21. Sonntag nach Trinitatis / 30. Sonntag im Jahreskreis (29.10.23)

21. Sonntag nach Trinitatis / 30. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
1 Mose 13,1-12(13-18) Ex 22, 20-26 1 Thess 1, 5c-10 Mt 22, 34-40

Evangelischer Predigttext 1. Mose 13,1-12(13-18):

Abraham hatte einen großen Besitz. Es war mehr als genug zum Leben. Und als er Lot sah, verfiel Abraham nicht in Konkurrenzdenken: Er ĂŒberließ ihr Aufeinandertreffen nicht dem freien Markt des Wettbewerbs, bei dem sich nur einer durchsetzen kann und der andere in sklaverische AbhĂ€ngigkeitsstrukturen gerĂ€t. Die Logik unseres neoliberalen Wirtschaftens wird hier durchbrochen. Viel eher beschließt Abraham, dass es nicht zum Streit kommen soll, denn Verwandtschaft und NĂ€chstenliebe sind wichtiger. Abraham soll leben, Lot soll leben – fĂŒr alle Menschen auf dieser Erde soll ein gutes Leben möglich sein. Das geht nur, weil Abraham und Lot das Wachstumsdenken durchbrechen und Kriterien an den Tag legen, die ihr beiderseitiges Wohlergehen garantieren. Es ist wichtiger, dass beide leben können – eine solidarische Ökonomie entsteht, die beide in blĂŒhende Landschaften fĂŒhrt. Nachhaltigkeit hĂ€ngt mit Gerechtigkeit fĂŒr alle Menschen zusammen.

Was können wir tun, um den radikalen Wettbewerb und unsere bisherige Wirtschaftsweise zu transformieren, die so viele Verlierer zurĂŒcklĂ€sst?

1. katholische Lesung – 2. Mose 22,20-26

Armut ist global. Der Reichtum der wenigen baut sich auf der Armut der vielen auf. Postkoloniale AbhĂ€ngigkeitsstrukturen wĂŒten weiter. Die wichtigen ZugĂ€nge zu den Kobaltminen etwa sind schon lĂ€ngst an amerikanische, europĂ€ische und deutsche Interessen fĂŒr die neue E-Auto-Revolution verkauft – die Minenarbeiter leiden an gesundheitlichen SchĂ€den und bekommen ein viel zu geringes Gehalt. Doch auch Armut in Deutschland nimmt zu. Der Armutsforscher Christoph Butterwegge spricht von einer wachsenden Ungleichheit und Prekarisierung in Deutschland. Und mittendrin steht dieser Text aus dem Exodusbuch. Gottes Reich umfasst eine Gesellschaftsordnung, die auf Gleichheit und Freiheit aller Menschen aus ist. In dieser Ausrichtung bedeutet christliche Nachfolge, aufzustehen und als Mitarbeiter am Reich Gottes mitzuwirken. Witwen, Waisen, GeflĂŒchtete, Hartz 4-EmpfĂ€nger, AuslĂ€nder und Menschen am Rand der Gesellschaft – die Gerechtigkeit Gottes ist parteiisch. Es gilt, GegenkrĂ€fte zu bekĂ€mpfen. Zinseszins, Wuchern, Auspressen von Mensch und Natur – neoliberale Eskalationen, die nur eine Deregulierung des Marktes und Privatisierung aller Lebensbereiche zulassen, sollen heilsam verĂ€ndert werden.

2. katholische Lesung – 1. Thess 1,5c-10

Wir brauchen Vorbilder. Sie geben uns Orientierung. Vor allem zeigen sie uns, dass es sich lohnt, sich fĂŒr „die gute Sache", fĂŒr das Reich Gottes einzusetzen. Die katholische Kirche hat die zahlreichen Heiligen, einen Oscar Romero oder eine Mutter Theresa. Auch die Protestanten halten Gallionsfiguren hoch, auf die sie gerne blicken: einen Dietrich Bonhoeffer oder eine Dorothee Sölle – alles Personen, die zeigen: es geht anders, unsere Welt kann anders sein, Gottes heilsame Befreiung beginnt jetzt in unserem Zusammenleben. Und auch Paulus war so ein Vorbild fĂŒr die Gemeinde der Thessalonicher. Er war ein Mann, der die frohe Botschaft verkĂŒndigte. Er sprach von einer neuen Gemeinschaft in Christus, in der alle Klassengrenzen und Ethnienunterschiede aufgehoben sind (Gal 3,28). Und er nahm Leid und Verfolgung fĂŒr diese Botschaft auf sich (1. Thess 2,13-16). Die Gemeinde folgte dieser Befreiungsbewegung, die Paulus lebte. Sie wurde selbst zu einem Vorbild fĂŒr andere Menschen. Sie hat sich den zahlreichen Götzen widersetzt, die diese Gemeinschaft in Christus zerstören. Auch heute gibt es diese Götzen, die gar unser Weiter- und Überleben auf der Erde gefĂ€hrden. Was brauchen wir, damit wir Vorbilder werden können und so im Warten auf Christus fĂŒr diese Welt leuchten?

Evangelium Mt 22,34-40:

Was ist das höchste Gebot? Was ist der Nukleus christlicher Nachfolge im Hier und Jetzt? Es sind drei Aspekte: Die Gottesliebe: Gott steht fĂŒr eine umfassende UmwĂ€lzungsbewegung. Er spricht die Menschen an, er rĂŒhrt ihr Herz an und verspricht ihnen ein Reich Gottes, „wie im Himmel so auf Erden." Da Gottes Liebe nicht zwingen kann, ist sie ohnmĂ€chtig und hofft auf das EinverstĂ€ndnis, auf die Nachfolge des Menschen (Dietrich Bonhoeffer; Marie Veit). Gott zu lieben, bedeutet sich von seiner Liebe anrĂŒhren zu lassen, sich aktivieren zu lassen fĂŒr Gottes Gerechtigkeit. Damit kommen wir zum zweiten Aspekt: Gott zu lieben hat immer eine „Richtung und Linie" (Karl Barth). So wie das Reich Gottes eine Befreiung des Menschen in all seinen unterschiedlichen (auch ökologischen und ökonomischen) Dimensionen des menschlichen Lebens meint, so hat der Mensch dem zu entsprechen. Die UnterstĂŒtzung des Menschen in seiner Entfaltung, die Hilfe zur Selbsthilfe, Empowerment, die FĂŒrsorge der Armen und GeĂ€chteten, die Liebe fĂŒr die gesamte Schöpfung – kurzum: die NĂ€chstenliebe bildet die zweite Seite der Medaille der Gottesliebe. Sie darf aber nicht dazu fĂŒhren, dass wir uns bei all den Herausforderungen und Aufgaben aufreiben (Klimakataststrophe, Krieg, nationaler Rechtsruck, Götzendienst an neoliberalen Ausuferungen). DafĂŒr steht der dritte Aspekt, die Selbstliebe. Nur wenn wir gesund und frisch ans Werk gehen, können wir tatsĂ€chlich lieben. SelbstfĂŒrsorge ermöglich SolidaritĂ€t mit den Kaputten in unserer Welt.

Dr. Tobias Foß, Hohenthurm bei Halle (Saale)

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