11. Sonntag nach Trinitatis / 19. Sonntag im Jahreskreis (11.8.13)

11. Sonntag nach Trinitatis / 19. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Lk 7, 36–50 Weish 18, 6-9 Hebr 11, 1–2.8-19 Lk 12, 32–48

Stellung im Kirchenjahr:

Der 11. Sonntag nach Trinitatis 2013 fällt noch in die Sommerferien in Rheinland-Pfalz. Unwahrscheinlich also, dass an diesem Tag ein „besonderer" Gottesdienst (z.B. Gottesdienst im Grünen) gefeiert wird. Es ist mit dem traditionellen Stamm der Gottesdienstgemeinde zu rechnen.
Das Leitbild dieses Sonntags lautet: Aus Gnade zu neuem Leben.

Der Autor behandelt alle Texte. Wird im Text der evangelischen Predigtreihe die grenzüberschreitende Macht der Liebe erörtert, sieht er als übergreifendes Thema der drei Texte der katholischen Lesereihe das zukunftsweisende Vertrauen auf den, den man nicht sehen und greifen kann und der dennoch immer an unserer Seite ist, weil er seine Verheißungen erfüllt.

 

Lukas 7, 36 – 50: Jesu Salbung durch die Sünderin (Luthertext)

Mit Francois Bovon kann man die Perikope in vier Szenen unterteilen, welche den inhaltlichen Fort-gang und zugleich die Zielrichtung der Aussage verdeutlichen.

Szene 1, VV 36 – 39: Hier werden die handelnden Personen ins Geschehen eingeführt. Der Gastgeber (Pharisäer), die sozial geächtete Frau, die sich Jesus in außergewöhnlicher, nach damaligem Verständnis ungehöriger Weise nähert (noch dazu, ohne eingeladen zu sein) und schließlich Jesus selbst, der sich den Liebesdienst der Frau zunächst schweigend gefallen lässt. Dies führt zu einer empörten Reaktion des Gastgebers in Form eines Selbstgesprächs.

Szene 2, VV 40 – 43: Obwohl sich die neue Wirklichkeit, für die Jesus steht (Gottes eschatologische Vergebungstat), bereits in der Beziehung Jesu zu der Frau gezeigt hat, ist Simon blind geblieben. Darum muss Jesus ihm dies noch einmal anhand des Gleichnisses verdeutlichen. Ungewöhnlich ist dabei die Bildhälfte des Gleichnisses, dass ein Geldgeber seinem Schuldner die Schuld gänzlich er-lässt. So ungewöhnlich großzügig – so die Aussage – ist Gott.

Szene 3, VV 44 – 47: Gastgeber Simon wird mit dem Mittel des Kontrastes seine eigene Haltung ge-genüber Jesus (und Gott) deutlich gemacht. Ob der Frau nun wegen der gezeigten Liebe vergeben wird oder ihre Liebe Folge der erfahrenen Vergebung ist, lässt Lukas offen. Beides steht bei ihm in einem spannenden Verhältnis der Gegenseitigkeit der Liebesbeziehung zu Jesus/ Gott. Auch wenn die Liebe Gottes das Zentrum der Botschaft ist, in der Versöhnung sind beide, Gott und Mensch, tätig. Der von Gott dem Menschen entgegengebrachten Liebe entspricht die menschliche Verantwortung darauf entsprechend (siehe die Frau) zu reagieren und zu antworten. Wichtig: Durch Liebe entsteht auch die gegenseitige Freiheit Grenzen zu überschreiten, um Gutes zu bewirken.

Szene 4, VV 48 – 50: Jesus sieht die Frau durchaus realistisch („deine Sünden") und vergibt ihr, was bei den Anwesenden die Frage nach seiner Vollmacht (vgl. die Heilung des Gelähmten) aufwirft. An dieser Stelle wird sie jedoch nicht beantwortet.
Die Liebe zu Jesus und die Vergebung werden abschließend als Glaube und Heil („dein Glaube hat dich gerettet") bezeichnet. In der ganzen Formulierung soll eine doppelte Bewegung deutlich werden: Von der Sünde zum Heil („Dein Glaube hat dich gerettet") und vom Heil zum christlichen Leben („geh hin in Frieden"). (Bovon S. 385ff)

Zur Predigt:

Besonders diese zuletzt genannte doppelte Bewegung, die Bovon bei Lukas ausmacht, spricht mich an. Von der Sünde zum Heil, vom Heil zum christlichen Leben. Versteht man Sünde als Störung von Gemeinschaft (zwischen Gott und Mensch ebenso wie zwischen den Menschen) dann liegt ihre Überwindung auf unserer Seite sowohl in der Beseitigung von vernichtenden Urteilen in der Gesell-schaft (von Drogensüchtigen bis hin zu Bankern oder angeblich faulen Griechen), als auch in der ei-genen Selbstprüfung. Wo behindere ich durch mein konkretes Verhalten Gemeinschaft, wo verhindere ich, dass sich Leben entfalten kann? Wo ziehen wir Grenzen, welche die Freiheit einschränken, das Leben zur vollen Entfaltung kommen zu lassen? Wo lassen wir uns von Vorurteilen, Klischees u.ä. leiten und machen uns selbst zu Gefangenen unseres engen Denkens und Fühlens?

