15. Sonntag nach Trinitatis / 24. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
1 Mose 15,1-6 | Sir 27, 30 - 28, 7 (27, 33 - 28, 9) | Röm 14, 7-9 | Mt 18, 21-35 |
Für den 15. September ist ein globaler Klimastreik angekündigt. Die Predigtanregungen des heutigen Tags thematisieren implizit das »Danach« bzw. die innere Haltung, die eingenommen werden kann. Sie ist ein Weg, um ausgehend vom Klimaschutz auch in andere Bereiche hinaus zu wirken, die von einer christlichen Haltung profitieren und damit geheilt würden.
Ev. Predigttext (Stefan Weiß, Kassel)
1 Mose 15,1-6: Gottes Verheißung an Abram
Abram, der Berufene (Gen.12) und Gesegnete (Gen.14), ist in großer Sorge um Zukunft. „Kann es überhaupt noch etwas werden mit meiner Berufung? Was kommt nach mir?" Da offenbart sich Gott in einer Vision und spricht zu ihm: „Fürchte dich nicht!"
Auffällig ist die bedingungslose Zuwendung, mit der Gott ihm und seinen Sorgen begegnet. Aber Abraham genügt das nicht. Er fragt nach. Er weiß: Nur eigene leibliche Kinder sichern das Überleben seiner Sippe. Nun gibt es aber nur einen Erben, der zu einer anderen Sippe gehört. Die Bedeutung der wörtlichen Übersetzung, „das ist der Meschak-Sohn meines Hauses, das ist Damaskus Eliëser," Ist nicht ganz eindeutig. Klar ist jedoch, dass diese Person nicht als Teil der Familie gilt, sondern als Mitarbeiter Abrams von außen kommt. Daraufhin geschieht Gottes Wort und verspricht Abram ein leibliches Kind und eine Nachkommenschaft, die so zahlreich sein wird wie die Sterne am Himmel. Es lohnt sich, die ganze Geschichte bis zur Geburt von Isaak (Gen 21) zu lesen und zu staunen, was bis dorthin dann noch alles geschieht.
Folgende Stichworte sprechen mich an:
- Es ist Gottes Wort, das geschieht. Im hebräischen ist „Wort" nicht nur eine grammatische Form, sondern es ist ein Ereignis, das Realitäten verändert. Das Wort im hebräischen Sinne wird immer auch zur Tat.
- Es geht um das Überleben, die langfristige Zukunft, die über die eigene Lebenszeit und die eigene Generation weit hinausreicht. Dies beschreiben die ersten Bücher der Bibel für das von Gott erwählte Volk Israel. Man kann hier eine Predigt über die bleibende Erwählung Israels halten. In unserem Zusammenhang erinnert mich des Stichwort ‚Überleben' an die Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung. Diese muss nicht das Überleben der Sippe oder eines Volkes, sondern das Überleben der Menschheit im Blick haben. Dies verändert auch die Frage nach dem Erben. In einer globalisierten Welt ist es nicht so ganz wichtig, wer mein individueller Erbe ist. Vielmehr gilt die Frage, ob unsere Erde für die kommenden Generationen bewohnbar bleibt. Dies drückt sich in der alten Aussage der ökologischen Bewegung aus: „Wir haben diese Welt nur von den Kindern geerbt". Damit ist ja gemeint, dass die ganze Schöpfung nicht Besitz der Menschen ist, sondern ein Erbe, das in gutem Zustand weitergegeben werden soll. Wir wissen seit einigen Jahren, dass durch menschliche Eingriffe die Erde in ihrer Struktur unwiderruflich verändert, d.h. geschädigt, worden ist. Daher sprechen Geologen vom Anthropozän, einem neuen Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Die Parallele zur Geschichte von Abram kann daher nicht lauten, dass Gott schon für die Zukunft sorgen wird, und die Menschen alles weitermachen wie bisher. Für mich ist eine denkbare Parallele, dass sie - wie Abram – sich einordnen in Gottes guten Plan (mit der Schöpfung), sich selber weniger wichtig nehmen und weniger machen: weniger Anstrengung, weniger konsumieren, weniger wachsen, weniger konkurrieren.
