Miserikordias Domini / 3. Sonntag der Osterzeit (01.05.22)

Miserikordias Domini / 3. Sonntag der Osterzeit

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Joh 21,15-19 Apg 5, 27b-32.40b-41 Offb 5, 11-14 Joh 21, 1-19
oder: Joh 21, 1-14

 

Joh 21,1-19

In einer Zeit, in der wir unseren Fisch aus dem Supermarkt beziehen, hochtechnisierte Trawler riesige Mengen an Fisch aus dem Meer abfischen, ist uns die Situation des Fischfangs aus dem Johannesevangelium vielleicht noch als romantische Urlaubskulisse aus einer portugiesischen Lagune vertraut, aber kaum noch als Wirtschaftsform geläufig. Vielleicht wäre uns eine andere Kulisse näher: Ein Angler ist seit den frühen Morgenstunden auf den Beinen und angelt nach einem Hecht. Er kennt das Gewässer gut. Doch obgleich er bis in den Abend hinein an allen Stellen, an denen der Hecht typischerweise steht, geangelt hat, ist ihm kein Fisch an den Haken gegangen. Da kommt ein Auswärtiger mit seiner Angel daher, wirft sie an einer ungünstigen Stelle aus, wo noch nie jemand einen Hecht gefangen hat, und zieht sogleich ein prächtiges Exemplar an Land. Ein Selfie dokumentiert den Erfolg, das per WhatsApp verschickt wird.

Ein Wunder – oder doch nur (Anfänger-)Glück? Wir kämen jedenfalls wohl kaum auf die Idee, alles stehen und liegen zu lassen und dem Zufallsangler nachzufolgen. Warum aber sprechen dann die Jünger Jesus als Herrn an? Natürlich, weil sie ihn in seinen Handlungen als den wiedererkennen, der doch eigentlich tot sein müsste: Die Szene wiederholt den Fischfang am See Gennesaret (Lk 5,1-11) sowie die Speisung der Vier- bzw. Fünftausend (z.B. Mk 6,35-44; 8,1-9) und das Letzte Abendmahl. Das ist es primär, worauf die Perikope anspielt. Die Situation unterscheidet sich aber noch in einem anderen wesentlichen Punkt von unserer Angler-Geschichte: Jesus fischt nicht selbst und für den eigenen Erfolg. Er sorgt sich um die Menschen, die sonst mit leeren Netzen (und leerem Magen) nach Hause gehen müssten. Er teilt das Brot und den Fisch mit ihnen, so dass sie es in Fülle haben. Er hat – und auch dies ist typisch jesuanisch – nicht nur warme Worte für die Jünger, sondern auch warmes Essen. Ein großes Lernfeld für uns …?

Die Jünger ihrerseits freuen sich über den Erfolg dieses vollen Netzes und setzen sich mit Christus ans Feuer, um zu essen. Das Christentum ist eine Religion, die sich am Tisch versammelt – sei es im Mahl während des Gottesdienstes oder anschließend in der Gemeinde. Nehmen wir die Lebensmittel, sowohl die tierischen Ursprungs als auch die pflanzlichen, dabei wertschätzend wahr als das, was sie sind: eine Gabe, ein Geschenk, ein Wunder? Besonders wenn es um Fischerei geht, einem Bereich, der durch Beifang, Überfischung und Netzrückstände im Meer große Schäden anrichtet, können wir uns ein Vorbild an den Menschen der früheren Zeiten nehmen und uns über diese kleine, für die Jünger so große, Menge an Fischen freuen und diese bewusst genießen, statt sie als selbstverständlich hinzunehmen.

Apg 5,27-32.40-42

In der Lesung aus der Apostelgeschichte erfahren die Jünger großes Leid. Ihnen wird verboten, die Botschaft Jesu Christi weiterzutragen und sie werden mit Gewalt dafür bestraft. Die Jünger lassen sich davon jedoch nicht abschrecken, sondern verkünden weiterhin das Evangelium. Körperliches Leid, Gefangennahme und Todesstrafen aufgrund der Verkündigung der frohen Botschaft zu erfahren, ist heute in Deutschland kaum vorstellbar, aber belächelt, verspottet und angefeindet zu werden, ist eine Erfahrung, die auch wir machen, wenn wir unseren Glauben verkünden und uns aus dieser Überzeugung heraus für Gerechtigkeit für Mensch und Natur einsetzen.

Immer wieder beeindruckt es mich, wie die Apostel ihr Leben ganz der Botschaft Jesu hingegeben haben. Auch sie hatten Angst und Zweifel, doch sie haben ihren Glauben gelebt. Im ersten Moment mag es scheinen, dass die Botschaft damals deutlicher gewesen sei als heute, da wir die Quellen unseres Glaubens in Bezug auf unsere Welt heute erst noch setzen müssen. Doch auch die Apostel standen zunächst vor einer großen Herausforderung, als sie nach dem Tod Jesu mit der Verkündigung begannen. In Vers 32 steht: „Zeugen dieser Ereignisse sind wir und der Heilige Geist, den Gott allen verliehen hat, die ihm gehorchen.“ Auch heute können wir Zeugen des gelebten Evangeliums sein und auch wir tragen den Heiligen Geist in uns. Wenn wir auf Gottes Wort hören, unsere Sinne für seinen Geist öffnen, können auch wir herausfinden, wie wir handeln können, um das Evangelium zu leben und am Reich Gottes aktiv mitzuwirken.

Offb 5,1-14

In dem Auszug aus der Offenbarung des Johannes wird eine Szene vor dem Thron Gottes beschrieben. Ehe das Lamm das versiegelte Buch öffnet, welches die Apokalypse auslösen wird, werden dem, „der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm“ (V. 13) Lobpreis und Verehrung dargebracht. Hierbei können die vier Lebewesen die vier Jahreszeiten repräsentieren und für die Ausbreitung des Lobpreises in alle vier Himmelsrichtungen stehen, also die universale Dimension des Geschehens verdeutlichen. Zu diesem Bild gehört auch, dass nicht nur der Löwe erwähnt und das Lamm beschrieben wird als Bild für Christus. Vielmehr stimmen „alle Geschöpfe im Himmel und auf der Erde, unter der Erde und auf dem Meer, alles, was darin ist“ (V. 13) in den Lobpreis ein. Nicht nur die Menschheit, repräsentiert durch die vierundzwanzig Ältesten, sondern alles Leben preist Gott und ist zur Anbetung Gottes berufen. Wie oft verlieren wir aus dem Blick, dass wir, wenn wir im Gottesdienst in die Liturgie vor dem Thron Gottes einstimmen, dies gemeinsam mit allen Lebewesen tun, die außerhalb des Kirchengebäudes auf ihre je eigene Weise Gott preisen. Zahlreichen heiligen Männern und Frauen war dies übrigens bewusst, wenn sie die Tiere zum Lob Gottes anhielten (z.B. hl. Franziskus) oder sie mit in den Gottesdienst nahmen (z.B. sel. Ida von Löwen).

Lena Dierker, Paderborn