Trinitatis / Dreifaltigkeitssonntag (26.5.13)

Trinitatis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
4 Mose 6, 22-27 Spr 8, 22-31 Röm 5, 1-5 Joh 16, 12-15


Der Autor stellt die Betonung eines „drei-einen" Gottes gerade im Miteinander der Religionen als aktuell und bedeutend dar. Erst in der Betonung der wesensgleichen Einheit der drei göttlichen Seinsweisen sieht er die Tiefe des christlichen Glaubens heute nachhaltig kommunizierbar und alltagsrelevant sowie interreligiös vermittelbar.

Trinitatis:
Ohne Geist keine Gottesbegegnung und keine Liebe

4. Mose 6, 22-27 (ev.) / Joh 16,12-15 und Röm 5,1-5 (kath.)

Vorbemerkung zu Dreifaltigkeit bzw. Trinitatis

Als ob ein eigenes Fest zur Würdigung des Heiligen Geistes zu viel des Guten sein könnte, gebietet eine Woche nach Pfingsten der Dreifaltigkeitssonntag Einhalt in der „Überbetonung" der dritten göttlichen „Person" – und erinnert daran, dass die junge Kirche im Angesicht von Irrlehren die Einheit und die Wesensgleichheit der drei göttlichen Seinsweisen betont hat. Alte Kirchen- und Dogmengeschichte, die heute nur noch Historiker und Theologen interessiert? Ich fürchte, in etwa dieselben damaligen als Häresien gebrandmarkten Lehren machen heute die Runde – zumeist unreflektiert: zum Beispiel die ausschließliche Orientierung am Menschsein Jesu (Doketismus), am „eigentlichen" Gott als „Vater" (Monophysitismus) oder der Glauben an einen Geist als „Anhängsel" (als Form des Subordinatianismus). Oder es wird - gut gemeint - daran erinnert, dass für Christen der eigentliche Gott Jesus Christus sei und er eine Sonderrolle im Miteinander der drei „Personen" habe.

 

Joh 16: Mehr als ein Paraklet

Der, der nach dem Fortgang des Herrn die Jünger in die „ganze Wahrheit" einführen soll, wird oft als „Beistand" oder „Tröster" übersetzt. Der „Paraklet" ist im damaligen Sozialkontext aber vielmehr derjenige, der im Gericht „bei-steht". Warum nutzt der Evangelist diese Berufsbezeichnung? Die im heutigen Evangeliumstext verwendeten Worte Jesu stehen im Zusammenhang der Abschiedsreden an seine Jünger, dabei klingt der Topos des Gerichtes an. Ist es die Furcht vor diesem Ende oder ist es der Schmerz über den Weggang des Meisters, dass Jesus von den Jüngern behaupten kann, es interessiere diese nicht, wohin er gehe (V. 5). Menschlich, allzu menschlich werden sie dargestellt – und waren sicherlich auch die Gefühle der Freundinnen und Freunde Jesu. Doch Johannes schildert einen Jesus, der auf diese Befindlichkeiten nicht eingeht. Stattdessen folgt hohe Theologie, Trinitätslehre: Er, Jesus, müsse erst gehen, damit der „Geist der Wahrheit" (V. 13) überhaupt kommen könne. Dieser komme dann aber nicht von allein auf die Jünger herab, sondern werde durch Jesus zu ihnen gesendet (V. 7) – hier klingelt die Eigenständigkeit der göttlichen „Personen" Sohn und Geist an. Doch ohne den Verweis darauf, dass der Geist eigenständig und eigenmächtig wahrnehmen und verkünden wird (V. 13), könnten diese Zeilen nach Subordination klingen – so schwierig ist es mit dem Geheimnis der Drei-faltig-keit: in seinem Tun und Wirken sei der Geist ganz auf die „Person" des Sohnes verwiesen (V. 14). Der Evangeliumstext endet schließlich - kann nur so enden - mit dem Hinweis auf die Einheit von Vater und Sohn (V. 15). Harte Kost soll Jesus nach dem Zeugnis des Johannes seinen Jüngerinnen und Jüngern im Moment des Abschiedsschmerzes vorgesetzt haben (?).

