16. Sonntag nach Trinitatis / 25. Sonntag im Jahreskreis (24.09.23)

16. Sonntag nach Trinitatis / 25. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Hebr 10,35-36(37-38)39 Jes 55, 6-9 Phil 1, 20ad-24.27a Mt 20, 1-16a

Der Verfasser betrachtet die Texte der kath. Leseordnung. Der ev. Predigttext spricht in Sachen nachhaltiger Entwicklung in gewisser Weise für sich selbst: »Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt. ...« (Hebr 10,35-36)

Stellung im Kirchenjahr

Dieser Sonntag fällt in die „Ökumenische Zeit der Schöpfung". Sie wurde zu Anfang des Monats auf Bundes- und Landesebene eröffnet. Vielleicht wurde es durch Ihre regionale Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen (ACK) auch vor Ort bekannt gemacht.

Am Ende des Sommers kann dies eine letzte Gelegenheit sein, den Gottesdienst ins Grüne zu verlegen. Zumindest lässt sich die Schöpfung durch eine entsprechende Gestaltung des Gottesdienstraumes feiern. Machen Sie diesen Sonntag zum Schöpfungstag ihrer Gemeinde, bestenfalls natürlich in ökumenischer Gemeinschaft! Darüber heißt es in der Charta Oecumenica: „Im Glauben an die Liebe Gottes, des Schöpfers, erkennen wir dankbar das Geschenk der Schöpfung, den Wert und die Schönheit der Natur. Aber wir sehen mit Schrecken, dass die Güter der Erde ohne Rücksicht auf ihren Eigenwert, ohne Beachtung ihrer Begrenztheit und ohne Rücksicht auf das Wohl zukünftiger Generationen ausgebeutet werden. Wir empfehlen, einen ökumenischen Tag des Gebetes für die Bewahrung der Schöpfung in den europäischen Kirchen einzuführen."

Kath. Leseordnung

Jes 55, 6-9, Fragt nach Gott!

Die Frage nach Gott, was ist das eigentlich? Die Aufforderung, nach Gott zu fragen, ist hier sehr dringlich. Es scheint möglich, dass die Gelegenheit dafür nicht mehr besteht, weil Gott sich nicht finden lässt oder weil er zu weit weg ist.

Offenbar ist die Frage alles andere als theoretisch. Denn zugleich ergeht die Aufforderung, das eigene Verhalten zu ändern und eben genau dadurch die Nähe Gottes zu erfahren. Wenn Menschen nach Gott fragen, fragen Sie zumeist nach dem kleinen oder auch ganz großen Verlauf des Lebens und der Geschichte. Warum muss ich leiden? Was hat das Ganze für einen Sinn? Warum passiert so viel Schreckliches? Warum zerstören Menschen ihren Lebensraum? Warum werden Kriege geführt?

Der Prophet Jesaja stellt die Frage nach Gott in den Zusammenhang der Umkehr. Ohne Umkehr, ohne die alten Wege zu verlassen, ohne Unheil zu vermeiden, kann Gott nicht gefunden werden. Gott bleibt dann ein verborgener und ferner Gott.

Leider passt dieses Jesaja Wort auf unsere Zeit sehr genau. Beim Klimaschutz, zum Beispiel, wissen wir seit Jahrzehnten im Grunde genau, was zu tun ist, aber es wird nur halbherzig oder gar nicht getan. Dies kann sich aber ändern. Versagen und Schuld kann vergeben werden. Uns Menschen wird zugetraut, das Richtige zu tun. Und letztlich sind Gottes Pläne auch nicht ausrechenbar oder vorhersehbar. Was ist an ihnen so anders, so viel höher? Sie sind liebevoller, weiter blickend, auch unverständlich, etwas Größeres sehend, über unsere Zeithorizonte hinausdenkend. Aber das kann niemals ein Grund sein, das Notwendige nicht zu tun. Das ist eine völlig andere Kategorie als: es wird schon alles gut enden.

