Gründonnerstag
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Mt 26,17-30 | Abendmahl-M.: Ex 12, 1-8.11-14 | 1 Kor 11, 23-26 | Joh 13, 1-15 |
Stellung im Kirchenjahr
Über die Konfessionen hinweg eröffnet der Gründonnerstag das Triduum Paschale, in dem sich das Erlösungswerk Gottes ereignet. In der Feier des Letzten Abendmahls blickt Jesus hinein in das anschließende Leiden und Sterben, schlägt aber zugleich hoffnungsvoll die Brücke auf das Wiedersehen, das in den Begegnungen am Grab und den nachösterlichen Mahlgemeinschaften im selben Saal, in Emmaus, am See von Tiberias und an weiteren Orten widerfährt.
Die Texte der Leseordnungen bieten eine Fülle theologischer Implikationen, von denen mir einige besonders geeignet scheinen, Aspekte von Nachhaltigkeit zu eröffnen:
Mt 26/1 Kor 11
Vorausgezeichnet im Mahl, genauer gesagt im Verzehr von Brot und Wein, definiert Jesu seinen Tod als entschiedene Selbsthingabe für die Vielen, d.h. letztlich für alle, und vollzieht damit eine bleibende Setzung. Auf diese Weise weitet er die Dimension dieses einen historischen Geschehens auf die ganze Menschheit und in eine sich jetzt neu öffnende Zukunft. Damit wird er zum Werkzeug der Versöhnung, die Gott in eben diesem Geschehen von Jesu Hingabe, Leiden, Tod und Auferstehung neu und endgültig eröffnet.
Ex 12
Das erste Pessach wird beschrieben und erlebt als eine Angelegenheit von Familie, Hausgemeinschaft und Nachbarschaft, durchbricht also ein individualistisches Gottesverhältnis, in dem es nur um meine eigene Befreiung, meine eigene Rechtfertigung, mein eigenes Heil geht. Gott rettet das Volk und stiftet das Pessachfest, weil es ihm um Leben und Tod geht, die zwar den Einzelnen betreffen, aber eben nicht privatim, als soziales, als politisches Wesen.
Joh 13
Unberührte Zuschauer gibt es beim Letzten Abendmahl nicht, denn Jesu Einsatz fordert mit Haut und Haar, geht an die Nerven. Umgekehrt kann es Teilhabe an Jesu Leben nur geben, wo sich die Jünger ihm aussetzen, es aushalten, dass er vor ihnen auf die Knie und sein Geist unter die Haut und ins Herz geht. Und eben dort, im Herz, im Kern meiner Existenz, kehrt sich die Gabe von Jesu Gegenwart in die Aufgabe, ihn mit Herz und Hand zu präsentieren und immer wieder zu re-präsentieren, selber voreinander in die Knie zu gehen, sich um eine kenotische, diakonische Existenz zu bemühen.
Beispiele zur Umsetzung und weitere Kontexte
1. Mahlgemeinschaft und Versöhnung (Mt, 1 Kor)
Die Anglikanische Kirche von Kanada leitete lange Zeit Schulen in den Indianerreservaten, die u.a. das Ziel verfolgten dazu dienten, die Angehörigen der First Nations und Inuit zu assimilieren. Kinder wurden ihren Familien entrissen, es wurde ihnen verboten, ihre eigene Sprache zu sprechen, viele wurden körperlich, seelisch und sexuell missbraucht. Angesichts dieser Schuld hat die Kirche um Vergebung gebeten und bemüht sich, die überlebenden Opfer für das erlittene Leid zu entschädigen. So finanziert sie beispielsweise „Healing Projects“ in Gemeinschaften der First Nations und Inuits und engagiert sich in die Arbeit der Kommission für Wahrheit und Versöhnung in Kanada.
https://www.anglican.ca/healingfund/
2. Erfahrungen gemeinschaftlicher Erlösung/Befreiung (Ex)
Die Kirche von Südindien bemüht sich, die Botschaft von Gottes inklusiver Liebe zu bezeugen. An ihrer Kathedrale in Chennai am Golf von Bengalen finden junge Erwachsene die Möglichkeit, ihre Bereitschaft, eine Ehe ohne Rücksicht auf die Kastenzugehörigkeit einzugehen, in Gesang und Tanz zum Ausdruck zu bringen. Die Anwaltschaft für Dalit, die anderswo als Ausgestoßene behandelt werden, prägt auch das theologische Curriculum am Gurukul Seminar und führt zu entsprechenden Projekten und politischer Aktivität der Kirchen vor Ort.
https://www.uspg.org.uk/worldwide/india/
3. Teilhabe als Gabe und Berufung zur diakonischen Existenz (Joh)
Kurze Zeit, nachdem der Tsunami 2011 Shichigahama in der japanischen Präfektur Miyagi heimgesucht hatte, kam Seiko Mukai in den Ort, um dort als Freiwillige zu helfen. Immer noch waren 500 Häuser zerstört und rund 1200 Menschen lebten in Behelfsunterkünften. Seiko praktizierte Ashiyu, eine in Japan geübte Tradition, einander die Füße in heißem Wasser zu waschen, und berichtet: „Meine Arbeit bestand darin, mich um gestresste Menschen zu kümmern, indem ich denen ein Fußbad anbot, die kein normales Bad nehmen konnten, und ihnen mein Ohr widmete. Ich saß bei Menschen, die nicht sprechen wollten oder konnten und blieb still, während meine Hände die Haut pflegten, die Haut von Menschen, die nicht aufhören konnten zu weinen. Zehn bis fünfzehn Minuten widmete ich jedem Tsunami-Opfer. (…) Auch wenn ich so sehr tief mitempfunden habe, frage ich mich, ob ich wirklich fähig bin, in meinem Alltag Andere zu lieben. So hat dieser Freiwilligendienst mein gewöhnliches Leben in Frage gestellt und hört nicht auf, es zu tun.“
https://www.lutheranworld.org/content/resource-love-and-serve-lord-diakonia-life-church
Joachim Feldes, Dannstadt-Schauernheim
Literatur
Matthäus neu lesen = Bibel und Kirche 74 (2019) 130-192.
Neuber, Carolin (Hg.): Der immer neue Exodus. Aneignungen und Transformationen des Exodusmotivs = Stuttgarter Bibelstudien 242 (2018). Stuttgart : kbw Bibelwerk.
Gregur, Josip u.a. (Hg.): Kirchlichkeit und Eucharistie. Intradisziplinäre Beiträge der Theologie im Anschluss an 1 Kor 11,17-34 (2013). Regensburg: Pustet.