1. Advent [III/A]
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Offb 3,14-22 | Jes 2, 1-5 | Röm 13, 11-14a | Mt 24, 37-44 od. Mt 24, 29-44 |
Ev. Predigttext, Reihe V: Offenbarung 3,14-22
Ich stehe vor der Tür und klopfe an
Alle haben schon einmal erlebt, dass jemand vor der Haustür steht und anklopft, ein Fremder oder Bekannter, ein erwarteter oder ein spontaner Besucher, ein Bedürftiger auf der Suche nach Hilfe. Selten steht eine Person von hohem gesellschaftlichem Rang vor der Tür, ein Staatspräsident, eine Ministerpräsidentin, der Papst oder die EKD-Ratsvorsitzende. Einen oder eine von ihnen zu empfangen, könnte ambivalente Gefühle hervorrufen.
Im Predigttext für den 1. Advent, steht der Kommende vor der Tür. Er spricht zum Engel der Kirche von Laodizea und steht an der Tür in der Hoffnung, eingeladen zu werden. Er zwingt nicht, er drängt sich nicht auf. Er lässt die Freiheit, ihm die Tür zu öffnen – oder eben nicht. Er kommt als Gast, um Gemeinschaft zu haben. Seine Identität: das Amen, der treue und wahre Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes.
Christus: der Anfang von Gottes Schöpfung
Die Tatsache, dass Christus in diesem Text sich selbst als den Anfang der Schöpfung Gottes bezeichnet, regt dazu an, ihn unter dem Nachhaltigkeitsaspekt zu betrachten.
Warum stellt Christus sich ausgerechnet der Gemeinde in Laodizea als Schöpfer vor? Diese von Antiochius II. (261-245 v. Chr.) gegründete Stadt erlebte wirtschaftlichen Wohlstand dank der Wollindustrie und ihrer strategischen Lage an der großen Handelsstraße nach Ephesus. Wie andere Städte in Kleinasien wurde auch Laodizea von einer Naturkatastrophe heimgesucht, den Erdbeben von 60/61 n. Chr. Dank ihrer finanziellen Mittel konnte sie sich sehr schnell selbst helfen, baute sich wieder auf und erlangte ihren Wohlstand zurück, ohne auf Hilfe von außen angewiesen zu sein. Dies war einer der Gründe für ihre Arroganz und ihren Stolz, im Gegensatz zu Ephesus und Sardes, die sich abmühen und auf Hilfe von außen zurückgreifen mussten, um sich zu erholen. Der Stolz darauf, sich allein aus der Krise befreit zu haben, erzeugte die Anmaßung, weiteren Naturkatastrophen sorglos entgegen treten zu können.
In den letzten Jahren haben wir hier Naturkatastrophen erlebt, die dem Klimawandel zugeschrieben werden, zuletzt die verheerenden Überschwemmungen 2021 in weiten Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Es wurden finanzielle, materielle und technische Mittel mobilisiert, um die Katastrophe zu bewältigen und die Sachschäden zu beheben. Die Region wird wiederaufgebaut. Dies ist in anderen Ländern, die oftmals Opfer des Klimawandels sind, ohne dessen Verursacher zu sein, ausgeschlossen. - Eine Frage der Klimagerechtigkeit.
Die Fähigkeit, sich mit eigenen Mitteln zu helfen, kann zu Arroganz führen und in der Folge zur Relativierung von Naturkatastrophen und ihren Ursachen, zur Selbstherrlichkeit und zur Rücksichtslosigkeit gegenüber den Opfern ähnlicher Katastrophen in anderen Teilen der Welt. Es gibt aber auch Menschen, die die Katastrophen ernst nehmen und sie als Weckruf betrachten, um mehr Verantwortung gegenüber der gesamten Schöpfung zu übernehmen.
Damals wie heute sind Erdbeben und Katastrophen nicht unmittelbar auf menschliches Handeln zurückzuführen, der Klimawandel hingegen schon. Wir werden uns immer stärker dessen bewusst, dass steigende Meeresspiegel, Überschwemmungen und starke Regenfälle, Hitze, Dürre, Verschlechterung der Luftqualität und das Schwinden der Biodiversität Opfer fordern. Technologischer Fortschritt und wissenschaftliche Untersuchungen können Mittel zur Eindämmung des Klimawandels hervorbringen, aber um eine Änderung unseres Verhaltens und der Konsumkultur der westlichen Gesellschaften geht es nicht.
Christus - das Amen Gottes
Christus begegnet uns hier als Schöpfer und als Gott der Wahrheit. Er hält uns den Spiegel vor und zeigt uns den wahren Zustand unseres Planeten. Mangelnde Transparenz, Halbwahrheiten oder schlichtweg Lügen helfen nicht weiter. Die Sorge für unseren Planeten erfordert Transparenz beim Austausch von Informationen, bei der Produktion und der Verarbeitung von Rohstoffen, beim Streben nach Wohlstand und beim Konsumverhalten,. Um den Klimawandel zu stoppen, braucht es einen ehrlichen und sachbezogenen Umgang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Kirche sollte in der Lage sein, die Wahrheiten auszusprechen und einen sachgerechten Umgang damit anzumahnen.
