14. Sonntag nach Trinitatis / 23. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Lk 17,11-19 | Ez 33, 7-9 | Röm 13, 8-10 | Mt 18, 15-20 |
Für den 15. September ist wieder ein globaler Klimastreik angekündigt, der einen verantwortungsvolleren Umgang mit der Schöpfung und endlich wirksamen Klimaschutz anmahnt. Die Predigtanregungen des heutigen Tags können helfen, die innere Einstellung zu finden, mit der am Freitag auf die Pflicht und Chance zur Bewahrung der Schöpfung bzw. Creation Care öffentlich aufmerksam gemacht werden kann. Veränderungen sind, so das Fazit, kein Buch mit sieben Siegeln.
Ev. Predigttext: Lukas 17, 11-19 (Niko Körber, Speyer)
Aspekte mit Blick auf eine nachhaltige und klimagerechte Lebensweise
Die Erzählung aus dem Lukasevangelium provoziert gleich mehrere Fragerichtungen: Geht es in erster Linie um die Heilung der zehn Aussätzigen und die Art und Weise dieser Heilung? Geht es um das Herausstellen der Dankbarkeit als einer dem Glauben angemessenen Haltung? Welchen Unterschied gibt es zwischen dem „rein werden" der zehn Aussätzigen und dem „gerettet werden" des einen, der umkehrt? Welche Rolle spielt dessen Identität als Samariter? Den ersten und den letzten Aspekt möchte ich herausgreifen und unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit fruchtbar machen.
Der Heilungsprozess findet während des Gehens statt. Verstehen wir Heilung als Veränderung, dann vollzieht sich diese nicht punktuell, sondern im wahrsten Sinn des Wortes Schritt für Schritt. Das gilt im Besonderen auch für persönliche und gesellschaftliche Transformationsprozesse. Es ist wichtig anzuerkennen, dass es unterschiedliche Geschwindigkeiten und auch Etappen im Veränderungsprozess gibt: unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit bin ich heute vielleicht informierter, bewusster und etwas konsequenter als vor fünf Jahren. Aber ich habe diese fünf Jahre gebraucht. Andere Menschen sind vielleicht weiter oder noch nicht so weit. Das bewahrt mich einerseits vor einer verbissenen Selbstüberforderung und andererseits vor zu schnellen Urteilen meinen Mitmenschen gegenüber, wenn ich denke, sie müssten schon „weiter" sein.
Der zweite Aspekt zielt in eine ähnliche Richtung: Grenzen aufweichen. Jesus zieht durch ein Grenzgebiet. Grenzgebiete sind immer interessant und werfen die Frage auf, wer und was sich diesseits und jenseits der Grenze bewegt. Worin besteht überhaupt die Grenze? Bei Familienzugehörigkeit, bei Orts- und Ländergrenzen ist das augenfällig. In psychologischer Hinsicht sind Grenzen und damit verbunden die Frage, ob ich dazugehöre oder nicht, immer identitätsstiftend: ich verstehe mich immer auch als Teil einer Gruppe. Die Perikope aus dem Lukasevangelium weicht die Grenzziehung aufgrund der örtlichen bzw. aufgrund der Religionszugehörigkeit auf: der einzige, der sich vorbildhaft verhält, ist ein Samariter – in den Augen der Juden ein „Fremder", ein „Ausländer", einer, der nicht dazugehört.
Gerade beim Konsumverhalten und bei der Ausrichtung der eigenen Lebensweise am Paradigma der Nachhaltigkeit ist die soziale Zugehörigkeit ein entscheidender Faktor: das eigene Verhalten bis hin zu konkreten Handlungen orientiert sich zum großen Teil an dem Verhalten und der Norm der eigenen Gruppe. Ist vegane Ernährung vorbildhaft oder verpönt? Sind Flugreisen angesagt oder werden sie kritisch hinterfragt? Kann ich mir Bioprodukte leisten und bin ich bereit, dafür Geld auszugeben? Bin ich bei Demos dabei oder halte ich mich fern? Nicht selten finden hier soziale Grenzziehungen statt, die der „Menschheitsaufgabe Nachhaltigkeit" nicht zuträglich sind, wenn sie sich verhärten. Offene und durchlässige Grenzen sind notwendig: egal wie viele und welche Autos mein Nachbar in der Garage stehen hat, egal wie viele gelbe Säcke der Wohnungsnachbar wöchentlich runterträgt, egal ob der Bekannte die nächste Schiffsreise mit der Aida schon geplant hat: wir brauchen das Gespräch, wir brauchen den Kontakt und die Begegnung. Und natürlich brauchen wir dann auch klare Worte und beherztes Handeln, das für andere provozierend und anregend sein kann.
