10. Sonntag nach Trinitatis / 21. Sonntag im Jahreskreis (21.08.22)

10. Sonntag nach Trinitatis / 21. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Mt 5,17-20 Jes 66, 18-21 Hebr 12, 5-7.11-13 Lk 13, 22-30

 

Mt 5,17-20

Kurze Exegese

Gesetz und Propheten machen Gottes Willen kund. Die Absicht Jesu ist es, diesen Willen unverfälscht und eindeutig unter den Menschen zu verkünden. Dabei fällt der Blick nicht nur auf das Tun als solches. Die innere Gesinnung muss dabei stimmen. Diese gründet in der Absicht der Liebe, die Jesus den Menschen nicht nur ans Herz legt, sondern als die oberste Maxime allen Tuns ausmacht. Gerechtigkeit, wie Jesus sie meint, entspringt der Liebe, einer unverfälschten und wahren Liebe, die das Wohl des anderen Menschen im Blick hat.

Impuls zu Nachhaltigkeit

Geht es in unserer Welt gerecht zu? Nein! Viele leben auf Kosten der anderen. Sie errichten ihre eigenen Lebensentwürfe auf dem Rücken derer, die kaum die Möglichkeiten besitzen, etwas Gutes und Sinnvolles aus ihrem Leben zu machen. Menschen werden unterdrückt und ausgebeutet. Wir erleben dies sehr subtil in unserem eigenen Land, denken wir nur an die Unterbezahlung so vieler sozialer Berufe. Offensichtlich wurde dies durch die Pandemie. Offensichtlich wird es in den Ländern der dritten und der vierten Welt. Hungerlöhne bescheren wohlhabenden Ländern billige Kleidung oder andere Dinge, deren Produktion in ferne Länder abgeschoben wird, der billigeren Herstellung wegen. Ist das gerecht? - Wo die Gerechtigkeit aus dem Blick gerät und das Handeln nicht weiterhin bestimmt, wird der Mensch unterdrückt und missbraucht. Das Wohl und die Würde des anderen bleiben dabei auf der Strecke. „Gerechtigkeit gibt jedem das Seine, maßt sich nichts Fremdes an, setzt den eigenen Vorteil zurück, wo es gilt, das Wohl des Ganzen zu wahren.“ (Ambrosius, Kirchenvater)

Jes 66, 18-21

Kurze Exegese

Jesaja ruft zur Heimkehr auf. Die Bilder, die er gebraucht verheißen Großes. Jerusalem wird wieder die Mitte Israels sein und so zu einem Bild für die Herrlichkeit Gottes werden. Das setzt jedoch voraus, dass sich alle, die zu Israel gehören, aus den Völkern sammeln und nach Jerusalem kommen. Es wird deutlich, dass der Bund Gottes mit Israel auch angesichts der Katastrophe des Exils bestehen bleibt. Auffällig bleibt im Vergleich zu anderen Texten aus dem Buch Jesaja, dass sich nicht mehr viele Nationen von selbst auf den Weg nach Zion machen. Sie werden vielmehr zu Zion hingeführt durch jene, die bereits die Herrlichkeit Gottes geschaut haben. Die Frage, die der Text aufwirft ist die: „Siehst du die Herrlichkeit Gottes?“ Die Aufforderung, die sich in diesem Text verbirgt ist die: „Geh und künde davon.“

