3. Adventsonntag [V/A]
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Jes 40,1-11 | Jes 35, 1-6a.10 | Jak 5, 7-10 | Mt 11, 2-11 |
Jes 40, 1-11 Behütet und getröstet – wunderbar
Trost ist ein wunderbares Wort und ein noch schöneres Geschenk, das wir Menschen einander machen können. Die Situationen, in denen wir Trost brauchen, sind allerdings meist die schlimmsten Zeiten in unserem Leben. Tiefpunkte wie der Tod eines lieben Menschen, die Kündigung einer Arbeitsstelle oder das Ende einer Beziehung. Momente, in denen wir uns von Gott und aller Welt verlassen fühlen. Da brauchen wir Trost, da tut es uns gut, getröstet zu werden von einem guten Wort, von einer Hand, die uns stützt und hält, von der Gegenwart eines Menschen, der/die die Not oder die Krise mit uns aushält...
Gott will sein Volk getröstet wissen – weil alle Schuld vergeben ist, weil alle Sünde keine Rolle mehr spielt. Das Bild der Wüste erzählt davon, wie ein Weg für Gott bereitet wird, wo sonst keine Wege existieren. Höhen und Tiefen werden eingeebnet – Krummes wird gerade und Hügeliges eben, damit der Blick nicht verstellt, sondern klar und offensichtlich zu erkennen ist, wie groß die Herrlichkeit Gottes ist. Im Gegensatz zu den Menschen, die kurzlebig sind und welken wie Blumen und Gras, steht Gottes Wort wie ein Leuchtturm auf dem Felsen stark und ewig.
Gott selbst wird beschrieben, wie er kommt mit Macht – und alle, die zu ihm gehören, sind bei ihm. Auch wenn wir vielleicht nicht gern mit einer Herde von Schafen verglichen werden, ist diese Vorstellung doch eine wohltuende: die Lämmer finden Schutz und Geborgenheit in seinem Arm und im Bausch seines Gewandes, und die Mutterschafe führt er – wir können weiterdenken: auf grüne Auen und an frisches Wasser. Behütet und getröstet – wunderbar...
Jes 35, 1-6a. 10 Wüstenzeit als Verheißung des Heils
Die Wüste ist ein beeindruckender Ort – aber auch lebensgefährlich. Ohne eine sachkundige Begleitung, also Menschen, die sich in dieser Gegend orientieren können und wissen, wo sie in der endlosen Weite, Hitze und Dürre auch Wasserstellen finden, ist es da kaum möglich, zu überleben.
Deshalb ist die Wüste zu einem Symbol der Erprobung geworden. In der Einsamkeit, auf den langen, mühsamen Wegen ohne Ablenkung zeigt es sich, wie jemand wirklich ist. Da gibt es nichts zum Verbergen oder Verstecken, nicht einmal etwas, um sich daran festzuhalten.
Die Wüste ist ein Ort, wo wir uns selber erkennen können – mit den schönen Seiten, die wir gerne an uns wahrnehmen, und auch den anderen, die wir nicht wirklich sehen wollen, denen wir in der Wüste, ob als Landschaft oder als symbolischer Ort, nicht ausweichen können. Die Stille der einsamen Wüste fordert uns heraus, uns selber anzuschauen, uns auf den Grund zu gehen, und uns anzunehmen, wie wir sind. Damit verändert sich die Wüste – sie wird zu einem Ort des Lebens, wo es grünt und blüht.
Im Text wird die Schönheit und Kraft der Wüste beschrieben – so als gäbe es nur ein entweder- oder. Wüste oder fruchtbares Land, staubige Steppe oder buntes Blütenmeer. Aber in unserem Leben gibt es – wie auch im Volk Israel – beides: die Herausforderung einer trockenen Wüstenzeit und auch das Geschenk einer Hoch- Zeit voller Freude. Wenn unsere Kniee nachgeben, weil wir keinen Hoffnungsschimmer mehr sehen, wird uns zugesagt, dass Gott kommt – dass wir keine Angst mehr haben müssen. Wenn wir so schwach sind, dass wir nichts mehr in den Händen halten können, wird uns die Rettung verheißen, die Kraft Gottes, die uns bestärkt.
In dieser Kraft und in der Gegenwart Gottes geschehen Zeichen und Wunder: die Wüste verwandelt sich, blinde Augen sehen, taube Ohren tun sich auf – Lahme springen wie junge Hirsche, und Stumme singen ihren Jubel aus vollem Hals.
Menschen kehren zurück aus der Fremde – in die Geborgenheit des Zion, in die Heimat. Jubel und Freude stellen sich ein. Kummer und Seufzen entfliehen.