Katholische Leseordnung (Karin Müller-Bauer, Trier):
Römer 13,8-10
Impuls: Beispiel der franziskanischen Spiritualität
Franziskus lebte und benannte die erste kirchenfreie Inkarnation des Glaubens im Herzen der Menschen. Er besaß eine einzigartige Fähigkeit, andere - Tiere, Pflanzen, Planeten und Elemente Bruder und Schwester zu nennen. Allem gestand er ein Sein als Subjekt und Person und Würde zu. Die Schöpfung sah er als eine große Symphonie gegenseitigen Mitgefühls. Da die ganze Welt als heilig gilt, gibt es keine Trennung in heilig und profan. "Dass wir in seiner Liebe bleiben" oder "die Liebe ist die Erfüllung des Gesetzes" gilt als die zentrale Praxis der franziskanischen Mystik und als das zentrale Gebot Jesu. Die erste Ordensregel von 1221, die "Gründungsurkunde" der Franziskaner besagt in Kapitel fünf "Allen Brüdern ist es ausnahmslos verboten, Macht oder Autorität über andere auszuüben." Welch ein Geschenk an die Menschheit, was aber von den damaligen kirchlichen Autoritäten als zu egalitär und naiv bewertet wurde. Die anhaltende Faszination und das nicht nachlassende Interesse am Leben und Wirken des Franz von Assisi beweisen wie aktuell sein außergewöhnlicher Lebensweg, sein Denken und Handeln sind.
Ezechiel 33,7-9 (Hesekiel)
Impuls: Zivilcourage als ein menschliches Verhalten von hoher Nachhaltigkeit
Das mutige Verhalten von Menschen, die aktiv werden, um anderen Menschen in gefährlichen Situationen zu helfen, nennt sich Zivilcourage(wörtlich "Bürgermut"). Wenn ein Mensch bedroht wird und ein Dritter eingreift, Mut beweist und sich der Bedrohung stellt statt wegzusehen, handelt er dem göttlichen Auftrag gemäß, wie es in dieser Bibelstelle beschrieben wird. Da viele Situationen im Voraus schwer einzuschätzen sind, setzen Menschen mit Zivilcourage evtl. ihr eigenes Leben aufs Spiel, um anderes Leben zu retten. Beispiele für Zivilcourage finden sich immer wieder und bilden einen wichtigen Gegenpol zu Hass, Rassismus, Antisemitismus, Islamophobie, Antifeminismus, gegen alles , was die Menschenwürde, Menschenrechte und Gerechtigkeit gefährdet. Als ein besonderes Beispiel für Zivilcourage in extremer Notlage sei auf den Einsatz der Klitschko-Brüder in Kiew verwiesen, denen der Düsseldorfer Heine-Kreis den Preis für Zivilcourage im April 2022 überreicht hat.
Evangelium: Matthäus 18,15-20
Impuls - Bezug zu Vers 15: Notwendigkeit einer dialogisch wertschätzenden Kommunikation, vgl. Barbara von Meibom, Brevier zur Führungskunst - Eine Ermutigung, 2016
Um eine neue Kultur der Verbundenheit zu entwickeln, braucht es eine Bewegung weg vom Gegeneinander und hin zum Miteinander, von der Konkurrenz hin zur Kooperation und Ko-Kreation. Weg vom Hyper-Individualismus und hin zu einer Verbundenheit / Bewusstsein von Connectedness, die durch einen lernoffenen Dialog ermöglicht werden kann, der in einer wertschätzenden Haltung geführt wird. Darin gibt es Raum für den ganzen Menschen mit seinem Denken und Fühlen, seiner Intuition und Emotion, mit seiner spirituellen Intelligenz und der Weisheit des Herzens. In dieser Haltung wandelt sich die Zurechtweisung zu einem gegenseitigen Lernprozess, in dem gemeinsam nach Lösungen gesucht wird. (Die Kompetenzen dialogischer Kommunikation finden sich bei Martina und Johannes Hartkemeyer, 1998, S.78ff.)
Bezug zu Vers 18-20: Beispiel für Verbundenheit - vgl. Paul Hawken "Wir sind der Wandel"
Schätzungsweise mehr als 2 Millionen Organisationen engagieren sich weltweit für ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit. Diese Kulturell-Kreativen sind Menschen und Gruppen, die sich für eine Zukunft mit menschlichem Gesicht und ökologischer Verantwortlichkeit einsetzen, für die Rechte von Frauen und Minderheiten, für kulturelle Vielfalt, für die Ehrung der Natur und der natürlichen Grundlagen unserer Existenz (z.B. Attac, Campact oder Avaaz). Diese Verbindungen, sowohl große Organisationen wie Greenpeace oder auch kleinste Initiativen, handeln intuitiv gemäß dem göttlichen Auftrag. Und Gott ist mitten unter denen, die in seinem Namen handeln, auch wenn sein Name nicht explizit genannt wird.