Impuls zur Nachhaltigkeit

Die Strophe eines Liedes aus dem katholischen Gotteslob fällt mir spontan zu diesem Text ein: „Schaue die Zertrennung an, der sonst niemand wehren kann, sammle großer Menschenhirt, alles, was sich hat verirrt.“ (GL481,3) Es scheint mir augenfällig zu sein, dass der Individualismus und der Nationalismus unter den Menschen zunimmt. Er stellt nicht nur ein Phänomen in unseren europäischen Ländern dar. Die Welt ist in sich zerrissen und gespalten. Weltanschauungen, Religionen, Interessen, Eigennutz und Egoismen trennen Menschen voneinander und schaffen ein Klima der Zerstreuung, der Auflehnung, des Hasses, der Gewalt. Diesem Zustand sind bereits unzählige Menschen zum Opfer gefallen. Er reißt vor allem doch Unschuldige in die Tiefe und setzt sie einem sinnlosen Sterben und Tod aus. Gottes Absicht ist eine andere: die Sammlung all dessen, was sich auf diesem Weg, in dieser Welt, auf diese Weise verloren hat. In einer anderen Strophe des zuvor genannten Liedes heißt es schließlich: „Lass uns deine Herrlichkeit sehen auch in dieser Zeit und mit unserer kleinen Kraft, suchen, was den Frieden schafft.“ (GL 481, 6) Zum einen sind wir die, die Gott um sich sammeln möchte, zum anderen sind wir die, die immer wieder ausgesandt werden, um Menschen Wege zueinander und zu Gott zu bahnen.

Hebr 12, 5-7.11-13

Kurze Exegese

Ambivalent mutet dieser Ausschnitt an. Einerseits will der Autor der Gemeinde einschärfen, woraus sie in künftigen Bewährungsproben Halt erhält. Andererseits plädiert er fest dafür in der Erziehung Gottes auszuhalten und redet von Zucht, die all jenen zuteil wird, die Gott liebt, denen er zugetan ist und die er angenommen hat. Christen bleibt die harte Schule der göttlichen Erziehung nicht erspart. Das Ziel aller erzieherischen Arbeit liegt in der Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes. Die göttliche Erziehung zielt darauf, dass der Mensch ganz Gott gehört und eben auf diese Weise zu sich selber kommt. Erziehung bedeutet immer eine schmerzhafte Erfahrung. Wichtiger aber ist es auf den Ertrag zu sehen, nämlich auf die Gerechtigkeit und den Frieden. (vgl. August Strobel: der Brief an die Hebräer) Die Worte von der Züchtigung stammen ursprünglich aus dem Alten Testament. Sie sind zu lesen in dem Buch der Sprüche, das eine Zusammenstellung aus Lebensweisheiten beinhaltet, die zwischen 500 und 200 vor Christus entstanden sind. Menschen vergleichen Gott mit einem Vater, der Sohn steht für die Menschen. Was tut ein Vater? Er erzieht. Damit der Sohn fürs Leben taugt. Und da fängt die Schwierigkeit für uns heute an.

Impuls zu Nachhaltigkeit

Ein Text, mit dem sich wahrlich viele schwer tun werden. Gott und Züchtung - geht das überhaupt zusammen? Der Text wirkt auf mich abstoßend. Er weckt Assoziationen in mir. Schreckliches, Entsetzliches, Ekelhaftes ruft er bei mir wach. Die vielen Nachrichten über den Missbrauch in unserer Kirche, aber nicht nur da, erscheinen vor meinem inneren Auge. Gewalt ist immer noch ein Tabuthema in unserer Gesellschaft. Darüber redet man nicht offen. Scham ist für das Schweigen sehr oft ausschlaggebend. Doch der Missbrauch an Menschen lässt sich nicht vertuschen oder gar wegreden. Er hinterlässt Spuren, nicht nur äußerliche. Immer mehr wird er ins Wort gebracht. Endlich. Eltern üben Gewalt an ihren Kinder aus. Männer an ihren Frauen. Missbrauch gibt es auch an Männern. Wer immer Menschen missbraucht, kann und darf sich nicht auf Gott berufen. Gott hasst die Gewalt. Er verabscheut sie. Wer etwas anders behauptet, der redet nicht von dem Gott, an den Christen glauben. Dieser Gott wurde vielmehr selbst Opfer von Missbrauch und Gewalt. In Jesus hat er selbst solche Momente kennengelernt. In Jesus will er diesen Erfahrungen ein Ende bereiten. Wo immer Gewalt und Missbrauch das Leben eines Menschen unansehnlich machen, und ins Abscheuliche pervertieren, sind wir gefordert, Einspruch zu erheben im Namen unseres Gottes, der die Liebe ist.