Es ist ein Bild des Friedens, das uns hier vorgestellt wird, ein Bild voller Glück – eine Welt, in der alles gut ist. Vielleicht ist es naiv, sich von dieser Vorstellung trösten zu lassen, sicher ist es „weltfremd", sich in ihr zu verlieren und damit auch den Blick auf die Wirklichkeit unserer Welt. Aber in einer Zeit, in der so überdeutlich spürbar ist, dass Menschen trotz all ihrer Erfahrung noch immer nicht den Wunsch nach Frieden haben, dass die Gemeinschaft der Menschen weltweit es nicht schafft, „miteinander" zu denken und zu leben, braucht es Bilder wie dieses, damit uns die Hoffnung nicht ganz verloren geht. Wir brauchen die Zusage: „fürchtet euch nicht!", damit wir unsere Kraft und unseren Mut zusammennehmen und uns dem Unheil, der Gewalt und der Brutalität entgegenstellen und alles versuchen, um unsere Welt ein bisschen besser zu machen, wenigstens an dem Ort, wo wir leben, für die Menschen, mit denen wir konkret zu tun haben.
Jak 5, 7-10 Um Früchte ernten zu können, braucht es Geduld...
Geduld... die schwerste Übung von allen! Ob Warten auf's Christkind oder auf den nächsten Urlaub, ob auf den Arzttermin oder an der roten Ampel – so viele Gelegenheiten, bei denen es uns nicht schnell genug gehen kann und wir uns in Geduld üben müssen, auch wenn wir es kaum aushalten können. Die Ankunft des Herrn ist nicht das erste Ereignis, was uns beim Thema Geduld einfällt. Aber von ihr spricht der Lesungstext aus dem Jakobusbrief - haltet geduldig aus bis zur Ankunft des Herrn.
Wir wissen heute längst, dass sie nicht kurz bevorsteht, wie es die frühen Gemeinden erwarteten – obwohl wir uns das manchmal vielleicht wünschen würden.
Ein Bild aus der Natur verdeutlicht, wie sehr es auf das geduldige Warten ankommt: auch der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde, er braucht Geduld und den Regen, für den er selber nichts tun kann. Und manchmal sind die jungen Pflänzchen einem Kaninchen oder ein paar Schnecken zum Opfer gefallen, bevor wir überhaupt etwas von Wachstum oder Früchten sehen können.
Dass das mit der Geduld keine einfache Sache ist, kommt im Text zum Ausdruck, wenn sie in einem Satz mit dem Leiden genannt wird. In dem Schmerzhaften, was wir erleben, auszuhalten, und darin vielleicht noch einen Sinn erkennen zu können – dafür braucht es mehr als das Vorbild der Propheten, dafür sind auch Menschen notwendig, die uns Verständnis entgegenbringen und uns unterstützen – im Aushalten, im Begreifen und im Ernten der Früchte, wenn sie denn zur Reife kommen.
Mt 11, 2-11 Klein oder groß – das ist nicht die Frage
Johannes der Täufer, der Vorläufer Jesu, derjenige, der den Weg bereitet hat, der Jesus getauft hat, dessen ganzes Leben im Auftrag Gottes stand – ist gefangen im Kerker, in der Dunkelheit, weil er die Stimme erhoben hat, sich zu Wort gemeldet, seine Meinung gesagt hat. Der Prophet leidet nicht nur unter der Folter, die andere ihm zufügen, er leidet – vielleicht noch viel mehr – unter der Qual seiner Zweifel. „Bist du der, der kommen soll...?" so lässt er Jesus fragen, und diese Frage macht deutlich, dass er sich von Jesus ein ganz anderes Verhalten gewünscht hätte. Johannes ver-zweifelt an seinem Auftrag, an seinem Gott, weil Jesus als der Gesalbte Gottes nicht in der Öffentlichkeit auftritt und für Recht sorgt, auch und gerade für sein Recht...
Die Antwort Jesu ist eine Herausforderung für den gefangenen Johannes: Blinde sehen, Taube hören, Lahme gehen, Tote stehen auf, und Armen wird das Evangelium verkündet. Keine Machtergreifung, keine Gewalttat, nur Leben und Heil – voller Barmherzigkeit. „Selig, wer an mir keinen Anstoß nimmt." Johannes wird auf das heilende Handeln Jesu verwiesen und muss die Entscheidung treffen, ob er diesem Messias traut und sich ihm anvertraut mit seinen Vorstellungen, seinen Erwartungen, seinem Glauben und sogar seinem Leben – oder ob er an ihm Anstoß nimmt und sich von ihm abwendet.
Vor dieser Entscheidung steht vermutlich jeder glaubende Mensch irgendwann. Wir stellen uns die Frage, warum Gott uns oder anderen Menschen das Leid zumutet, das wir ertragen müssen, warum wir uns von Gott verlassen fühlen. Selig, wer an diesem Jesus, an diesem Gott keinen Anstoß nimmt, sondern aushält, dass Gott schwach ist – mit uns – und die Augen öffnet für die Wunder, die geschehen im Großen und Kleinen. Selig, wer klein und groß nicht zum Maßstab aller Dinge macht, sondern den Glauben versucht, der unser kleines menschliches Denken aufsprengt zur Größe und Weite, in die Gott uns einlädt.
Annette Schulze, Bistum Speyer