22. Sonntag nach Trinitatis / 31. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
1 Joh 2,12-14 | Mal 1, 14b - 2, 2b.8-10 | 1 Thess 2, 7b-9.13 | Mt 23, 1-12 |
Zum Sonntag
Mit dem Ende des Kirchenjahres rückt das Erinnern in den Fokus: Der 22. Sonntag nach Trinitatis ist der letzte seiner Art und beschließt die Trinitatiszeit. In der katholischen Kirche wird in der Woche zuvor an Allerheiligen und Allerseelen der Heilligen und Verstorbenen gedacht. Wenige Tage später erinnert der 9. November an die fürchterlichen Ereignisse der Reichpogromnacht 1938 und an den Fall der Berliner Mauer 1989. In der evangelischen Kirche wird einige Wochen später am Ewigkeitssonntag in den Gemeinden an die Verstorbenen gedacht. Die Texte des Sonntags erinnern an die Verantwortung der Menschen füreinander und gegenüber ihrer Umwelt.
1 Joh 2,12-14
In diesen Versen des 1. Johannesbriefes werden die Adressierten als Familienmitglieder angesprochen. Sie werden daran erinnert, dass sie in einem sozialen System leben, in dem alle voneinander abhängig sind: Eltern und Kinder, Alte und Junge, Väter und junge Männer. Wenn eine Generation oder soziale Gruppe etwas tut, hat das Auswirkungen auf die anderen. Deshalb ist es wichtig, dass sich alle bei ihrem Tun und bei allen Entscheidungen gegenseitig im Blick haben. Zentrales Gebot ist deshalb die Geschwisterliebe: „Nur wer seine Glaubensgeschwister liebt, lebt wirklich im Licht. Und im Licht gibt es nichts, wodurch jemand zu Fall kommen könnte." (1 Joh 2,10 – Gute Nachricht Bibel)
Mal 1,14b-2,2b.8-10
Vor allem der letzte Vers eröffnet eine nachhaltige Perspektive auf den Text: „Haben wir nicht alle denselben Vater? Hat nicht der eine Gott uns alle geschaffen? Warum handeln wir dann treulos aneinander und entweihen so den Bund, den Gott mit unseren Vorfahren geschlossen hat?" (Mal 2,10 – Gute Nachricht Bibel) „Alle" kann hier klassisch anthropozentrisch verstanden werden oder weitergedacht den Menschen in den Kontext der gesamten Schöpfung stellen. Tiere, Pflanzen und alles, was Gott geschaffen hat, sind auch Teil der Schöpfung. Damit bezieht sich die als rhetorische Frage formulierte Mahnung, nicht treulos aneinander zu handeln, nicht nur auf das Handeln an anderen Menschen, sondern auch auf alles andere Geschaffene. Der Mensch ist Teil der Schöpfung und es steht ihm nicht zu, sich über die Schöpfungsordnung zu erheben und sie zu zerstören. Tut er es doch, hat das harte Konsequenzen: er entweiht damit den Bund, den Gott mit seinen Vorfahren geschlossen hat.
1 Thess 2,7b-9.13
Paulus knüpft hier an die Erinnerung der Mission in Thessalonich an. Er sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, die Verkündigung des Evangeliums nur aus Eigennutz zu betreiben. Dagegen präsentiert er sich als gutes Beispiel. Er sieht sein Verhältnis zu den Thessalonichern wie das einer stillenden Mutter zu ihren Kindern: voller Liebe und Hingabe, mit der Bereitschaft, sogar sein eigenes Leben für das Wohlergehen der anderen zu opfern. Dabei möchte er niemandem zur Last fallen: „Ihr erinnert euch doch, Brüder und Schwestern, dass ich keine Mühe gescheut habe. Während ich euch Gottes Gute Nachricht verkündete, habe ich Tag und Nacht für meinen Lebensunterhalt gearbeitet, um niemand von euch zur Last zu fallen." (1 Thess 2,9 – Gute Nachricht Bibel) Hier zeigt sich der nachhaltige Aspekt seines Wirkens: Indem Paulus sich seinen Lebensunterhalt nicht bezahlen lässt und etwa auf Kosten einiger Gemeindeglieder lebt, hat er dafür gearbeitet, um niemandem zur Last zu fallen. Das macht ihn glaubwürdig, weil Sagen und Handeln miteinander im Einklang stehen. Das ist bei Menschen in einer ähnlichen Position leider häufig nicht der Fall.
Leben auf Kosten anderer ist ein globales Problem, auch und gerade heute. Die soziale Ungleichheit wächst immer weiter, viele Menschen leben am Existenzlimit oder sogar in absoluter Armut. Insbesondere die Corona-Pandemie hat noch einmal deutlich gemacht, wie stark die Ungerechtigkeit zwischen den Ländern des Globalen Südens und des Globalen Nordens noch immer ausgeprägt ist. Sagen und Handeln der zuständigen Stellen standen nicht immer im Einklang miteinander. Darunter leidet die Glaubwürdigkeit auch in der Entwicklungszusammenarbeit.
Mt 23,1-12
Auch hier geht es um die Frage der Glaubwürdigkeit. Jesus richtet seine Kritik gegen das scheinheilige Verhalten der Pharisäer: „Ihr müsst ihnen also gehorchen und tun, was sie sagen. Aber nach ihrem Verhalten dürft ihr euch nicht richten; denn sie selber tun nicht, was sie lehren." (Mt 23,3 - Gute Nachricht Bibel) Mit ihren Predigten geben sie den Menschen Handlungsanweisungen, die sie selbst nicht befolgen. Damit laden sie die Verantwortung sprichwörtlich auf andere ab, die sie auf ihren Schultern tragen müssen und dabei zusammenbrechen können. Das kann auch als Mahnung an Predigende im Allgemeinen verstanden werden: Wer Nächstenliebe predigt, muss sie auch leben; wer Nachhaltigkeit predigt, kann schlecht danach in seinen SUV steigen – zumindest leidet dann die Glaubwürdigkeit darunter.
Damit zusammenhängend zeigt sich noch ein weiterer Aspekt: „Aber ihr sollt euch nicht ›ehrwürdiger Lehrer‹ nennen lassen; denn ihr seid untereinander alle Brüder und Schwestern" (Mt 23,8 – Gute Nachricht Bibel) Alle sind untereinander Brüder und Schwestern, das heißt, alle Menschen sind gleich viel wert – egal welche Stellung sie haben oder woher sie kommen. Jesus geht sogar noch weiter: „Wer unter euch am größten ist, soll euer Diener sein. Denn wer sich selbst groß macht, wird von Gott gedemütigt, und wer sich selbst gering achtet, wird von ihm zu Ehren gebracht." (Mt 23,11f. – Gute Nachricht Bibel) Das ist die Maxime, die für alle gilt. Es geht nicht um Macht und Ansehen. Es geht um Frieden und Wohlergehen für alle. Würden sich alle Menschen daran halten, wäre die Welt eine friedlichere.
Florian Grieb, Evangelische Kirche der Pfalz