Christus ist Schöpfergott. Sein Kommen ist Werk der Erneuerung und Momentum der Hoffnung. In den Adventsgottesdiensten bedenken wir sein Kommen. Sein Kommen bedeutet auch, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen. Die Gemeinde, die das tut, stellt sich ganz in den Dienst des Schöpfers und seiner Schöpfung. So und nur so haben wir am erneuerten Schöpfungswerk teil. Das hindert uns daran, uns an die Stelle Gottes zu setzen. – Nicht wir sind es, die die Schöpfung erlösen, sondern Gott. - Und es hindert uns daran, anderen Herrschaften oder Mächten zu verfallen und z.B. den Glauben an die Wissenschaft und an menschliche Werke, an Geld, Macht und politischen Einfluss an die Stelle des lebendigen Gottes zu setzen.
Kath. Leseordnung: Jesaja 2,2-4
Aus ihren Schwertern schmieden sie Pflugscharen: gemeinsam auf dem Weg des Friedens
Hinter der Idee einer Welt ohne Waffen steht die Vision einer Welt, in der sich die Menschen gemeinsam auf den Weg machen, um Frieden zu schaffen. In Jesaja 2 gibt Gott den Nationen und Völkern eine neue Rolle, nämlich Schmiede und Landwirte zu sein. Sie, die zum Krieg oder zum Gebrauch von Kriegswaffen bestimmt waren, werden diese nicht nur aufgeben, sondern sie vor allem im Feuer einschmelzen, damit nichts von ihnen übrig bleibt. Im Feuer verflüssig, verlieren die Waffen nicht nur ihre Form, sondern auch ihre Fähigkeit zu töten und zu zerstören. Sie werden umgeschmiedet zu Friedenswerkzeugen.
Gott will nicht, dass die Speere ihre Form behalten. Sie müssen einfach verschwinden, sowohl in der Substanz als auch in der Form. Denn wenn man sie behält, werden die Erinnerungen an den Krieg und die damit verbundenen Gefühle immer wiederkehren. Die Schwerter und Speere sollen in Zukunft für die landwirtschaftliche Produktion verwendet werden können, sie sollen also lebensdienlich werden. - Eine neue Perspektive, Gottes Vision des Friedens.
Ein Friede, der vor allem die Abwesenheit von Gewalt und Krieg bedeutet, das Verschwinden der Mittel der Gewalt und des Krieges, um die Feindschaft zu beenden, den Dialog zu nutzen, sich auf den Weg zu machen - auf die Pilgerreise zum Frieden.
Manche sprechen von Transformation. Aber es handelt sich um mehr als eine Transformation. In Sierra Leone oder Liberia wurden die alten Patronenhülsen aufgesammelt und in Kreuze umgewandelt. Man konnte noch das Alte im Neuen sehen, die alte Patronenhülse, die noch die Identifikationsnummer trug, blieb im Kreuz sichtbar. Die Erinnerung an das Alte wurde nicht ausgelöscht. Bei Jesaja besteht die Vision darin, die Waffen im Feuer verschwinden zu lassen, indem man es einfach verflüssigt und aus dem Stahl neue Werkzeuge schafft. Der Prophet kündigt ein neues Zeitalter an, in dem die Rolle der politischen Führung auf Gerechtigkeit beruht. Nur unter dieser Bedingung wird Frieden möglich sein, ist sein Credo.
Es geht nicht darum, den Frieden auf die Abwesenheit von Krieg zu reduzieren. Frieden kann nicht sein, wo Ungerechtigkeit herrscht. Sicherheit kann nicht sein, wo Menschen nichts zu essen haben.
Die Folgen des Klimawandels wie ausbleibende Regenfälle oder Überschwemmungen, Nahrungsmittelknappheit und Armut versetzen die Menschen in Unsicherheit und Unruhe und produzieren so viele Flüchtlinge, wie ein Krieg es tun würde. Durch seine verheerenden Auswirkungen wird der Klimawandel zum tödlichsten dritten Weltkrieg, der weder Menschen noch Ökosysteme, Tiere oder Infrastrukturen verschonen wird.
Wir haben nicht nur die Pflicht, die Instrumente des Krieges in Produktionsmittel umzuwandeln, sondern auch die Pflicht, die Art und Weise zu ändern, wie wir die Schöpfung betrachten, wie wir sie lieben, ihr dienen und sie schützen.
Hier handelt es sich um eine globale Verpflichtung, die alle Völker und Nationen vereint. Im Krieg sind alle Verlierer. Aber auf dem Weg des Friedens sind alle Gewinner.
Pfr. Dr. Jean-Gottfried Mutombo, Ev. Kirche von Westfalen