Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr / 32. Sonntag im Jahreskreis (12.11.23)

Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr / 32. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Röm 8,18-25 Weish 6, 12-16 1 Thess 4, 13-18 Mt 25, 1-13

Röm 8,18-25:

Bereits seit vielen Jahren – und viel zu lange schon - erleben wir in dramatischer Weise, wie sehr die Schöpfung der „Sklaverei und Verlorenheit" des Menschen unterworfen ist, wie sie auf ihre „Er-Lösung" wartet aus dem, was sie ausbeutet und sterben lĂ€sst. So nehmen wir bspw. hin, dass tĂ€glich ĂŒber 1.500 Pflanzen- und Tierarten unwiederbringlich verloren gehen, weil sie aufgrund der ungĂŒnstigen bzw. fehlenden Lebensgrundlage aussterben, dass Millionen Menschen weltweit auf der Flucht sind, weil ihnen aufgrund des durch den Menschen verursachten Klimawandels die bisherige Lebensgrundlage genommen wurde: durch DĂŒrre und Hunger, kriegerische Auseinandersetzungen um Wasser und Land. Hören wir aufs Neue den „Schrei des Planeten", wie er auf diesem „Hustavle" (norweg. f. „Haustafel" oder auch „Hausordnung") wĂ€hrend der 12. Vollversammlung der Konferenz EuropĂ€ischer Kirchen in Trondheim bereits vor genau 20 (!) Jahren formuliert wurde:

„Der Schrei eines verwundeten Planeten

Töchter und Söhne der Erde,
die ihr wisst, was gut und böse ist:
Das Leben ist in Gefahr! KĂŒmmert euch darum!

ENTDECKT DIE GANZHEIT
Die Erde ist ein Gewebe ohne NĂ€hte.
Niemand hat das Recht, es in StĂŒcke zu reißen.

SPÜRT DIE HEILIGKEIT
Ein heiliger Duft schwebt ĂŒber allem, was ist.
Das Leben soll geschĂ€tzt, beschĂŒtzt und geliebt werden.

ERFREUT EUCH AN DER SCHÖNHEIT
Der Schöpfung gehört ihr eigener Reichtum. Nichts ist nur Rohstoff.
Die Gaben der Erde sollen hingebungsvoll und dankbar behandelt werden.

ACHTET DEN ZUSAMMENHANG
Euer Leben ist verwoben mit dem Muster alles Lebens auf der Erde.
Alles, was ihr habt, ist euch zu treuen HĂ€nden gegeben.
Ihr sollt alles denen ĂŒbergeben, die nach euch kommen.

KÄMPFT FÜR GERECHTIGKEIT
Mutter Erde hat genug, um die BedĂŒrfnisse aller zu erfĂŒllen, aber nicht, um ihre Habgier zu befriedigen.
Die Kluft zwischen Arm und Reich ist Missachtung der MenschenwĂŒrde.

LEBT VERSÖHNUNG
Söhne und Töchter der Erde,
die ihr die Macht habt, ihr Gewebe zu zerstören:
Ihr seid berufen zu einem Leben der Versöhnung."
(in: European Christian Environmental Network (ECEN), Umweltmanagement in den Kirchen Europas / Auf dem Weg der Dritten EuropĂ€ischen Ökumenischen Versammlung 2006/2007)

Wenn wir uns aufs Neue von diesem „Aufschrei" berĂŒhren lassen, werden wir unsere Denkweise und unser Verhalten verĂ€ndern.

 

Weisheit 6, 12-16:

Das Wort „Weisheit" bezeichnet die göttliche Wahrheit, die in jedem Menschen aufleuchtet und den Menschen innerlich bewegt. Als Geschöpfe Gottes sind wir alle mit dieser Weisheit beschenkt und „heraus-gefordert", uns von ihr leiten zu lassen. Faszinierend, wie die Heilige Schrift sie uns beschreibt, wenn sie davon erzĂ€hlt, dass sie sich finden lĂ€sst, wenn wir uns nach ihr sehnen und uns auf den Weg machen, sie zu suchen, - ja, „sie geht (sogar) selbst umher, um die suchen, die ihrer wĂŒrdig sind... (V. 16a).
Wenn es uns gelingt, beim Blick auf unsere bedrohte Schöpfung uns von ihr berĂŒhren zu lassen, wird sie uns Wege zeigen, wie wir jede:r fĂŒr sich und gemeinsam mit vielen „von Gottes Weisheit Bewegten" an vielen Orten dieser Welt zur dringend not-wendigen (im ursprĂŒngl. Sinn des Wortes!) VerĂ€nderung unserer Lebenswirklichkeit beitragen können. An zahlreichen Orten gibt es anfanghaft diese VerĂ€nderung des Denkens, das zu einer VerĂ€nderung des eigenen Verhaltens fĂŒhrt. Wangari Maathai, einer der populĂ€rsten Politiker Kenias unserer Zeit, hat es mit folg. Worten formuliert:

