10. Sonntag nach Trinitatis / 18. Sonntag im Jahreskreis (4.8.13)

10. Sonntag nach Trinitatis / 18. Sonntag im Jahreskreis

 

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Joh 4, 19-26 Koh 1, 2; 2, 21-23 Kol 3, 1-5.9-11 Lk 12, 13-21

 

Bei den Texten dieses Sonntags aus dem Buch Kohelet, dem Brief an die Kolosser und dem Lukasevangelium geht es um ein gemeinsames Thema. Dem VerhĂ€ltnis des Menschen zum Besitz, dem Streben nach materiellem Reichtum. Die Texte haben einen gemeinsamen Fokus. Der materielle Besitz ist „Windhauch" (Kohelet), das rĂŒcksichtslose Streben nach Reichtum, die Habsucht, ist „Götzendienst" und steht im klarem Gegensatz zur Haltung und zur Ethik des „neuen Menschen", der „nach dem Bild seines Schöpfers erneuert wird" (Kolosserbrief). Im Lukasevangelium postuliert Jesus mithilfe einer Beispielgeschichte, dem Gleichnis vom reichen Bauern, einen diametralen Gegensatz zwischen dem Streben nach irdischem Besitz und dem Reichtum vor Gott.

Im Vordergrund dieser drei Texte steht jedoch nicht – wie man nun meinen könnte – die Moral. Es geht primĂ€r um eine neue Lebens- und Geisteshaltung, eine gewandelte und gelĂ€uterte innere Einstellung zu den Werten des Lebens.
Die gewandelte Haltung des "neuen Menschen in Christus" drĂŒckt sich in einer neuen Ethik aus. Die ethischen Konsequenzen werden in den Texten nicht im Detail entfaltet, denn sie sind abhĂ€ngig von verĂ€nderlichen Zeit- und LebensumstĂ€nden. Über die neue Ethik des „neuen Menschen", vor allem in ihrer individuellen und politischen Konkretion, können Christen unterschiedlicher, manchmal gar entgegen gesetzter Meinung sein. Einen Konsens muss im Diskurs in jeder Zeit neu "errungen" werden.

Wer in den biblischen Texten eine unmittelbare Antwort auf die ökologischen und sozialen Krisen unserer Zeit sucht, wird hĂ€ufig enttĂ€uscht. Es wĂŒrde jedoch in eine Falle tappen, wer angesichts der strittigen Fragen unserer Zeit ins Gegenteil verfĂ€llt und sich der ethischen Beliebigkeit hingibt – etwa getreu dem Motto: "Wir sowieso können nicht wissen, was Jesus zur ökologischen Krise unserer Zeit gesagt hĂ€tte."

 

Kohlet 1,2;2, 21-23

Der Autor dieser Verse spricht eine Erfahrung aus, die Menschen immer schon gemacht haben. Materieller Reichtum ist wie ein „Windhauch", in Krisensituationen hilft Reichtum nur vordergrĂŒndig weiter. Gesundheit und ein gelingendes Leben lassen sich nicht erkaufen. Wohlstand macht nur auf sehr vordergrĂŒndige Art und Weise glĂŒcklich. Dagegen ist der Preis hoch, den der Reiche zahlt. Seine Tage sind angefĂŒllt mit „Sorge und Ärger", selbst in der Nacht kommt sein Geist nicht zur Ruhe aus Sorge um das liebe Geld.

Was fĂŒr den einzelnen gilt, gilt auch der Gesellschaft. Der Erhalt und die Mehrung des Reichtums absorbieren viel Energie. Wer sich in erster Linie um das Wirtschaftswachstum und die Profitmaximierung sorgt, hat keinen Blick und keine Energie fĂŒr die wirklich wesentlichen Fragen, die Bewahrung der Schöpfung, die soziale Gerechtigkeit und das Schaffen eines gerechten Friedens. Unsere Ökonomie ordnet oft genug das Leben, das menschliche wie auch das nichtmenschliche, der Mehrung des Reichtums unter.

Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung versucht dagegen, eine Alternative zur Vorherrschaft der Ökonomie aufzuzeigen. Die Erfordernisse der Bewahrung der Schöpfung und der sozialen Gerechtigkeit markieren die Rahmenbedingungen der Ökonomie.

