Pfingstsonntag (23.05.21)

Pfingstsonntag


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
1. Mose 11,1-9 Vorabend: Gen 11, 1-9 od.
Ex 19, 3-8a.16-20b od.
Ez 37, 1-14 od.
Joel 3, 1-5
Tag: Apg 2, 1-11
(V:) Röm 8, 22-27
(T:) Gal 5, 16-25 od.
1 Kor 12, 3b-7.12-13
(V:) Joh 7, 37-39
(T:) Joh 20, 19-23 od.
Joh 15, 26 f.; 16, 12-15

 

Brandgefährlich

An Pfingsten spielt Feuer eine ganz besondere Rolle: die Feuerzungen als Bild des Hl. Geistes, der auf die Menschen herabkommt und sie erfüllt. Ein starkes Bild für Energie, Kraft, Wirken – aber auch gefährlich. Feuer ist lebensbedrohlich. Das haben wir dieses Jahr vor allem in Australien gesehen: die verbrannte Erde, verbrannte Tiere, ausgelöschte Natur. Die Trostlosigkeit ist niederdrückend und zeigt die Ohnmacht auf. Die Ambivalenz der Symbole zeigt sich auch in metaphorischen Sprachspielen: für etwas brennen, mit ganzem Herzen entflammt, burn out, abgebrannt, mit Feuer und Flamme …
Energie beherbergt beide Möglichkeiten: sie kann mit unglaublicher Kraft Gutes bewirken und mit unvorstellbarer Kraft zerstören. Das gilt (leider) auch für Religionen: wenn sie Menschen in Angst und Schrecken, statt in Freiheit bringen; wenn sie in Ideologien und Größenwahn abgleiten und Machtgelüsten huldigen, die Menschen an Leib und Seele zerstören. Das gilt aber auch für die missbräuchliche Verwendung biblischer Texte, wenn die Natur nicht als Schöpfung, sondern als Ressource für menschliches Überleben betrachtet und die Zerstörung der Erde durch den Menschen bestritten wird. Es ist brandgefährlich, wenn wir weiter so leben wie bisher – das wissen wir schon lange und die Bilder von 2020 haben das deutlich gezeigt.
Das Feuer, mit dem Gottes Geist uns entflammt, zeigt die Kraft auf, die darin steckt und die Veränderung zum Guten bewirkt – das zeigen die Texte am Pfingstsonntag.

Sprachverwirrung

Gen 11,1-9

Warum ist Verständigung so schwer? Warum sprechen wir verschiedene Sprachen? Fast könnte dieser Text als eine Warnung vor Weiterentwicklung, vor Forschergeist und neuen Zielen verstanden werden. Doch all das ist nicht der Grund für das Eingreifen Gottes. Die Selbstverherrlichung, der Größenwahn, die Einbildung, wie Gott sein zu können und der Grenzenlosigkeit gewachsen zu sein – das ist brandgefährlich und zerstörerisch. Wir wissen es längst, dass wir vieles nicht mehr beherrschen und dass eine Wende nur gelingen kann, wenn wir eines Geistes sind. Die Pfingsterzählung in der Apg hebt die Sprachenvielfalt, die Gott in die Welt brachte, nicht auf. Aber sie erzählt, dass Gottes Geist Zuhören und Verständigung bringt, die gemeinsames Handeln ermöglicht

Ein Wort wie Feuer

Apg 2,1-11(12) (Das Pfingstereignis)

Zwei Bewegungen setzt Gottes Geist in Gang:
der Sturm, der das ganze Haus erfüllt und die Feuerzungen, die sich auf den Menschen verteilen, ermöglichen, dass die Jüngerinnen und Jünger nicht mehr unter sich bleiben, sondern mit den Menschen, die zusammenströmen reden. Und sie können das in deren Sprache tun, sodass sie verstanden werden. Sie verkünden in der Sprache derer, die ihnen zuhören, Gottes große Taten. „Was hat das zu bedeuten?“