- Wir sollten nicht das Geld, sondern die Sterne zählen. Die Sterne sind hier zunächst einmal ein Symbol für ganz, ganz Viele. Wir können die Vorstellung der Bibel gut teilen, wenn wir den Sternenhimmel beobachten. Wir wissen aber, dass es keine Lichter sind, die an einem Firmament aufgehängt sind, sondern dass es riesige Sonnen sind, deren Strahlen uns aus unglaublichen Entfernungen und mit einer unglaublichen Energie erreichen. Wir wissen, dass selbst diese Sonnensysteme endlich sind. Hier kommen wir an Grenzen unserer Vorstellungswelt. Dies macht uns dankbar und ehrfürchtig: Es ist ein Wunder, dass wir überhaupt leben.
Kath. Leseordnung (Niko Körber, Speyer)
Röm 14,7-9 - Aspekte mit Blick auf eine nachhaltige und klimagerechte Lebensweise
Am Ende des Römerbriefes steht das Zusammenleben der Gemeinde im Fokus. Diese war multikulturell aufgestellt und von Juden- und Heidenchristen geprägt. Aus diesen Prägungen heraus entwickelten sich Spannungen, die das alltägliche Leben betrafen. Im vierzehnten Kapitel geht es darum, ob man als Christ:in alles bedenkenlos essen kann, ohne sich schuldig zu machen. In erster Linie war diese Thematik auf das Opferfleisch von heidnischen Bräuchen bezogen: während die einen aus moralischen Gründen darauf verzichteten, hatten die anderen keine Bedenken und beriefen sich auf die Freiheit durch Christus. Paulus versucht Zusammenhalt und Identität zu stiften, indem er die Orientierung an Christus in den Mittelpunkt stellt und alle Gemeindemitglieder mahnt, auf das Ausfechten beinharter Streitigkeiten zu verzichten. Einander nicht zu richten, sei das Gebot der Stunde. Gott hätte den Bruder, die Schwester ja bereits angenommen (vgl. Röm 14,3) und „ob wir leben oder sterben, wir gehören dem Herrn (Röm 14,8)." Vor Christus müssen wir uns verantworten, nicht zuerst vor dem oder der anderen. Dabei soll jedoch im Mittelpunkt stehen, auf die anderen Gemeindemitglieder Rücksicht zu nehmen und bei ihnen (durch den Verzehr von Götzenopferfleisch) keinen Anstoß zu erregen.
Meiner Meinung nach ist die Stelle eine Steilvorlage, um Gründe und Hintergründe von Fleischkonsum zu thematisieren. Welche Gründe gab es in Rom für den Verzicht auf Fleisch, welche Gründe gibt es heute? Wurden Tiere in der Antike religiösen Göttern geopfert, welchen „Göttern" werden sie heute in Schlachthöfen und Massenbetrieben geopfert – Gewinnmaximierung, Effizienz und exquisiten Gaumenfreuden? Wie ist unser Verhältnis zu Tieren? Warum gibt es – zumindest in der katholischen Kirche – Segnungen von Haustieren und beim Pfarrfest Bratwurst und Schnitzel? Was bedeutet es, vor diesem Hintergrund, dass keiner von uns sich selbst lebt und keiner von uns sich selbst stirbt, sondern dass wir eingebunden sind in eine Gemeinschaft, deren Grund in Christus gelegt ist. Wie weit ist diese Gemeinschaft ausgedehnt auf die gesamte „Schöpfung, die befreit werden soll von der Sklaverei und Verlorenheit zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes (vgl. Röm 8,21)?"*
*Eine zeitgemäße christliche Tierethik findet sich im Buch von Kurt Remele unter dem Titel „Die Würde des Tieres ist unantastbar"
Matthäus 18, 21-35 - Aspekte mit Blick auf eine nachhaltige und klimagerechte Lebensweise
Schuld und Vergebung sind im Angesicht von Klimawandel und menschlicher Gewaltherrschaft zentrale Fragen, denen sich niemand entziehen kann, der oder die sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt. Jeder Mensch ist auf die eine oder andere Weise betroffen und die Geschichte des Klimawandels ist nicht zuletzt auch eine Geschichte der Ungerechtigkeit. Als deutliches Beispiel zeigt die Oxfamstatistik, dass die reichsten 10% der Erdbevölkerung für knapp 50% aller konsumbedingten Emissionen verantwortlich sind. Umgekehrt trägt die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung nur zu 10% dieser Emissionen bei.* Dabei leiden die Menschen, die am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen haben, schon heute am meisten unter den klimabedingten Veränderungen. Umgekehrt spüren die Menschen in den sogenannten entwickelten Industrieländern die Auswirkungen des Klimawandels bislang noch am moderatesten – abgesehen von lokalen Extremwetterereignissen – bzw. können sich am besten vor den Auswirkungen schützen. Nicht umsonst gibt es die Forderung nach Klimagerechtigkeit auf allen For-Future-Demos: „What do we want? Climate justice!"
