15. Sonntag nach Trinitatis / 23. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Lk 17, 5-6 | Weish 9, 13-19 | Phlm 9b-10.12-17 | Lk 14, 25-33 |
Spruch der Woche: Alle eure Sorge werfet auf ihn, denn er sorget für euch (1. Petr. 5,7)
Die Texte des Sonntags in der evang. Ordnung stehen alle in dem gleichen Zusammenhang: Gott selbst ist es, der für seine Welt sorgt. Er hat sie geschaffen so wie das Leben in ihr. Er selbst will sie auch erhalten. Sein Weg in die Zukunft ist der Weg in die Zukunft der Welt und der Menschen.
Menschliches Sorgen steht immer in diesem Zusammenhang: Nachhaltigkeit liegt nicht an uns allein! Auch die Texte der katholischen Lesungen nehmen dieses Thema teilweise auf, besonders gilt dies für den Text aus dem Buch der Weisheit.
Die Sorge um den Weg in die Zukunft ist ein prägendes Thema für diesen Sonntag. Dabei geht es um das rechte Verhältnis zwischen menschlicher Sorge und göttlicher Fürsorge. Zukunft ist dabei im Zusammenhang von Nachhaltigkeit zu verstehen als die Möglichkeit von Frieden und Gerechtigkeit in Gottes Schöpfung.
Überschattet er wird der Sonntag wie jedes Jahr wieder von der Erinnerung an die Ereignisse des 11. September 2001.
Luk 17,5-6 – Predigt-Vorschlag:
Zwei Momente bestimmen unseren Predigttext: Die Macht der Worte und die Widersinnigkeit von Bildern. Das verbindet diese alten Worte aus dem Lukasevangelium mit dem, dessen wir in dieser Woche wieder an den Bildschirmen und in den Zeitungen erinnert werden. Noch immer steht die westliche Staatenwelt unter dem Eindruck der Terroranschläge von New York und Washington. Ich verzichte auch auf eine politische Analyse; ebenso wenig ist es heute meine Aufgabe, einen Kommentar dazu abzugeben.
Aber mit zunehmendem Abstand wird immer klarer: Bilder wirken auf unser Leben ein, starke Worte können mächtig sein.
Auf diesem Hintergrund mögen wir mit zwiespältigen Gefühlen das Wort Jesu hören: „ ...dann könntet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und versetze dich ins Meer!"
Da genügen wenige Worte einiger irregeleiteter extremistischer und verbrecherischer Anführer, die unter unzulässiger Berufung auf den Islam zum Tausendfachen Mord aufrufen und dabei die vielen Millionen Moslems, die einfach ihren Glauben leben wollen, in ein schlechtes Licht rücken lassen.
Da genügen wenige Worte, um aus der gebotenen Auseinandersetzung mit einem Terroranschlag, so schrecklich er gewesen sein mag, einen „Feldzug", einen „Kreuzzug" oder gar einen „Neuen Krieg" zu machen – die Macht der Worte. Sie schüren Angst, Befremden, Entfremden, schaffen Distanz. Der Umgang mit der für die meisten Deutschen unbekannten Religion des Islam, die vielen Moslems, die auch in einer mittelgroßen Stadt wie Erlangen im Alltagsleben zwar präsent, uns aber dennoch fremd sind, der Umgang mit ihnen fällt uns dadurch nicht leichter: Treffen da mit den beiden Religionen unvereinbar nicht auch zwei einander entgegen gesetzte Kulturen aufeinander? Wie soll das gut gehen? Stehen sich nicht sogar selbst starke Worte zweier unterschiedlicher Religionsstifter unversöhnlich gegenüber: auf der einen Seite das Wort des Juden Jesus, auf der anderen Seite das des Mohammed aus Arabien?
Was ist gemeint, wenn die Jünger auf Jesus zugehen und ihn um einen stärkeren Glauben bitten?
Wir sollten allerdings nicht ausschließlich im Gedanken nach den Vereinigten Staaten blicken.
Manche von uns mögen schon länger schwer an einem persönlichen Leiden tragen oder gar erst kürzlich davon getroffen worden sein. Ist die Antwort Jesu nicht so widersinnig, so absurd, dass sie uns kaum zum Trost, geschweige zur Stärkung des Glaubens gereichen kann?
Wer von uns hätte einerseits das Selbstvertrauen in seinen eigenen Glauben, mit einer derartigen Macht unserer Worte zu rechnen? Wer hat sich nicht schon andererseits insgeheim gewünscht, die eine oder andere Schwierigkeit, durch ein Machtwort zu beseitigen, und dabei das ungute Gefühl gehabt, dies sei ein denkbar unchristlicher Wunsch?
Es fällt uns nicht leichter, diese Worte, wie sie der Evangelist Lukas überliefert hat, recht zu verstehen, wenn wir vernehmen, dass diese wenigen Sätze geschichtlich gesehen zu den Worten des Neuen Testaments gehören, die von den Bibelauslegern zu dem ganz sicheren Kernbestand der überlieferten Worte Jesu gezählt werden.
