Paris goes Glasgow

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"Paris goes Glasgow" - mit Klima-Bändern von Leipzig nach Berlin

Der Eiffelturm ist wieder unterwegs: Die Weltklimakonferenz in Glasgow (COP 26) beginnt am 31. Oktober 2021 und dauert zwei Wochen. Der Eiffelturm erinnert an das Klimaabkommen von Paris aus dem Jahr 2015. Aufgestellt wurde er von »Parents for Future Leipzig« neben dem Haupteingang der Nikolai-Kirche in Leipzig, die wie nur wenige andere Kirchen in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Symbol des Aufbruchs geworden ist. Die Friedensgebete und die Montagsdemonstrationen, die zu einer friedlichen, tiefgreifenden Veränderung von Strukturen führten, sind für viele unvergessen. PastedGraphic-4Pfarrer Stief unterstützt die Aktion und damit die Klimabotschaft, die die Regierenden und die Weltöffentlichkeit erreichen sollen. Nach seiner Überzeugung ist der christliche Glaube eine hilfreiche und stärkende Grundlage für die notwendige Achtsamkeit, um dem Klimawandel kraftvoll entgegenzutreten.

Übrigens: Am Samstag, 9. Oktober 2021 wird die Feier zum Tag der Friedlichen Revolution um 17 Uhr mit einem Friedensgebet in der Nikolaikirche begonnen. Klimagebete sind in gewisser Weise auch Friedensgebete.

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PfrStief 400Fragen an Pfarrer Bernhard Stief, Nikolaikirche Leipzig: (Foto: A. Schumann)

1. Könnte der christliche Glaube in besonderem Maße für den Klimaschutz mobilisieren und warum?

Ich vermute, hinter der Frage steckt die Überlegung, ob Menschen mit christlicher Überzeugung stärker und umfassender für den Klimaschutz eintreten können als andere. Ich möchte das mit einem „Nein" beantworten. Sie können es bestimmt nicht besser, aber jedem Menschen, der den christlichen Glauben teilt, dürfte der Klimawandel nicht egal sein. Das heißt erstens, ein Christ kann den Klimawandel nicht leugnen, denn er lebt nicht nur von der Möglichkeit, die Erde „bebauen" zu dürfen, sondern auch von dem Auftrag, sie „bewahren" zu müssen. So jedenfalls steht es in der Bibel (Genesis 2). Zweitens sehen Christen in der Erde und dem ganzen Universum Gottes Schöpfung, wie auch immer man diesen Vorgang beschreiben mag. Christen glauben, dass hinter allem Werden und Entstehen der Erde kein Zufall steckt. Dieses Bewusstsein befördert Dankbarkeit und fordert zu Verantwortung. Das sollte Drittens zu einem neuen Lebenswandel führen, der allem Leben Respekt entgegenbringt und die Lebensgrundlagen zu erhalten sucht. Im Wort Mobilisieren steckt meines Erachtens eine Aktivität, die nicht jedem Menschen gleichermaßen gegeben ist. Ein achtsames und verantwortliches Handeln aber sollte aus einer christlichen Überzeugung jeder und jedem möglich sein. Und das ist auch ansteckend.

 

2. Sind Kirchen ein Teil der existentiellen Bedrohung, solange sie sich nicht öffentlich und auch politisch überzeugend für den Klimaschutz einsetzen?

Diese Frage suggeriert ja, dass allein schon das bloße Vorhandensein von Kirche – und damit meine ich jetzt nicht die Gebäude, sondern die Menschen, die sich als Teil der Kirche verstehen – eine Bedrohung für unsere Existenz, also für das Leben, wären. Das aber sind sie nicht mehr und nicht weniger als andere auch. Alle Menschen leben von der Erde und ihren Ressourcen. Dabei wird die ansteigende Weltbevölkerung zu einem Problem, aber auch der unbändige Hunger nach Energie, der sich rund um den Globus ausbreitet. Eine gute Übung ist es, den eigenen ökologischen Fußabdruck zu prüfen, den wir auf dieser Erde hinterlassen. Damit stellen wir fest, inwieweit jeder von uns zur existentiellen Bedrohung wird. Bevor wir in unserem Land klimaneutral leben, ist es noch ein weiter Weg. Daher ist es richtig, dass von überall her, und ganz besonders auch von den Kirchen, der Klimaschutz befördert werden muss. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat übrigens 2009 eine Denkschrift unter dem Titel „Umkehr zum Leben. Nachhaltige Entwicklung im Zeichen des Klimawandels" veröffentlicht. Darin schreibt sie unter anderem: „Als Kirche wollen wir den Klimaschutz als Querschnittsaufgabe verstehen. Auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene müssen wir dafür Sorge tragen, dass das Klima konsequent geschützt wird. Dieses bedeutet vor allem eine Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen." (S. 148) Damit bekennt sich die Evangelische Kirche zu ihrer Verantwortung in der Gesellschaft.

