9. Sonntag nach Trinitatis / 20. Sonntag im Jahreskreis (14.08.22)

9. Sonntag nach Trinitatis / 20. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Mt 25,14-30 Jer 38, 4-6.8-10 Hebr 12, 1-4 Lk 12, 49-53

 

Mt. 25,14‐30

Das Gleichnis von den anvertrauten Talenten scheint zunächst den kritisch anzufragenden ökonomischen Grundsätzen beständigen Wachstums zu entsprechen; es bedient sich zumindest in der Metaphorik dieser Bezugswelt. Ob es der monetären Bildsprache (die zudem Gott mit einem kantigen Großbesitzer identifiziert zwangsläufig bedurfte, muss dahingestellt bleiben – geht es hier doch weniger um die Frage nach Besitz oder Leistung als mehr um den Umgang mit dem Anvertrauten – sie dient zumindest aber dazu, Bedeutsamkeit zu unterstreichen.

Dabei gilt der Blick insbesondere der Zeit der Abwesenheit dessen, der die Talente verteilt hatte. Zunächst ist interessant, dass sich die Höhe der anvertrauten Geldsumme nach den Fähigkeiten der Knechte richtet. Das kann man als ungleiche Bewertung deuten, es heißt aber auch: Alle haben entsprechend ihrer Möglichkeiten die gleichen Voraussetzungen.

Entscheidend ist nun der Umgang mit dem Anvertrauten. Die Handlungsweise des dritten Knechtes ist nicht per se schlecht (in der Erde vergrabenes Geld gilt als gesichert, unvorsichtig ist es, es in ein Tuch einzubinden, vgl. Lk 19,20), aber das Motiv seiner Handlung ist Angst. Sie im Blick auf das Anvertraute handlungsleitend zu machen, wird im Gleichnis kritisiert.

Predigtidee: Im Sinn matthäischer Theologie entsprechen die Talente der anvertrauten Lehre und ihrer Weitergabe. Im Blick auf Aspekte der Nachhaltigkeit erscheint es als interessante Parallele, die anvertrauten Talente etwa mit dem Wissen um soziale oder Klimagerechtigkeit zu identifizieren. Wenn Angst das leitende Movens ist, mit diesem Wissen umzugehen, wenn also vergrabendes Schweigen statt offensiver Veröffentlichung und engagiertem Einsatz die Form des Umgangs beschreibt, wird der Mensch der eigenen Verantwortung nicht gerecht.

Jer. 38,4‐6.8‐10

Jeremias Prophetie wird als Gift für die Truppenmoral empfunden: Während der Belagerung Jerusalems durch Nebukadnezzar II ab 588 v. Chr. tritt Jeremia als einer auf, der die Menschen ermuntert, die Stadt zu verlassen und sich den Babyloniern zu ergeben, um das eigene Überleben zu sichern. Für diesen Verrat soll Jeremia sterben, er wird in eine Zisterne geworfen, deren schlammiger Boden den Zustand der Stadt beschreibt. Nur das beherzte Eintreten des Eunuchen Ebed‐Melech, sichtbarer Vertreter einer anderen Nationalität und Kultur als der des Jerusalemer Kontexts (als Kuschiter stammte Ebed‐Melech aus dem Land Kusch, einem Gebiet, das vom südlichen Ägypten bis in den heutigen Sudan reicht), rettet ihn vor dem sicheren Tod.

Predigtidee: Umgang mit politischem Wissen, das zwar ein Regierungshandeln beschreibt, aber der gültigen Auffassung widerspricht, ist nicht ungefährlich. Aber es schadet unter Umständen Solidaritätshandeln von unerwarteter Stelle.

Hebr. 12,1‐4

Auf der Bildebene vermischen sich Wettkampfmetaphorik mit apologetischer Schärfe, das etwa im Wort „Kampf “ zusammentrifft, es geht also „um das glaubende Festbleiben in dem schon empfangenen Heil, inmitten schwerer Erprobungen“[1]. Im Bild des Laufens gilt das Ablegen der Lasten, v.a. der Sünde, die sich wie ein Kleidungsstück um die Beine des Laufenden stellt und das Vorankommen hindert, als zentral.

Wesentlich ist das Unterwegssein mit möglich wenig hinderlichem Gepäck, begleitet von der Wolke der Zeugen, mit ausgerichtetem Blick auf Jesus Christus, den Vorangegangenen.

Predigtidee: Minimalistische Lebensformen orientieren sich am elementar Notwendigen. Sie eröffnen damit Räume einer klaren und befreiten Ausrichtung, die das Notwendige transparent macht und herausstellt. Was würde das für die Strukturen kirchlichen Handelns und persönlicher Frömmigkeit bedeuten? Würde es einfacher, auf Jesus ausgerichtet zu bleiben, wenn behindernde und trennende Überzeugungen zurückgelassen würden? Wo ist die Wolke der Glaubenden Rückenwind, wo Sichtbehinderung?

Lk. 12,49‐53

Gerichtsvolle Worte: Feuer, Streit, Spaltung. Aufrüttelnd, radikal. Auch das gehört zu einem umfassenden Jesusbild. Die Heilsbotschaft ist wirkungsvoll. Das Feuer hat im Verständnis des         Textes auch einen befeuernden, reinigenden Zweck, etwa im Kontext des Gerichts (vgl. 1 Petr 1,6f u.ö.), auch das Bild der Geistkraft Gottes ist mit dem Feuer verbunden (Apg 2) und Gott wählt für seine Erscheinung selbst das Feuer, das brennt, aber nicht verzehrt (Ex 3). Das zerstörerische Potential befremdet dennoch. Auch hinsichtlich der Bedeutung, die etwa Feuer als sichtbare Folgen der Klimaerwärmung zu permanenten Begleiterscheinungen gemacht haben.

Predigtidee: Hinsichtlich ökologischer Agitation stellt sich die Frage nach der Bedeutung und dem Recht von Radikalität, also eines an die Wurzeln reichenden Handels, explizit. Für Bewegungen wie Extinction Rebellion ist diese Frage zentral. Wieviel Radikalität, welche Streitkultur braucht ein individuelles, kirchliches, gesellschaftliches Hoffnungs‐ und Zukunftshandeln?

Dr. Teresa Tenbergen, Weimar



[1] Harald Hegemann, Der Brief an die Hebräer, ThHKNT 16, Berlin 1988, 244.