 

Kolosserbrief 3,1-5.9-11

Der Kolosserbrief ist nicht von Paulus selbst verfasst. Der Autor, vermutlich ein PaulusschĂŒler, ermahnt die Gemeinde mit paulinischem Glaubens- und Gedankengut. Der heutige Text folgt dem eingangs beschriebenen Argumentationsmuster. Aus der erneuerten Haltung der Christen folgert eine erneuerte Ethik.

Der Autor erinnert seine Leser zu Beginn seiner AusfĂŒhrungen: „Ihr seid mit Christus auferweckt, darum strebt nach dem, was im Himmel ist, wo Christus zur rechten Gottes sitzt." Die neue Haltung, die der Verfasser bei seinen Lesern wecken möchte, bringt er mit folgendem Appell zum Ausdruck: „Richtet Euren Sinn auf das Himmlische, nicht auf das Irdische!" Er intendiert eine Lebenswende bei seinen Adressaten: HĂ€ngt nicht am Irdischen – das könnte Reichtum, Macht, Ehre, Klugheit, Ansehen und vieles andere sein. Richtet Eure Gedanken, Euer Streben und Eure Kraft auf das Himmlische, denn dort sitzt „Christus zu Rechten Gottes", dem Schöpfer der Welt. Dort und nur dort geschieht das eigentliche Leben („in der Welt aber nicht von der Welt"). Dieses muss jedoch noch offenbar werden, so wie Christus allen offenbar werden wird. Diese Haltung, die alltĂ€glich gelebte Verbindung mit Gott, mit der himmlischen SphĂ€re, ist gelebte Mystik. Sie ist nicht weltfremd, stellt jedoch die gĂ€ngigen Wertigkeiten „in der Welt" auf den Kopf. In diesem Sinne appelliert der Autor: „Tötet was irdisch an Euch ist: ... die bösen Begierden und die Habsucht, die ein Götzendienst ist."

Aus dieser Mystik resultiert beim Verfasser des Kolosserbriefs eine erneuerte Moral, eine neue Ethik. Wenn wir diese Ethik von der individuellen auf die gesellschaftliche Ebene heben, wird gerade die Warnung vor der Habsucht brennend aktuell. Mit der Finanzkrise ist ein Wirtschafts- und Finanzsystem in die Krise geraten, das auf dem Streben nach hohen KapitalertrÀgen und hohem Zinsgewinn beruht. Auch das ist mit Habsucht gemeint.

Der Text des Kolosserbriefs endet mit der Feststellung: Wo wir zu neuen Menschen geworden sind, gibt es nicht mehr Griechen oder Juden, ... Sklaven oder Freie, sondern Christus ist in alles in allen. Es ist nahe liegend, wie diese Auflistung heute zu aktualisieren ist: Es gibt nicht mehr Arme – etwa in der sog. 3. Welt – oder Reiche, AuslĂ€nder oder Deutsche, Christen oder Muslime, Hartz 4-EmpfĂ€nger oder Gut-Verdienende ...

Als neue Menschen, so dĂŒrfen wir heute sagen, achten wir die gesamte Schöpfung Gottes. Denn auch wir sind Geschaffene nach dem Bild Gottes und erweisen dem Schöpfer diese Achtung in umweltvertrĂ€glichem Handeln und Wirtschaften. Als neue Menschen interessieren wir uns fĂŒr die sozialen und ökologischen Konsequenzen unseres Konsumverhaltens. Wenn wir Geld anzulegen haben sind dem neuen Menschen soziale und ökologische Kriterien wichtiger als ein hoher Zinsgewinn.

 

Lukas 12,13-21

Wieder geht es um die Frage des Umgangs mit materiellen GĂŒtern, um die Bedeutung des Reichtums fĂŒr das menschliche Leben. Und es geht um unsere Haltung zur Verlockung des materiellen Reichtums. Gleich zu Beginn stellt Jesus fest: „Gebt acht, hĂŒtet euch vor jeder Art von Habgier. Denn der Sinn des Lebens besteht nicht darin, dass ein Mensch aufgrund seines großen Vermögens im Überfluss lebt." Das ist eine starke und eindeutige Aussage, die Jesus mithilfe des Gleichnisses vom reichen Bauern seinen Zuhörern erklĂ€rt. Dieser hat eine gute Ernte eingefahren und will nun fĂŒr die Zukunft vorsorgen. Er plant, eine große Scheune zu bauen und VorrĂ€te fĂŒr mehrere Jahre anzulegen. So kann er sich absichern. Jeder heutige Ökonom wĂŒrde diese PlĂ€ne begrĂŒĂŸen. Im fiktiven Dialog jedoch nennt Gott den Bauern dieser PlĂ€ne wegen einen Narren, der fĂŒr sich selbst SchĂ€tze sammle, aber keinen Reichtum vor Gott habe. Noch in dieser Nacht wĂŒrde sein Leben „zurĂŒckgefordert" und er damit seinen gesammelten Reichtum verlieren.