Phil 1, 20ad-24.27a, Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn

„Christus ist das Leben und Sterben bedeutet Gewinn". Wenn wir diesen Satz lesen, kommen wir ins Stocken. Hängt Paulus nicht, wie wir alle, am Leben? Hat er wirklich diesen sicheren Glauben, im Tod bei Christus zu sein? Allenfalls erscheint mir diese Aussage für einen glaubenden Menschen denkbar, der schwerstkrank mit großen Schmerzen leben muss.
Aber hier geht es nicht um mein bürgerliches Wohlstandsleben, hier geht es um gefährliche Arbeit in einer Verfolgungssituation. Die Verbreitung der guten Nachricht von Jesus Christus kann Paulus ins Gefängnis bringen oder sogar das Leben kosten.

Wenn er lebt, möchte er fruchtbare Arbeit leisten. Er möchte der Gemeinde in Philippi dienen. Er setzt sich mit seinem ganzen Leben für die Nachfolge Jesu ein. Auch heute kommen Christen in vielen Ländern durch ihr Engagement in Situationen, die sehr gefährlich sind. Ihnen, aber auch Menschen anderer Weltanschauung, die sich für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung einsetzen, muss unsere Solidarität, unser Gebet und unsere Unterstützung dienen.

Mt. 20, 1-16a, Die Letzten werden die Ersten sein und die Ersten die Letzten

Man stelle sich die Situation von Tagelöhnern vor. Morgens früh gehen sie zu einem vereinbarten Platz und werden dort angeheuert für die Arbeit im Weinberg. Die ersten werden mitgenommen, doch es gibt weiteren Bedarf an Arbeitskräften. Den ganzen Tag schickt der Herr des Weinbergs Arbeitskräfte, die nach und nach eintreffen, in den Weinberg. Die letzten kommen erst kurz vor Feierabend. Und dann bekommt jeder diesen einen vereinbarten Dinar als Lohn.

Was wir hier sehen, ist etwas völlig anderes als der Stundenlohn, der auf Produktivität und Leistung am Tag, in der Woche, im Monat bezogen ist. Das ist auch nicht das bedingungslose Grundeinkommen, denn alle haben gearbeitet. Es ist ein Lohn, der das Überleben der Tagelöhner und ihrer Familien ermöglicht. Warum manche erst später zum Treffpunkt gekommen sind, erfahren wir nicht. Vielleicht hatten sie am Vormittag notwendige Verpflichtungen. Vielleicht kamen sie von noch weiter her und konnten beim besten Willen nicht frühmorgens am Treffpunkt sein. Auch die, die in der Mittagshitze noch auf Arbeit hoffen, treibt nichts anderes, als einen kleinen Lohn für die Arbeit zu bekommen, um das Überleben ihrer Familien zu sichern.

Die völlig ungesicherte und würdelose Situation von Tagelöhner*innen gibt es immer noch. Ebenso auch alle Formen von ausbeuterischer Arbeit, sogar im reichen Europa. Wir lernen von Jesus: Mindestlohn und Grundsicherung sind die Basis einer sozialen Gesellschaft. Sie weltweit durchzusetzen ist eine Aufgabe, der sich Christen im biblischen Auftrag stellen müssen. Es ist gut, dass wir Beides in Deutschland haben. Sie müssen als unverzichtbare Pfeiler des Zusammenlebens weiter gestärkt werden.

In einer globalisierten Gesellschaft müssen wir aber über die Grenzen unseres Landes und Kontinents hinausdenken. Daher ist das Engagement der Kirchen für das Lieferkettengesetz besonders hervorzuheben. Hier geht es darum, dass die elementaren sozialen Standards auch in den Ländern eingehalten werden, die Waren für den globalen Markt produzieren. Das Lieferkettengesetz schafft die rechtliche Grundlage dafür, dass Unternehmen, die im Ausland Güter beschaffen, für Produktionsverfahren und Arbeitsbedingungen bei ihren Zulieferern Verantwortung übernehmen. Sie müssen Missstände zurückverfolgen und diese vermeiden oder abstellen. Bei Verstößen müssen sie mit Bußgeld oder Schadensersatzforderungen rechnen. Diese Gesetze sind ein wichtiger Baustein für eine gerechtere globale nachhaltige Entwicklung.

Stefan Weiß, Kassel