11. Sonntag nach Trinitatis / 20. Sonntag im Jahreskreis (20.08.23)

11. Sonntag nach Trinitatis / 20. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Lk 7,36-50 Jes 56, 1.6-7 Röm 11, 13-15.29-32 Mt 15, 21-28

Gedanken zur ev. Leseordnung - Lk 7,36-50 (Stefan Federbusch ofm)

Auch im Lukasevangelium geht es um Sündenvergebung, aber nicht auf der hierarchisch-strukturellen Ebene, sondern auf der personal-anthropologischen Ebene. Jesus verdeutlicht in der Geschichte der Salbung durch eine Sünderin den Zusammenhang zwischen Vergebung und Liebe. Wem wenig vergeben wird, der liebt auch wenig. Liebe setzt positive Vorerfahrungen voraus. Wer sich selbst angenommen weiß, hat es leichter, selbst andere anzunehmen. Wer sich wertgeschätzt weiß, dem fällt es leichter, anderen zu vergeben. Liebe hat immer Nachhaltigkeitscharakter, da sie stärkt und aufbaut. Jesus erfährt es hier am eigenen Leib; nicht durch Worte, sondern durch Gesten und Zeichen. Die Frau spricht kein Wort, sie weint, benetzt seine Füße mit Tränen, trocknet sie mit ihrem Haar und salbt sie. Zugleich stellt Jesus fest, dass ein hohes Maß an ausgeübter Liebe die eigenen Sünden vergibt. Es ist bezeichnend, dass sich die von Simon zu Tisch geladenen Pharisäer nicht mit der Frau befassen und ihre große Liebe würdigen, sondern an der „dogmatischen" Frage hängen, wer das denn sei, der da Sünden vergibt und ob das überhaupt sein dürfe. Insofern bildet das Evangelium der Salbung eine ideale Ergänzung zur Bevollmächtigung der Sündenvergebung. In der Frage, wie ein Amt auszuüben ist, ist am Handeln Jesu Maß zu nehmen, der den Menschen in den Mittelpunkt stellt und nicht dogmatische Auseinandersetzungen.

Gedanken zur kath. Leseordnung (Dr. Thomas Hürten)

Jes 56,1.6-7 – Das A und O der Nachhaltigkeit

  • Heil für alle
    Die Lesung dehnt die Heilserwartung auf alle aus, die Recht und Gerechtigkeit wahren. Nicht Fremdsein schließt vom Heil aus. Allein die Zugehörigkeit zum Herrn entscheidet, denn alles Heil kommt von ihm. Er hat das Heil aller im Sinn. Ökonomische und ökologische Zusammenhänge machen nicht Halt an den Grenzen eines Volkes.

  • Mit Gott rechnen
    Nachhaltig lebt, wer mit Gott rechnet und seine Rechnung nicht ohne ihn macht. Dieser Gedanke taucht bei Predigten relativ selten auf. Zu groß die Angst vor der Rede vom Gericht? Muss das, was zuletzt kommt und gilt, was endgültig ist, nicht auch die Gerechtigkeit und soziale Gestalt des Lebens bestimmen dürfen und damit das, was zuerst getan wird? Weil eben das in der Lage ist, die Dinge dann und schon jetzt zu richten? Und wenn der Grundsatz gilt, dass für eine rechte Praxis eine gute Theorie Voraussetzung ist (eine falsche kann kaum rechte Praxis begründen), dann ist die Schau (griechisch: theorein) der letzten Dinge eine gute Voraussetzung für die Überlegung, was zuerst gilt, das A und O des Weltbezugs.