Wichtig an dieser Perikope ist, dass dies alles nicht in einer „gesetzlichen Kontrolle von Unfähigkeit und in der Anwendung schriftlicher Regeln" erfolgt, „sondern in einer Begegnung." (Bovon) Was sie „Sünderin" von Simon dem Pharisäer unterscheidet ist nicht die bessere Gastgeberschaft, sondern dass sie zu Jesus in Beziehung tritt. Sie will ihm anhängen, Gemeinschaft mit ihm Leben.
Dieser Aspekt lässt sich an vielen aktuellen Beispielen aufgreifen und verdeutlichen.
In der aktuellen Banken-/ Eurokrise neigen wir oft dazu, sehr einseitig Schuld zuzuweisen. Wir persön-lich stehen fast automatisch auf Seiten der Guten, Unschuldigen, zu Unrecht Betroffenen. Dadurch wird allzu oft aber der Blick auf die wirklichen Probleme verschleiert und Potential zur Überwindung einer solchen Krise, das ja auch in unseren Gesellschaften selbst liegt, verschüttet.

In Bezug auf unser Leben in und mit der nichtmenschlichen Schöpfung könnte thematisiert werden, wo wir wirklich versuchen in eine heilbringende Beziehung zu all dem Leben zu treten, das uns umgibt, oder wo wir unseres eigenen Vorteils, unserer eigenen Bequemlichkeit zuliebe die Zerstörung von Schöpfung in Nah und Fern geradezu klischeehaft hinnehmen („Was kann ich da schon ändern"). Vielleicht könnte man die Predigt im Rahmen eines Gottesdienstes halten, der ganz konkrete Erfah-rungen möglich macht, mit Schöpfung in Beziehung zu treten (z.B. eine Vogelstimmenwanderung, Möglichkeiten alle Sinne einzusetzen – riechen, fühlen, schmecken), um lebendige Gemeinschaft über Grenzen hinweg zu gestalten und das Bewusstsein für Verantwortung zu wecken.
Im Glauben, dass uns vergeben ist, gewinnen wir Freiheit, Grenzen zu überschreiten und Leben auf-blühen zu lassen, statt es zu behindern. Das wäre der Weg von der Vergebung zum Heil und vom Heil zum christlichen Leben.

 

Zu Weisheit 18, 6 – 9, Lukas 12, 32 – 48 und Hebräer 11, 1 – 2. 8 – 19

Zu diesen drei Texten schlage ich vor eine Themenpredigt zu halten. Die Texte sollten verlesen und dann der übergreifende Bezug hergestellt werden.
Ich sehen diesen in Hebr, 11, 1 formuliert: Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.
Dieser programmatische Satz wird im Hebräerbrief am Beispiel Abrahams und Saras durchdekliniert. Lukas nimmt m.E. besonders zu Beginn Bezug, denn Schätze, die man im Himmel erwirbt unter-scheiden sich von irdischen eben darin, dass man sie nicht sieht und darauf vertrauen muss, sie an-gesammelt zu haben. Aber auch das Verhalten der klugen Knechte ist ja auf eine ungewisse Zukunft („Der Menschensohn kommt zu einer Stunde da ihrs nicht meint") ausgerichtet.

Das Weisheitsbuch schließlich erinnert in diesen drei Versen an das Gründungserlebnis des Volkes Israel: Die Befreiung des Volkes aus der Knechtschaft und die Bewahrung durch Gott auf dem Weg ins gelobte Land. Auch die Väter und Mütter waren aufgefordert sich ganz auf die Zusage und Verhei-ßung Gottes zu verlassen, auf das also, was man nicht sieht, sondern nur glauben kann.

Für die Predigt wären heutige Verhaltensmuster deutlich zu machen. Wo versagt unser Glaube, weil uns das Vertrauen fehlt, wir uns in scheinbare Sicherheiten flüchten? Wo sind diese Sicherheiten im Grundsatz erschüttert? Ein Beispiel hierfür könnte der erschütterte Glaube in die „Allmacht" der Technik angesichts der mit dem Klimawandel drohenden Naturgewalten sein. Oder auch – eine ganz andere Richtung – der erschütterte Glaube in die ordnende Kraft der Märkte, der der Erkenntnis Platz machen musste, dass Markt ohne Regeln nicht zu einer guten Ordnung sondern zur Gier ohne Grenzen führt.
Es könnte zur großen Gegenwarts- und Zukunftsaufgabe von Kirche werden, das prophetische Amt stärker als bisher wahrzunehmen. Nicht im Sinne einer Endzeitapokalyptik, aber im bespielhaften Vorleben einer Gemeinschaft, die aus ihrem Glauben an das, was man nicht sieht und ihrem Vertrauen auf den, der von uns nicht zu vereinnahmen ist lebt und ihre Kraft zieht.

Neue Wege zu gehen, persönlich und in der Kirche, Wege, deren Ende man nicht kennt, sie aber im Vertrauen auf Gott zu gehen wagt, das wären Zeichen weit in unsere Gesellschaft hinein, die ihre Wirkung nicht verfehlen würden. Also nicht ängstliches Klammern an Traditionen, noch blindes Verfol-gen des „Mainstreams" sondern Gemeinschaft und das Leben schützende Wege ausprobieren, ohne auf kurzfristigen Erfolg und den Beifall der Massen zu schielen. Das lehren uns die drei Texte, weil sie vom Vertrauen auf den Gott sprechen, der seine Hilfe für uns immer wieder erwiesen hat.

A. Gutting

Liedvorschlag: EG 395, Vertraut den neuen Wegen