Als Gesellschaften im „entwickelten" Norden sind wir in der Rolle des Knechtes, der seinem Herrn zehntausend Talente schuldig ist – eine unvorstellbar große und nicht zu begleichende Summe. Wir sind überfordert. Wir können das Mikroplastik in den Ozeanen nicht mehr einfangen, wir können die Treibhausgase nicht schnell genug reduzieren geschweige denn der Atmosphäre entziehen und wir können die unzähligen ausgestorbenen Arten nicht mehr wiederbeleben. Unsere Schuld ist eine gesellschaftliche Schuld. Sie hat sich durch die auf bedingungsloses Wachstum gegründete globale Wirtschaft in Strukturen verfestigt und ist uns buchstäblich über den Kopf gewachsen. Sie wird uns treffen und noch mehr unsere Kinder. Bei Matthäus hat der Knecht sein (freies) Lebensrecht verwirkt: „Der Herr befahl, den Knecht mit Frau und Kindern und allem, was er besaß, zu verkaufen und so die Schuld zu begleichen (18,25)." Auf das Flehen des Knechtes hin, wird ihm seine Schuld erlassen. Auch wir sollen und dürfen weiterhin leben, dürfen das Schöne im Leben genießen und dafür dankbar sein.
Und dann sollten wir von der Geschichte lernen und ihr mit Blick auf soziale Gerechtigkeit eine andere Wendung geben: wo sich der Knecht bei Matthäus hartherzig und undankbar zeigt, sollten wird uns erinnern und aus der Rolle des Knechtes aussteigen. Damit geht eine Verpflichtung einher: die finanzielle Überschuldung der Länder des Südens (zu der wir in erheblichem Maß beigetragen haben) sollten wir so schnell wie möglich beenden, denn die monetären Verbindlichkeiten, die von Staaten und Privatunternehmen gegenüber den Ländern des Südens eingefordert werden, erdrücken diese. Sie hindern die überschuldeten Staaten massiv an wirtschaftlicher Entwicklung und dem Aufbau stabiler politischer Systeme: „Die bisherigen Maßnahmen der G20 haben keine substanziellen Schuldenerlasse ermöglicht. In vielen Ländern kann der Schuldendienst daher nur auf Kosten öffentlicher Dienstleistungen aufrechterhalten werden."** Die Idee des globalen Schuldenerlasses liegt voll und ganz auf dieser Linie. Die Erzählung aus dem Matthäusevangelium regt an, sich dafür stark zu machen.
* https://www.oxfam.org/sites/www.oxfam.org/files/file_attachments/mb-extreme-carbon-inequality-021215-en.pdf
** Schuldenreport 2022, S.2. Mit vielen weiteren ausführlichen Hintergrundinformationen. Kostenlos als Download unter: unter: https://www.misereor.de/presse/pressemeldungen-misereor/schuldenreport-2022-ohne-schuldenerlasse-droht-kollaps