8. Sonntag nach Trinitatis / 17. Sonntag im Jahreskreis (25.07.21)

8. Sonntag nach Trinitatis / 17. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
1. Kor 6,9-14(15-18)19-20 2 Kön 4, 42-44 Eph 4, 1-6 Joh 6, 1-15

 

1. Kor 6,9-14(15-18)19-20

Körper, Sexualität, Geld und Gewalt

Im 1. Korintherbrief werden die aktuellen Themen und damit alle Konflikte und Missstände einer jungen Gemeinde Schritt für Schritt von Paulus angesprochen. In den Streitigkeiten ist Paulus nicht der überparteiliche Schlichter, sondern er selbst ist auch in Frage gestellt worden. Es gelingt ihm, die vielen Themen immer auf das „Reich Gottes“ (V.9) und „die Rechtfertigung durch den Namen des Herrn Jesus Christus“ (V.11) zu beziehen.

Es geht in diesem Text um (un)gerechtes Handeln und (un)gerechte Beziehungen, um unsere Körper, um Sexualität, Geld und Gewalt. Das sind Themen, die in Predigten nicht oft angesprochen werden, obwohl sie in der Realität und in Form von Fernsehkrimis ständig präsent sind. Wie kann man hierüber predigen? „Keine Moralpredigten mehr von der Kanzel!“, so heißt es gleich, da sind sich alle einig. Wenn ich aber nach einer Weisung für nachhaltige Lebensweisen suche, muss ich dann nicht „moralisch“ sein?

In der Lutherbibel dick gedruckt und daher (scheinbar) im Zentrum ist der Vers 12: „Alles ist erlaubt, aber nicht alles dient dem Guten“ Das heißt: Die Freiheit und und die Verantwortung liegen bei der Gemeinde und ihren Gliedern, Entscheidungen werden uns nicht abgenommen.

Auch die Verantwortung für unsere Körper tragen wir. Konkret werden zwei Themen benannt, die im antiken Korinth offenbar für die Gemeinden wichtig waren, aber auch für uns auf andere Art hoch aktuell sind: Die Ernährung und der sexuelle Missbrauch.

Wir wissen, dass die Ernährung in der westlich entwickelten Welt nicht nachhaltig ist. Viele muten ihren Körpern wissentlich ungesunde Speisen und Getränke zu. Es wird viel zu viel Fleisch gegessen. Die landwirtschaftliche Produktion verursacht die Zerstörung wertvoller Naturräume. Es werden Unmengen von Lebensmitteln vernichtet. Dies alles sind Formen von Gewalt gegenüber der Natur und der Mitgeschöpfe. Zu diesen Gewaltverhältnissen gibt es Alternativen. Die Stichworte regional, saisonal, ökologisch, maßvoll, tierfreundlich, fair und sozial kennzeichnen das Ernährungsverhalten von immer mehr Menschen aller Generationen. Das ist zu unterstützen und zu loben. Leider ist es so, dass - nach meinem derzeitigen Eindruck – die Praxis in Kirchengemeinden bei Veranstaltungen und Festen noch weit hinter den Vorreiter:innen hinterherhinkt. Sehr selten hört man, dass eine Gemeinde ihr Jahresfest bewusst mit regional-ökologischer oder gar veganer Verpflegung ausrichtet. Lieber orientiert man sich an einem vermuteten Mehrheitsgeschmack und beachtet zu wenig, dass dieser auch von einer Institution wie der Kirchengemeinde beeinflusst werden kann.

Das Thema sexueller Missbrauch ist noch brisanter. Es ist gut, dass die Kirchen es – wenn auch getrieben von einer sensibilisierten Öffentlichkeit – endlich ernstgenommen haben. Nun wird sexueller Missbrauch durch kirchliche Mitarbeiter systematisch untersucht. Schutzkonzepte und Verhaltenskodices werden entwickelt. Die Haltung hat sich geändert. Es geht nicht um bedauerliche Einzelfälle, sondern um Strukturen von Abhängigkeit bis hin zur Gewalt, die es wahrzunehmen und abzustellen gilt.

Schon im antiken Korinth gab es Prostitution am Tempel der Aphrodite. Das Geschäft mit Pornographie und Prostitution war aber noch nie so groß wie heute und geschieht zu weiten Teilen auf Kosten von Kindern und Frauen. Die Warnungen des Apostels sind also durchaus übertragbar. Wenn unser Körper „ein Tempel des heiligen Geistes ist“ (V.19) ist, geschehen sexuelle Kontakte in hoher Achtung zwischen den Partner:innen, das heißt gleichberechtigt, einvernehmlich und in gegenseitiger Verantwortung.