"Im Laufe der Geschichte kommt immer wieder eine Zeit, in der die Menschheit aufgerufen ist, auf eine neue Bewusstseinsebene zu wechseln und eine höhere moralische Ebene zu erreichen. Eine Zeit, in der wir unsere Angst ablegen und uns gegenseitig Hoffnung geben mĂŒssen. Diese Zeit ist jetzt."

Lassen wir uns HEUTE von Gottes Weisheit bewegen, die uns in eine „neue Zeit" fĂŒhren will...

1 Thess 4, 13-18:

Diese Verse aus dem Brief des Apostels Paulus und seinen beiden Freunden Silvanus und Timotheus an die Gemeinde von Thessalonich wird uns eine Verheißung beschrieben, die das Leben nach dem Tod betrifft: „Leben in FĂŒlle" dĂŒrfen alle erwarten, die uns im Tod bereits vorausgegangen sind -ebenso wie jene, die noch leben und auf die innige Gemeinschaft mit Jesus Christus warten. Das ist die Hoffnung, die uns als Christen erfĂŒllen will und uns helfen kann, gelassen unseren eigenen Weg zu gehen – auch in der Erfahrung des Leids und des Todes in seinen kleineren und grĂ¶ĂŸeren AusprĂ€gungen in dieser Welt: Wir dĂŒrfen darauf vertrauen, dass wir in Christus Jesus Erlösung finden werden, der uns neu aufrichten und neues Leben schenken will. Ein Trost, der uns in unserem jetzigen Leben bereits stĂ€rkt und unser Herz erfĂŒllen kann.

Es ist eine starke Hoffnung, die uns tragen kann durch alle Krisen und Ängste dieser Welt – und die uns „beflĂŒgeln" kann, weil es eine Hoffnung ist, die andauert und „nach-haltig" ist.

Mt 25, 1-13:

„Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde! Heute wird getan oder auch vertan worauf es ankommt, wenn ER kommt", so heißt es in einem unserer sog. Neuen Geistl. Lieder. Ein lauter Schrei, der die Ankunft des BrĂ€utigams verkĂŒndet, weckt die MĂ€dchen aus dem Schlaf. „Siehe, der BrĂ€utigam!" mit ausgelassenem Verb unterstreicht die Plötzlich- und Dringlichkeit, JETZT bereit zu sein, wach-sam zu sein fĂŒr das, was keinen Aufschub mehr duldet. „Weck die tote Christenheit aus dem Schlaf der Sicherheit", formuliert ein Ă€lteres Kirchenlied die „Not-Wendig-keit", die nur durch kritisches Hinterfragen unseres alltĂ€glichen Tuns auf allen Ebenen unseres Zusammenlebens - individuell wie strukturell - und der Konsequenz massiver VerĂ€nderungen und dem kritischen Hinterfragen unseres alltĂ€glichen Tuns erreicht werden kann. Angesichts der dramatischen Entwicklung hinsichtlich unserer Erde sind wir aufgerufen, alles daran zu setzen, noch zu retten, was zu retten ist. Zu lange haben wir die Zeit verstreichen lassen mit Beschwichtigungen wie „so schlimm wird es schon nicht kommen" und „irgendwie wird es weiter gehen"! Doch die Ressourcen unserer Erde sind – wie das Öl in den Lampen der Jungfrauen – begrenzt und schon jetzt bereits in der ersten HĂ€lfte eines Jahres „aufgebraucht", sodass aller weiterer Verbrauch bereits den zukĂŒnftigen Generationen ihre VorrĂ€te nimmt bzw. die Rahmenbedingungen dauerhaft dramatisch verĂ€ndert.

Lassen wir uns aufrĂŒtteln vom prophetisch-inspirierten Schrei, dass wir letztlich nicht vergeblich gewartet haben und schließlich alles „Öl der Lebensgrundlage" verschwendet worden ist, weil die Gier der Menschen grĂ¶ĂŸer war als die Bereitschaft zur VerĂ€nderung und zum Teilen, damit es fĂŒr alle reicht.

Norbert Nichell, Mainz

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