Und trotzdem: Nehmen wir uns die Zeit, noch einmal auf den heutigen Predigttext zu hören und treten wir einen Schritt zurück.
Es geht in diesen wenigen Sätzen Jesu vor allem und in erster Linie um Jüngerschaft. Diese ist in diesen aufgeregten Zeiten mehr als zuvor angesagt und mehr als anderes geboten. Um Jüngerschaft geht es deswegen, weil es die Apostel Jesu sind, die an ihren Herrn herantreten. Somit ist ein Verhältnis vorausgesetzt, das das Lukasevangelium auch mit Glauben umschreiben kann. Damit ist an dieser Stelle weniger der sachliche Inhalt der Glaubensbotschaft gemeint, als vielmehr eine lebenslange, nachhaltige Beziehung, in welcher Menschen zu ihrem Herrn stehen. Diese wird beleuchtet, wenn der Evangelist die Apostel bitten lässt: „Gib uns (mehr) Glauben". Es zeichnet die Jüngerschaft aus, dass sie nichts, ist, was wir selbst machen oder erreichen könnten. Anders formuliert: Jüngerschaft ist eine Gabe, um die immer wieder neu gebeten sein will. In jeder Lebenslage, ob wir fröhlich oder traurig sein mögen. Jüngerschaft ist eine Gabe, die vom Herrn gegeben lassen sein will und somit eigentlich eine Lebenshaltung umschreibt.
Jesus befreit uns aus den Sorgen des Unglaubens, seien sie persönlicher Natur oder mögen sie Völker und Nationen betreffen; er öffnet uns die Augen und führt uns einem neuen Verständnis zu:
Jedes Messen, jeder Versuch, den christlichen Glauben ins Maß zu setzen, ist widersinnig. Dem christlichen Glauben geht es nicht um ein Mehr, um ein Kleiner und Größer, um einen Glaubenswettkampf, bei der nur der eine die anderen Mitkämpfer besiegt. In ein solches Konkurrenzverhältnis treten zu wollen, darüber hinaus auch gegenüber anderen Religionen, hieße den christlichen Glauben zu verraten. Es hieße aus der Beziehung herauszutreten, von der die Apostel geprägt sind und bei der an erster Stelle der Wille des Herrn und Heilands steht.
Deshalb benutzte Jesus ganz absichtlich ein in der Tat widersinniges Bild: Jeder Zeitgenosse Jesu wusste, was mit diesem Baum gemeint war. Der große Maulbeerfeigenbaum, der nur dem Namen nach mit dem Feigenbaum verwandt ist, wurde vor allem wegen des guten Bauholzes angepflanzt und galt als besonders fest und tief verwurzelt. Jeder wusste auch, dass das Senfkorn zu den kleinsten Samen der Pflanzenwelt gezählt wird. Auf der einen Seite also ein ganz geringer Glaube, nicht größer als ein kleines Senfkorn, auf der anderen Seite ein mächtiger Baum, dessen tief reichende Wurzeln sich auf ein Wort hin lösen, damit er ins Meer geworfen werden kann.
Mit diesem absurden, widersinnigen Bild verlangt Jesus nicht das Unmögliche, sondern das Wesentliche:
Denke nicht, es liegt an deinem Glauben allein, dass der Weg in die Zukunft führt!
Ein sich selbst zu wichtig nehmender Groß-Glaube kann zerstörerische Wirkung haben, wie die entsetzlichen Anschläge des 11. September zeigen. Dieser falsch verstandene Glaube, der davon ausgeht, alles selbst in die Hand nehmen zu müssen, kann den Weg in die Zukunft vieler Menschen verbauen.
Umgekehrt kann aber auch der Kleinglaube zerstörerische Wirkung haben. Indem er die Meinung vertritt, dass sowieso alles viel zu groß und zu schwierig ist, unterminiert er den Weg in die Zukunft, lässt Menschen ins Straucheln kommen anstatt darauf zu vertrauen: Nimm deinen Glauben ernst, so klein er erscheinen mag und handle demnach in Klugheit und Voraussicht, glaube aber auch, dass es allein in Gottes Macht steht, dass der Weg in die Zukunft gelingt. Auch wenn du keine Bäume ausreißen und Berge versetzen wirst, du kannst zusehen, dass der Weg für dich und andere gangbar bleibt. Sorge mit deinen kleinen Schritten für die Zukunft der Welt, wisse aber dass sie in Gottes Hand steht. Gib also der Zukunft Gottes eine Chance!