 

3. Welches ist die Botschaft der Kirchen an die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, bzw. was sollte ihre Botschaft sein?

Im Blick auf das Klima ist es der Wunsch, Stachel im Fleisch zu bleiben. Die neuerliche Klimadebatten sind besonders durch Kinder und Jugendliche angestoßen worden, allen voran durch die basisdemokratische Bewegung „Friday for Future", von denen es heute bis zu den „Omas for Future" jede Menge Ableger gibt. Es ist das Vorrecht der jungen Menschen, sich um die Zukunft ihrer Erde Sorgen zu machen und die Maßlosigkeit derer anzuklagen, die das verspielen, von dem sie und nachkommende Generationen leben sollen. Der Vorwurf, auf Kosten der jungen Menschen zu leben, muss so lange und so laut im Raume stehen, bis Besserung in Sicht ist, und das wird wohl noch lange dauern. Als Pfarrer an der Nikolaikirche Leipzig möchte ich daran erinnern, dass es in den 80-ger Jahren des letzten Jahrhunderts gerade auch die jungen Menschen waren, die die unbequemen Fragen gestellt haben, die zu Friedensgebeten eingeladen haben, die auf Umweltprobleme in Leipzig aufmerksam machten und die Friedliche Revolution im Wesentlichen vorantrieben. Deren Ideen und deren Aktionen waren nicht immer bequem, aber sie haben etwas bewegt, das Geschichte geschrieben hat. Selbst Jesus hat einmal den Erwachsenen ein Kind zum Vorbild gemacht. „Wenn ihr nicht werdet wie dieses Kind", sagte er, „so seid ihr nicht geschickt für das Himmelreich" (Matthäusevangelium 18, 3). Neben dem kindlichen Urvertrauen höre ich da den Hinweis auf die Unerschrockenheit und das unkonventionelle Handeln der nachkommenden Generation heraus. Der Protest der Kinder und Jugend, besonders der nach Klimagerechtigkeit, sollte uns Erwachsenen zum Nachdenken geben und im Gewissen liegen.

 

4. Ist halbherziger Klimaschutz eine Sünde?

Na ja, was ist eigentlich Sünde? Als Christ beschreibe ich Sünde als Trennung von Gott, als Abkehr von seinem Liebesgebot. Dieses fordert, Gott zu lieben und meinen Mitmenschen wie mich selbst. Bei genauem Hinschauen fällt mir viel ein, wo ich diesem nicht genüge. Davon ist auch der Klimaschutz berührt. Wer die Erde und das Universum als Schöpfung versteht, als von Gott gewollt und hervorgerufen, sieht sich auch in Verantwortung vor ihm. Die menschenverursachten Klimaprobleme halten uns vor Augen, dass wir dieser Verantwortung nicht gerecht werden. Wir tragen eine Mitschuld und sündigen an den Mitmenschen und der Natur. Sich dessen bewusst zu werden und sich das einzugestehen, ist der Beginn eines Sinneswandels. Das Eintreten für Klimaschutz wäre eine Folge. Halbherzig bleibt dieser, wenn uns die Notwendigkeit nicht wirklich einleuchtet. Darum bin Ich überzeugt davon, dass ein ernsthaftes Schuldbewusstsein, eine tiefe Betroffenheit, als Christ könnte ich auch von einer Sündenerkenntnis sprechen, den Menschen deutlicher zu einem Neuanfang und einem engagierten Klimaschutz treibt. Ich gebe zu, dass das unbequem ist und darum in der Öffentlichkeit nur selten geschieht. Es ist aber an der Zeit, dass wir uns zu unserer mangelnden Verantwortung gegenüber der Natur und den Mitmenschen bekennen.