In einem Bild zu Pfingsten https://cdn.pixabay.com/photo/2018/05/17/18/11/pentecost-3409249_960_720.jpg ist diese erste Bewegung aufgenommen: die Feuerzungen reichen über den ganzen Körper, breiten sich im Innern der Menschen aus und umhüllen sie.
Die Konturen sind verschwommen. Es mag in diesem Moment nicht mehr alles ganz klar sein. Es wird erst zum Vorschein kommen, wie sich diese Energie manifestiert, verkörperlicht, welche Gestalt sie annimmt. Denn Gottes Geist dringt ganz in die Menschen ein, bleibt nicht außen vor, sondern erfasst uns mit Haut und Haaren. Begeistert sein – im wahrsten Sinn des Wortes. Dieser Geist nimmt sich Raum, nimmt in Beschlag, so dass kein anderer Geist sich ausbreiten kann. Er erfüllt alles und alle. Allein darin liegt die Eindeutigkeit, allein daraus entsteht die Wirkung.
Wenn uns Gottes Geist, erfasst, dann können wir nicht mehr schweigen, nicht mehr unter uns bleiben, nicht mehr im Rückzug verharren. Dann werden wir anders als bisher reden. Dann strömen Worte wie Feuer aus unserem Mund, die Staunen und Begeisterung hervorrufen. Dann werden wir uns den Fremden ohne Angst nähern und mit ihnen reden können über alle Verständnisbarrieren hinweg. Die Folge dieser Bewegung: eine Gemeinschaft, die in und aus diesem Geist Gottes lebt, entsteht. Biblisch gesprochen tragen alle jetzt in ihrem Innern die Feuersäule (Ex 13,21), die die Menschen in Freiheit führt. Alle werden in diesem Geist zu „Feuersäulen“ auf dem Weg in die Freiheit.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir heute die Feuerzungen auf unsere Köpfe begrenzen und uns Gottes Geist nicht mehr im Innern ergreift. Doch so finden wir nicht zur Sprache der Menschen um uns und sie spüren nicht mehr das Feuer in uns. Den Sturm durch unser Haus fegen zu lassen, die Hitze des Feuers mit Kopf, Herz und Verstand anzunehmen und sich darauf einzulassen, was passiert, was zur Sprache kommen möchte, Worte wie Feuer auszusprechen, - das könnte ein neuer Pfingstmorgen sein.

Ich brenne für …

1 Kor 12,3b-7.12-13

Das Interessante ist, dass biblische Texte den Balanceakt zwischen Pluralität und Vergemeinschaftung schaffen – durch einen einzigen Bezugspunkt: „im Heiligen Geist sein“.
Dieser Geist ist es, der die Freiheit in der Gemeinschaft zulässt. Dieser Geist bringt die unterschiedlichen Gaben und Talente leibhaftig zusammen. Dieser Geist lässt Hierarchien und daraus resultierende Bewertungen nicht mehr zu.

Manchmal denke ich, wie gut wir unsere Erde schützen und bewahren könnten, wenn wir uns als Hausgemeinschaft Gottes verstünden – als ein Teil von vielen, die im gleichen Geist unterwegs sind. Wenn wir für ein gemeinsames Ziel brennen würden und doch unterschiedliche Wege und Ungleichzeitigkeiten belassen könnten. Wenn die Starken für die Schwachen einträten und sie mittrügen. Wenn die Schwachen nicht in die Rolle der Bittsteller gedrängt würden. Wenn nicht mehr das eigene Ansehen, die persönliche Selbstdarstellung und Profilierung im Vordergrund stünde, sondern das Wohl aller. Es ist eine Utopie – ja. Aber eine Utopie, die der zerstörerischen Vernichtung das Kostbarste entgegenhält, das es gibt: die leibliche Gemeinschaft mit ihren vielen verschiedenen Geistgaben.

Lebens-Atem

Joh 20,19-23

Manchmal geht mir der Atem aus. Ich bin erschöpft, ausgebrannt – und darauf angewiesen, dass jemand die Glut in mir wieder entfacht. Wer öfters ein Feuer macht, weiß, dass es gar nicht so leicht ist, das richtige Maß zwischen genügend Sauerstoffzufuhr und Ausblasen des letzten glimmenden Körnchens zu finden. Es genügt ein einziger Luftstoß, dass die Flamme auflodert und das Feuer wieder in Gang kommt. Wie gefährlich solche Winde sein können, welches Lauffeuer sie entfachen, wie sie nicht mehr aufzuhalten oder einzudämmen sind, sehen wir oft genug.
Das Johannesevangelium nimmt diese Bild auf und wendet es: es erzählt von der lebensspendenden Kraft, die Gottes Atem schenkt. So wie die Schöpfung durch den Atem Gottes ins Leben kam, so beatmet Gottes Geist die Ängstlichen, die Friedlosen, die Sündiger neu. Er gibt allen Kraft, durch diesen Atem ein gutes Leben zu ermöglichen. Es ist – im Unterschied zur Apg – eher ein ruhiges Bild. Langsam springt der Funke über, die Bewegung lässt viel Zeit und gibt jedem Raum, sich umzuwenden und an einer guten Zukunft mitzuarbeiten. Gottes versöhnende Kraft in die Welt zu tragen.
Gott atmen, das ist brennen, ohne zu verbrennen. Gott atmen, das ist die Bewegung, die einen anderen Blick ermöglicht. Gott atmen führt aus der Selbstbezogenheit und gibt Kraft, sich der Not zuzuwenden und dort Heilkraft zu verkünden, wo es notwendend ist.

Barbara Janz-Spaeth, Stuttgart