâ. Die Maxime des schnellen Profits der âHirt*innenâ muss nicht nur hinterfragt, sondern in ein Wohlergehen fĂŒr alle umgestaltet werden (OeRK-Seminar August 2020 in Taipeh).
Bezug zur Nachhaltigkeit
Das VernachlĂ€ssigen âder Schafeâ fĂŒhrt im 21. Jh. zur globalen Katastrophe. Es ist wichtig, dass die Kirchen dabei sind, nach einer âĂkonomie des Lebensâ zu suchen und diese zusammen mit Menschen aus der Wirtschaft zu entwickeln. Das Evangelium kann sich mit seiner Befreiungs- und Hoffnungsbotschaft dem Mainstream des Profits und der zerstörenden MachtanmaĂung nachhaltig entgegenstellen (OeRK-Seminar August 2020 in Taipeh).
Matth. 16, 13â19
Exegetische Hinweise
Die Frage nach einer Rangordnung scheint von grundlegender Bedeutung fĂŒr die mattheischen Gemeinden. Sie sind der Ort, an dem anfangsweise Gottes Reich erfahren werden kann. Jesus beantwortet sie in 18,1ff, indem er ein Kind in den Mittelpunkt stellt. Jesus selbst ist Lehrer und Meister der Gemeinden. Unter seiner Leitung wird Geschwisterlichkeit möglich (23,6), weil er sich mit âden Kleinenâ identifiziert (23,5). Es stellt sich die Frage, wie Matth. 16,13ff hierzu verhĂ€lt.
s. Kompendium Feministische Bibelauslegung, 2. Auflage, Seite S 491.
Predigtimpulse
Ein erster Impuls: Petrus spricht ein Bekenntnis stellvertretend fĂŒr die mattheischen Gemeinden, denen daraufhin Vollmacht und Verantwortung ĂŒbertragen wird. Ich ĂŒbertrage die Ausgangsfragen des Textes in V 13 und 15 so: Was bedeutet heutzutage ein Christusbekenntnis? Wie sieht es aus mit unserem Bekenntnis zu dem Christus an der Seite der âKleinenâ - als Gemeinde vor Ort, als Kirchen, als Christinnen und Christen?
Ein anderer Impuls: Ich möchte das âBekenntnis der Marthaâ (Joh. 11, 27) mit seinem ganz anderen Erfahrungshintergrund in einen Dialog mit dem âPetrusbekenntnisâ bringen; z.B. so, dass Martha und Petrus einander mitteilen, welche Erfahrungen zu ihren Bekenntnissen gefĂŒhrt haben und welche Konsequenzen das hatte.
Bezug zur Nachhaltigkeit
Gelebte Mit-Leidenschaft fĂŒr jene, die klein gemacht werden, die selbst keine Stimme haben, bis hin zu den Entwurzelten und Geflohenen, ist eine wesentliche Form unseres Christusbekenntnisses heute. Gelebte Mit-Leidenschaft (compassion), als Christusbekenntnis verstanden, wirkt sich in unseren Gemeinwesen z.B. in prĂ€ventiver KonfliktbewĂ€ltigung aus und trĂ€gt nachhaltig dazu bei, dass jede_r ihren/seinen Platz in der Kirche Jesu Christi und auch in einer demokratischen Gesellschaft findet.
Susanne KĂ€ser, Landau
Alle Bibelzitate nach Bibel in gerechter Sprache (BigS), 2006