 

4. Mose: Das bleibende Nahen Gottes

Würde das Evangelium nach Johannes eventuell nicht so abstrakt-theoretisch wirken, wenn der Evangelist, anstatt die Funktionen des Gottesgeistes zu definieren - das berufsmäßige Beistehen (V. 7), das Aufdecken dessen, was sündhaft und was gerecht ist (V. 8), das Einführen in die Wahrheit (V. 13) - mehr wert auf die Beziehungsebene gelegt hätte? Im Grunde ist es nicht mehr, aber auch nicht weniger als die Nähe Gottes, die mit der Verheißung des Gottesgeistes - bleibend! - zugesagt wird/ist. Jesus spricht mit einer für die Jünger nicht plausiblen Selbstverständlichkeit von seinem notwendigen Fortgehen. Was die Zurückbleibenden aber offenbar hören wollten, ist: „Ich gehe nicht, nicht wirklich, sondern komme wieder – in anderer ‚Gestalt'". Oder: „Ich bleibe doch bei euch!" Das Gegenüber-, Über- und Vor-ihnen-Bleiben des „Mitgeh-Gottes" Jahwe trifft inhaltlich bereits - vorchristlich - der alttestamentliche „Priestersegen": Es ist die den Müttern und Vätern des Glaubens bekannte Ruach, der Lebensatem Gottes, der mit Jesu schrecklichem Ende nicht gleichsam mitsterben wird. Nach der Grabesruhe wird dieser Gottesgeist neu ausgegossen und die Jüngerinnen und Jünger mit ihm „gesegnet" werden. Und wie dem Aaronstamm geboten wurde, alle Israeliten im Namen Jahwes zu segnen, so sollen auch die Jünger Jesu diesen pfingstlichen Gottesgeist weitertragen.

Was so einfach gesagt ist, bleibt in der Praxis oft ungriffig. Hilfreich kann da ein Seitenblick auf die Wirkungen des Heiligen Geistes (in 1 Kor 12) sein. Noch grundlegender, basaler und interreligiös anwendbarer haben es die Brüder Hugo und Karl Rahner bereits den Vätern des Zweiten Vatikanischen Konzils in eine Krise hinein ans Herz gelegt: „Wenn wir dich suchen, dann ist der Geist der Ruhe, des Friedens und der Zuversicht, der Freiheit und der schlichten Klarheit Dein Geist – und aller Geist der Unruhe und der Angst, der Enge und der bleiernen Schwermut ist höchstens unser Geist oder der Geist der dunklen Tiefe." Nicht (nur) die Worte von der Sendung und der bleibenden Nähe des Gottesgeistes, die wir als Predigerinnen und Prediger wählen und mit denen wir eine Korrelation zwischen der Botschaft biblischer Texte und dem Hier und Heute der Menschen anstreben, sind demnach zentral, sondern vor allem die eigene Glaubwürdigkeit – und die unserer Kirche(n). Erleben die Menschen eine Kirche, in der Zuversicht herrscht, in der man sich mit Respekt und Friedfertigkeit begegnet, die in gesellschaftlichen Fragen - nicht nur der Moral, sondern auch - der Politik und des Weltgeschehens eine Klarheit vermittelt, die nicht als bornierte Verbohrtheit daherkommt, sondern durch die die Tiefe einer anderen, göttlichen Dimension aufscheint? Oder stehen auch wir - heute mehr denn je - in einer belastenden Unruhe, ja Enge? Während es im Leben vieler Menschen Situationen gibt, in denen sie sich nicht mehr selbst helfen können, und in denen oft erst durch dieses Selbsteingeständnis eine Wende möglich wird, sagen mir immer mehr Gläubige, dass sie eine Kirche sehen, die sich „selbst am Schopf aus dem Sumpf ziehen will" – übertragen auf die vorliegende Thematik: die den Geist selbst „machen" bzw. „menschlich steuern" will. Liegt das Problem etwa im Rollenverständnis, in der möglichen Verwechslung zwischen Gott-Sein und Repräsentanz Gottes? Um (noch) mehr den Blick auf das Nahen des Gottesgeistes lenken zu können, wäre wohl ein demütigeres Auftreten der Kirche(n) wichtig – Demut im Sinne des Wortes als „Mut zum Dienen", was das Bewusstsein stärken kann, dass die einzige (!) Legitimation ihres Tuns der Dienst an den Menschen ist. Doch: Stattdessen hat sich Schwermut - aus dieser Enge = angustiae (lat.) = Angst (a. pectoris = Engherzigkeit) heraus - breit gemacht im „Haus des Herrn". Nach dem Rat der ignatianisch gebildeten Jesuiten stünde da vor allem eines an: „Herr, siehe die Geister, die uns bedrängen, und gib uns die Gabe ihrer Unterscheidung." (ebd.)