Eph 4, 1-6

Tugenden für die nachhaltige Entwicklung

Der Epheserbrief, der vermutlich von einem:r Schüler:in des Paulus geschrieben wurde, enthält in seinem zweiten Teil ab Kapitel 4 eine Reihe von ethischen Anweisungen, die als Bitte formuliert sind und durch die „Berufung“ (V1) zu Gottes Kindern begründet werden. Die genannten Tugenden: Bescheidenheit, Freundlichkeit, Geduld und Liebe werden als unverzichtbare Umgangsformen in einer frühen christlichen Gemeinde beschrieben. Sie können auch als Bedingung einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft auf die heutige Zeit übertragen werden. Nachhaltigkeit bedeutet ja auch die Überwindung von egoistischen Lebensstilen, bedeutet Nachbarschaftshilfe, das gerechte Teilen von Gemeingütern, die Sorge um und Versorgung von Menschen, die Unterstützung benötigen. Zu einer nachhaltigen Entwicklung gehört nicht nur politische Meinungsbildung und eine entsprechende Gesetzgebung, sondern auch neue Form des Umgangs und die Weiterentwicklung einer demokratischen Entscheidungsfindung. Die vom Apostel aufgezählten Verhaltensregeln: Bescheidenheit, Freundlichkeit, Geduld und Liebe erinnern mich an gewaltfreie Kommunikation. Sie sind hilfreich bei Konfliktlösungsstrategien und für Konsensverfahren, die zum Ziel haben, alle einzubinden und mitzunehmen.

Bei der nachhaltigen Entwicklung gibt es - zumindest kurzfristig – Verlierer:innen, wenn beispielsweise Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Diese sollen aber dadurch nicht zu Gegner:innen dieser Entwicklung werden, sondern sie dennoch mittragen können, weil sie für sich neue Perspektiven sehen. Dies ist aber nur möglich, wenn man sich im Grundsatz als Teil einer größeren Gemeinschaft versteht. Daher sind alle Versuche der Spaltung so gefährlich. Sie verhindern friedlichen Wandel.

So appelliert der Apostel an die Einigkeit in der christlichen Gemeinde Ephesus. Einigkeit ist in der heutigen Situation natürlich nicht das Gegenteil von Vielfalt und Buntheit. Einheit bedeutet eine Verständigung über die gemeinsamen Grundlagen und Ziele und der Einsatz dafür. Ihr Gegenteil ist die häufig zu beobachtende Beliebigkeit und Gleichgültigkeit.

2 Kön 4, 42-44

Joh 6, 1-15

Speisung gegen den Hunger

Legt man diese beiden Texte nebeneinander, ist es schön zu beobachten, wie sich das Evangelium auf die hebräische Bibel bezieht. Die Motive sind sehr ähnlich, es gibt Parallelen und Unterschiede. Der Prophet Elisa wirkt zur Zeit einer Hungersnot, in der mit allerlei unbekömmlichen Speisen experimentiert wird um satt zu werden. Elisa sorgt sich um gute Nahrungsmittel. (V41)

In beiden Geschichten werden wird aus wenig viel. Die Menschen werden satt und es bleibt etwas übrig. Weder Elisa noch Jesus zaubern die Brote aus dem Nichts. Etwas wird ihnen gebracht. Bei Elisa ist es ein Mann aus Baal-Schalischa. Er hat etwas ernten können: Gerste, das Erstlingskorn, mit dem die Getreideernte beginnt. Er ist gehalten, das Erstlingsbrot Gott darzubringen. „Und Brot und geröstete Körner und Jungkorn sollt ihr nicht essen bis zu diesem Tag, bis ihr die Opfergabe eures Gottes gebracht habt; eine ewige Satzung bei euren Geschlechtern in allen euren Wohnsitzen“ (3. Mo 23,14). Aber der Mann aus Baal-Schalischa hat keinen Zugang zu einem Tempel. Was soll er da tun? Die Erstlinge seiner Ernte einfach selbst essen? Nein, er bringt die Erstlinge zu Elisa, dem Mann Gottes, dahin, wo sie zum Segen für die Hungrigen wird.

Bei der Speisung der 5000 ist es ein Kind, das 5 Brote und zwei Fische bei sich hat, vermutlich für seine Familie. Dies kann bedeuten, dass der Evangelist betonen will, dass auch die Machtlosen, die Kleinen viel bewirken können. Von Ihnen können Wunder ausgehen. Und das Brot reicht nicht nur für eine Familie, sondern für 5000. Das Kind kann uns auch daran erinnern, das es die Kinder sind, die am stärksten und Hungerkrisen zu leiden haben.

Der Bezug zur Nachhaltigkeit ist bei diesem Brot-Geschichten auf der Hand. Ernährungssicherheit ist die Voraussetzung jeder Entwicklung. Bei den 17 Zielen für eine nachhaltige Entwicklung der Vereinigten Nationen steht dies als Ziel 2 mit an der Spitze: „Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern.“ Jean Ziegler, ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung kommentiert die derzeitige Situation so: „Die Weltlandwirtschaft könnte problemlos 12 Milliarden Menschen ernähren. Das heißt, ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet.“ Es ist nötig, sich dies immer wieder vor Augen zu führen.

Kirchengemeinden haben zu diesem Punkt viele Möglichkeiten des Engagements. Das beginnt bei der finanziellen Unterstützung der kirchlichen Hilfswerken, die in Regionen, wo akute Hungersnöte sind, Katastrophenhilfe leisten. Brot für die Welt, Misereor und andere entwickeln entwicklungspolitische Partnerprojekte, bei denen die Ernährungssicherheit durch eine langfristige Verbesserung der Produktion - auch angesichts des Klimawandels - ermöglicht werden soll. Am wichtigsten ist aber auch hier unser Verhalten als Konsument:innen, sei es unsere Familie oder auch unsere Gemeinde.

Stefan Weiß, Kassel