Der Ausgangspunkt des Gleichnisses ist Jesu Warnung vor Habgier. Eine aktuelle Warnung, auf unsere Zeit wie zugeschneidert. Habgier, das rĂŒcksichtslose Streben nach Reichtum, fĂŒhrte und fĂŒhrt in der menschlichen Geschichte zur Ausbeutung von Mensch und Natur. Sie ist die stĂ€rkste Triebfeder u.a. fĂŒr die Vernichtung der RegenwĂ€lder, die Ausbeutung von Rohstoffen unter Vernichtung von Natur und menschlicher LebensrĂ€umen – insbesondere der indigenen Bevölkerung. Auch hier möchte ich auf die AuswĂŒchse des Finanzkapitalismus unserer Zeit hinweisen, deren Antriebskraft die Habgier ist. Jesus stellt der Habgier den „Reichtum vor Gott" gegenĂŒber. Diesen Reichtum, der die Todesschwelle ĂŒberdauert, sammelt, wer sein Leben im Vertrauen auf Gottes FĂŒrsorge grĂŒndet, statt auf wirtschaftliche Vorsorge zu setzen - Ă€hnlich dem reichen Mann im Gleichnis. An anderer Stelle – etwa in der Seligpreisungen – erlĂ€utert der Evangelist Lukas, wie der Mensch Reichtum vor Gott durch Zuwendung zu den Armen und Benachteiligten erwerben kann.

Wesentlich ist, dass der Evangelist die menschliche Haltung in den Vordergrund stellt. Verankere ich mein Leben im Vertrauen auf Gott – oder im Vertrauen auf menschliche und ökonomische Absicherungen? Wer sein Leben in Gott verankert, fĂŒr den sind die ethischen Konsequenzen ganz selbstverstĂ€ndlich und beruhen nicht auf Ă€ußerem Zwang.

 

Joh 4, 19-26

Die Perikope im Johannesevangelium hat keine inhaltliche Verbindung mit den drei vorher betrachteten Texten. Sie ist dennoch heute sehr aktuell.
Im GesprĂ€ch mit der samaritischen Frau am Jakobsbrunnen antwortet Jesus auf ihre Frage, an welchem Ort Gott angebetet werden will, dass der Ort irrelevant sei. Denn der wahre Beter betet den Vater an „im Geist und in der Wahrheit". Und nur darauf kommt es an.

Die Frage nach dem richtigen Ort zur Anbetung Gottes stellt sich heute in der Regel nicht mehr. Ganz virulent ist jedoch die Frage nach der richtigen Religion oder Konfession. Können wir es als Christen akzeptieren, dass die Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit in jeder Religion geschehen kann?
Die ErklĂ€rung „Nostra Aetate" des 2. Vatikanischen Konzils ĂŒber das VerhĂ€ltnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen erkennt im zweiten Artikel an, dass in den Religionen der Menschheit die authentische Erfahrung einer „höchsten Gottheit oder sogar eines Vaters" geschehen kann und bekrĂ€ftigt damit die johanneische Theologie.

Diese Erkenntnis ĂŒber den Wert aller Religionen kann den Weg zu ehrlichem Respekt voreinander und zu einem wirklichen Frieden zwischen den Religionen ebnen. Einem Frieden, der der Welt zum Vorbild werden könnte. Die heute wieder auflebenden Spannungen zwischen Christen und Muslimen, zunehmenden Aversionen gegen Muslime in gewissen Kreisen in den westlichen Gesellschaften zeigen, wie labil der Friede zwischen den Religionen wieder werden kann, insbesondere in Krisensituationen.

Stefan Schneider