 

Röm 5: Der Geist der Liebe

Vieles, was Paulus schreibt, wäre ohne den Bezug zum Gottesgeist nicht erklärbar. Bei aller Christozentrik seiner Theologie sind die Gaben des Geistes für Paulus wesentlich (vgl. auch hier als Verweis 1 Kor 12). In seinem „Schlachtbrief", dem vorliegenden Brief an die Römer, trifft Paulus in nur einem Satz (V. 5) zwei grundsätzliche Akzente: Es ist einzig der Gottesgeist, der zur Liebe befähigt und dadurch Gnadengaben in die Herzen der Gläubigen „ausgießt" – und dieser Geist, daran gibt es für Paulus nicht den geringsten Zweifel, „ist uns gegeben". Was für eine glaubensstarke, klare und eindeutige, erfrischend wohltuende Botschaft – und damit oft widersprüchlich zu den festen und starren Strukturen unserer Amtskirche(n). Auch um diese Spannung auszuhalten und sie für die Menschen fruchtbar werden zu lassen, gibt das Fest Trinitatis bzw. Dreifaltigkeit nachhaltige Impulse. Wo eine Anknüpfung an die Pfingsttexte möglich ist, können die Aussagen nochmals betont werden: Der Geist Gottes kam auf alle gleichermaßen herab, es gab keine Reihenfolge, keine Hierarchie, kein Oben und Unten, kein Klerus und Laientum. Der Gottesgeist kommt einzig von Gott her, er ist kein „herstellbarer" oder „erzwingbarer" Geist, er „weht, wo er will" (Joh 3) – und zugleich ist er selbst, und kein noch so wichtiger Apostel, der „Hauptakteur" in der Lukanischen Schilderung der Apostelgeschichte. Der Heilige Geist ist ein verbindender Geist, denn jeder der damals Anwesenden „hörte sie in seiner Muttersprache reden" (Apg 2), er schafft Gemeinsamkeit bei bleibender Verschiedenheit – was für ein (Gegen-)Bild!

Die Liebe ist zugleich das Band der trinitarischen Einheit der drei göttlichen „Personen". Als Praxistipp bietet sich hierzu eine - mehrfach selbst erprobte - Predigt mit Betrachtung der Dreifaltigkeitsikone des russischen Künstlers Andrej Rubljow an. Im 15. Jahrhundert wählte dieser eine personale Gottesdarstellung: Drei (androgyne) Wesen sitzen um einen Tisch herum. Bis auf diesen Tisch gibt es nichts (materiell) Verbindendes zwischen ihnen. Und dennoch wirkt die Darstellung vom Aufbau buchstäblich „rund", die Szenerie ist eine geschlossene Gestalt. Wer ist „Vater", wer „Sohn", wer „Heiliger Geist"? Erkennbar wird dies nur an zwei liebevollen Blicken auf dieselbe der drei „Personen" hin – diese Blicke wirken dabei mild, nahezu in sich gekehrt, intro-vertiert. Wer sich einer Deutung der religiösen Entwicklungsstufe bei einer anthropomorphen Darstellung erwehren kann, dem vermittelt dieses Bild eine grundlegende Einsicht in den Hintergrund des Dreifaltigkeitsverständnisses: Jesu Zusage „Empfangt den Heiligen Geist" (Joh 20) setzt einen Gott voraus, der nicht im dualen Gegenüber aufgehen wollte, sondern der sich ver-aus-gabt (hat) für seine Welt und Schöpfung. Wenn wir unser Credo beim Auferstehungsglauben Jesu beschließen würden, hätten wir zwar durch die Geschichte dieses Menschen eine leise Ahnung vom Wesen Gottes, müssten aber bis in die Ewigkeit hinein darauf warten. Stattdessen be-weg-en sich „Vater" und „Sohn" aus der Liebe zueinander in eine gemeinsame (!) dritte (!) Richtung. Diese innergöttliche Dynamis - mit ihrem unüberbietbaren Gottesbild - lässt sich leicht verständlich in zwischenmenschliche Analogien übertragen: Zwei Menschen, die auf ihre Liebe setzen und sich aus beiden Herzen heraus auf einen gemeinsamen, noch unbekannten Weg begeben, entwickeln irgendwann einen Blick, eine Vision für eine dritte Dimension – in der Regel ist dies der Kinderwunsch. Den anderen dafür „aus den Augen zu lassen", bedeutet nicht den Verlust an Liebe, sondern gerade das Weitertragen und Weitergeben. Ein derart menschlicher Vergleich kann - bei aller bleibenden Ungleichheit - die Relevanz des Glaubens an einen Mensch gewordenen und in „Personen" gedachten Gott auch heute noch erschließen helfen. Die Analogie zum (katholisch) dreifach ausgeprägten (Dienst!-)Amt gäbe ebenso einen lohnenswerten und wegweisenden Predigtentwurf – wenn er auch wiederum die Spannung zwischen (hierarchisch gestufter) Realität und der Vorgabe eines drei-einen Gottes (nicht mathematisch, sondern als „eins-Sein" in ihrer Liebe und Zuwendung gedacht) aushalten müsste.

Dr. Thomas Hanstein

Quellen

Körner, R.: Jesus bleibt Kleinbauer, Münsterschwarzach 2010.
Lettmann, R.: An heiligem Feuer, Kevelaer 2006.
Rahner, H. u. K.: Gebete der Einkehr, Salzburg 1958, bes. 42-46.