Lk 13, 22-30

Kurze Exegese

Der Text warnt vor Selbstsicherheit. So wenig die Berufung auf Abraham hilft, so wenig das Bekenntnis zum Herrn, selbst bei denen, die noch die reale Tischgemeinschaft mit ihm erlebt haben. Wer meint schon alles zu besitzen und keiner Hilfe mehr zu bedürfen, den wird ein böses Erwachen treffen. Der wird am Ende gar zu den Letzten gezählt werden müssen, denen die Tür verschlossen bleibt. Die Härte der Worte Jesu erklärt sich aus der Dringlichkeit, immer mehr zu tun, als nur bloße Lippenbekenntnisse abzugeben, in seinem Handeln aber weit hinter dem zurückzubleiben, was nur der Mund sagt.

Impuls zur Nachhaltigkeit

Die Grenzen des Reiches Gottes fallen nicht einfach zusammen mit den Grenzen zwischen den Konfessionen oder zwischen "praktizierenden' und "nichtpraktizierenden" Katholiken. Nicht als ob es nicht Gottes Wille wäre, dass man Katholik sei und "praktizierender" noch dazu. Aber das Buch des Lebens deckt sich nicht einfach mit der Konfessionsstatistik. Das müssen wir uns immer wieder sagen, so selbstverständlich es ist.
Nicht jeder, der sagt: "Herr, Herr" geht in das Himmelreich ein. Der wahrhaft genügend "praktizierende Katholik" muss nicht nur in der Kirche praktizieren, sondern auch im Leben. Denn hinter der "reinen Weste" kann eine Gesinnung stecken, die weder Gott noch wahre Liebe kennt. Kirchlichkeit ist noch kein wahres Christentum. Wir sollten Ausschau halten nach den "christlichen Heiden", das heißt nach Menschen, die Gott -nahe sind, ohne dass sie es wissen, denen aber das Licht verdeckt ist durch den Schatten, den wir werfen. Vom Aufgang und Niedergang ziehen Menschen ins Gottesreich auf Straßen, die in keiner amtlichen Karte verzeichnet sind.
Die heidnischen Christen und die christlichen Heiden. In: Karl Rahner: Glaube, der die Erde liebt. Freiburg: Herder, 1966

Impuls zur Nachhaltigkeit

Die Angst, verloren zu gehen und am Ende nicht bei denen zu sein, die gerettet werden, ist groß. Aus dieser Angst resultiert die unsichere Nachfrage, ob denn nur wenige gerettet werden. Dabei nimmt der Fragende das Ende seines Lebens in den Blick. Doch Rettung geschieht nicht erst am Ende dieses Lebens, dann, wenn nichts mehr zu retten ist und nur noch Gott retten und erlösen kann. Die Aussicht auf Rettung am Ende unseres Lebens ist die Einladung an uns, selbst rettend in dieser Welt unter den Menschen tätig zu sein. Rettung bezieht sich dann jedoch nicht nur auf den Menschen allein. Rettung schließt alles mit ein, was Leben in sich trägt. Der Blick geht also über den Menschen hinaus. Er trifft auch die Schöpfung insgesamt und unser Umgang mit ihr. Wo bin ich selbst rettend in meinem Leben unterwegs? Was trage ich zur Rettung des Lebens in dieser Welt bei? - „Die Rettung der Menschheit besteht gerade darin, dass alle alles angeht.“ (Alexander Issajewitsch Solschenizyn, russischer Schriftsteller) Wie ernst es Gott mit diesem Auftrag an uns, nämlich zur Rettung des Lebens in dieser Welt unseren je ganz eigenen und persönlichen Beitrag zu leisten, ist, wird deutlich in den sehr drastischen Bildern, die das Evangelium für uns bereithält.

Thomas Diener, Bad Dürkheim