  • Den Sabbat achten im Sinne von nach(-halten)
    Unter den konkreten Äußerungen der Zugehörigkeit zum Herrn, wird auch der eingehaltene Sabbat erwähnt. Der Sabbat ist die Respektsbezeugung vor der Schöpfung Gottes. Das Schaffen des Menschen und damit in gewisser Hinsicht auch sein Verbrauch an Ressourcen unterbricht sich, pausiert, hält inne. Wovon leben wir zuletzt? Wer ruft ins Dasein (noch aus dem Tode)? Wer erhält das Wachsen und Werden der Dinge? Der Sonntag ist jene Unterbrechung, die - eingeübt – eine nachhaltige Bindung an den bewirkt, dem wir uns verdanken. Nicht die quantitative Steigerung des Lebens in permanenter Aufführung meiner Selbstverwirklichung, sondern die qualitative Steigerung des Lebens durch den Rekurs auf seinen Schöpfer, entbindet jene kreativen Kräfte, die den Durst nach Leben in eine Richtung lenken, die nicht noch einmal von einem Freizeitverhalten geprägt ist, das die Schöpfung strapaziert. Ohne Muße auf Dauer keine Kreativität. Ohne Muße keine nachhaltige Erholung der Kräfte, nur ein Wechsel in der Abnutzung der Kräfte. Der Sonntag zollt - gefeiert – zudem der Tatsache Anerkennung, dass wir nicht allein aus eigenen Kräften und im Eigenentwurf leben, sondern uns verdanken. Sichtbares Zeichen (der Hingabe oder auch des Opferns): eine von 168 Stunden gehört Gottes Wort und der ausdrücklichen Communio mit ihm. Hier ist der Ort jene Perspektive auf das Ganze zu lenken, indem ich ein Teil bin, ein Teil der menschlichen Schicksalsgemeinschaft, der Schöpfung, des Volkes Gottes. Hier gilt es nachhaltige Durchblicke auf das gesamte Gefüge des Daseins und ethischer Verantwortung aufzunehmen.

Röm 11,13-15.29-32

  • Nachhaltig um uns besorgt
    „Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen, um sich aller zu erbarmen." Paulus trägt die unerschütterliche Perspektive Gottes vor im Hinblick auf die Sündhaftigkeit wie auch die Unterschiedlichkeit der Menschen in diesem Punkt. Demnach gibt es nur einen wirklichen Vorteil im Verhältnis zu Gott: den, den Gott schafft und von dem - von ihm her - niemand ausgeschlossen ist. Er will sich aller erbarmen. Darum gebührt uns untereinander nachdrückliche Geduld und nicht Herablassung.

  • Nachhaltig gelassen und entschieden
    Ein alter Mann, der viel von dem gesehen hatte, was ihm nicht gefiel, formulierte seine Hoffnung so: „Es kommt alles einmal in Ordnung. Vieles noch zu Zeiten, die ich erleben werde. Aber letztlich kommt alles in der Ewigkeit in Ordnung. Das hat ihm nachhaltig Kraft gegeben, Geduld und Nerven. Da war etwa von unerschütterlicher und darum so nachhaltiger Hoffnung in den Heilswillen Gottes. Da war etwas von altersweiser Geduld und Beharrlichkeit.

Mt 15,21-28

  • Nachhaltig ohne Zurückhaltung
    Nachhaltigkeit erscheint in dieser Perikope z.B. in Form der Nachdrücklichkeit, mit der diese Frau nach dem Heil sucht, obwohl sie eine Fremde ist. Sie lässt alle Zurückhaltung vermissen. Sie besteht in gewisser Hinsicht darauf, dass niemand von dem Heil ausgeschlossen ist, dass von Jesus ausgeht. Jesus ist beeindruckt. Solchem Glauben öffnet sich die Heilung.

  • Nachdrücklich auftreten!
    Ob in ihrem Geschrei nicht auch etwas von dem auftaucht, was sich in Demos äußert: Alle Zurückhaltung vermissender Nachdruck im Wunsch nach Veränderung. Ob es nicht darum geht, den Sinn derer zu bewegen, die entscheiden können, die Verantwortung erkennen sollen, die besondere Möglichkeiten in den Händen haben? Nachdrücklich auftreten!

  • Den Dämonen Gott ansagen, dem Ungeist Geist, der Resignation Glauben
    Unser Fortschritt hat seine Dämonen (zerstörerische Kräfte). Konsumismus, Neokapitalismus, Hedonismus, neuer Nationalismus, Neo-Kolonialismus, Narzissmus, Sexismus, Machismo, Egozentrik... wir sind nicht ohne Dämonen und manchen Ungeist in der Zeit unterwegs. Zur Nachhaltigkeit gehört die nachdrückliche Bitte und das nachdrückliche Auftreten.

  • Nicht gesund spielen
    Vielleicht zu banal: Aber die Rufe der Frau nach Heilung haben eine Voraussetzung: Sie spielt nicht gesund. Sie versteckt die Krankheit ihrer Tochter nicht. Der Weg zu nachhaltiger Veränderung gelingt nur, wenn wir aufhören, gesund zu spielen. Das ist manchmal der größte Schritt und im gesellschaftlichen Diskurs der größte Fortschritt: Wir sind nicht gesund. Machen wir uns nichts vor. Noch immer leugnen einige die Klimakrise ...