Weisheit 9:
Der Abschnitt weist darauf hin, dass alles Denken und Planen der Menschen unsicher und hinfällig ist. Auch diejenigen, die all ihre Anstrengungen darauf richten, die Welt zu erhalten, müssen sich sagen lassen, dass ihr Planen nicht ohne den Plan Gottes geschieht. Gottes Plan und Wille für seine Welt aber ist letztlich unergründlich. Verlassen dürfen wir uns auf die Aussagen der Schrift, die uns Gottes Fürsorge zusagen und uns in die Verantwortung stellen. Das ja, aber es wird letztlich nicht an uns liegen! Denn: Wir erraten kaum, was auf der Erde vorgeht (v. 16) – immer noch sind die ökologischen und physikalischen Zusammenhänge trotz aller Wissenschaftlichen Erforschung komplexer als wir es je erahnen werden. "Wir finden nur mit Mühe, was auf der Hand liegt" – das kann als klares Wort gegen die Überheblichkeit der Wissenschaft gelesen werden, die zur Zeit der Entstehung dieser Gedanken sich mit der Entdeckung des ‚Gottes-Teilchens' im CERN Forschungszentrum brüstet. Die Errettung und die Wege der Welt, so die Worte der Weisheit, liegen alleine in Gottes Plan!
Phlm:
... hat auf den ersten Blick keinen Bezug zum Thema Nachhaltigkeit. Wenn ‚Nachhaltigkeit' aber weiter gefasst wird und sich auch auf die Verlässlichkeit menschlicher Beziehungen und den herrschaftsfreien Umgang von Menschen mit einander beziehen kann, dann hat der Phlm Brief bzw. durch ihn der Apostel Paulus doch einiges weiterzugeben. Mit den geschickten Formulierungen des Briefes will Paulus ja den Empfänger, Philemon, dazu bewegen, seinen entlaufenen Sklaven Onesimus, der von Paulus zum Christentum bekehrt wurde, nicht nur nicht zu bestrafen, und ihn wieder aufzunehmen, sondern ja sogar ihn dem Paulus wieder als Gehilfen zur Verfügung zustellen. Das aber bedeutet nichts anderes als eine Umkehr der damaligen Herrschaftsstrukturen, weil damit bestehende rechtliche und soziale Verhältnisse geändert werden: Ein Sklave wird zum freien Mitarbeiter des gefangenen Apostels! Interessant im Blick auf den Apostel ist, wie schon von Vielhauer treffend formuliert: „Der Phlm zeigt eine Eigenschaft des Apostels, die man nach seinen übrigen Briefen nicht erwartete hätte: Charme" (S. 173). Ob uns in der Nachhaltigkeitsdiskussion nicht auch ein gewisser Charme gut anstehen würde?
Lk 14:
... ruft auf zur ‚Nachhaltigkeit' in der Nachfolge Jesu. Nur wer seine Nachfolge konsequent lebt, befindet sich wirklich auf den Spuren Jesu. Wie viel ist genug? Die Antwort hier ist eher erschreckend. Nichts weniger als alles! Alles zurücklassen, Verzicht auf eine Familie und auf Besitz, das Lossagen von allem, was mein ist. Wer kann das leisten? Ist das nicht widersinnig? Der Vergleich mit dem Turmbau und der Kriegführung des Königs führt zurück auf nachvollziehbare, vernünftige Überlegungen: Wer große Pläne hat, muss zuvor gut überlegen, ob ihm auch ausreichende Mittel zur Verfügung stehen. Unternehmungen, die auf halber Strecke abgebrochen werden müssen bzw. die sich bei einigem Nachdenken als unrealistisch und selbstzerstörerisch erweisen, sollten gar nicht erst unternommen werden. Der Weg der Menschheit in die Zukunft jedoch gleicht einem Turmbau, der nach der ersten Grundlegung aufgegeben werden muss, z.B. im Blick auf den Umgang mit Energieträgern, mit Grund und Boden, mit Lebensmitteln. Von Nachhaltigkeit in de hier geforderten Radikalität kann keine Rede sein. Dieser Weg ist kein Weg in der Nachfolge, sondern in der permanenten Abkehr.
Dr. Ulrike Schorn, Gutenstetten
Die Chance der Bärenraupe über die Straße zu kommen
von Rudolf Otto Wiemer
Keine Chance. Sechs Meter Asphalt.
Zwanzig Autos in einer Minute.
Fünf Laster. Ein Schlepper. Ein Pferdefuhrwerk.
Die Bärenraupe weiß nichts von Autos.
Sie weiß nicht, wie breit der Asphalt ist.
Weiß nichts von Fußgängern, Radfahrern, Mopeds.
Die Bärenraupe weiß nur, dass jenseits
Grün wächst. Herrliches Grün, vermutlich fressbar.
Sie hat Lust auf Grün. Man müsste hinüber.
Keine Chance. Sechs Meter Asphalt.
Sie geht los. Geht los auf Stummelfüßen.
Zwanzig Autos in einer Minute.
Geht los ohne Hast. Ohne Furcht. Ohne Taktik.
Fünf Laster. Ein Schlepper. Ein Pferdefuhrwerk.
Geht los und geht und geht und
geht und kommt an.