Miserikordias Domini / 3. Sonntag der Osterzeit (14.4.13)

Miserikordias Domini

 

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Joh 21, 15-19 Apg 5, 27b-32.40b-41 Offb 5, 11-14 Joh 21, 1-19 oder Joh 21, 1-14

 

Joh, 21, 1-14

Ein übervolles Netz, das dem Gewicht des gewaltigen Fanges standhält. Menschen, die zerren und ziehen, um den Fang an Land zu bringen: Überreich ist der Ertrag der Jünger.

Wenn Fischer das heute immer behaupten könnten. Während Fischereigroßbetriebe gezielt mit immer größeren Fangflotten und präziser Maschinerie den Meeren ein Höchstmaß an Ertrag abtrotzen, rauben sie den Kleinfischern die Erwerbsgrundlage und stören ein sensibles Ökosystem. Die Überfischung der Meere ist schon lange kein Gegenstand einer einseitige Diskussion um Gewinnoptimierung mehr, sondern eine zum Teil erbittert geführte Debatte um soziale Ungerechtigkeiten und Ausbeute statt nachhaltigen Wirtschaftens.

Ob Jesus hier mit seinem Einsatz für den Fang der erfolglosen Fischer ein Zeichen dafür setzt: für maximalen Ertrag statt schonender Bewirtschaftung und Kleinfischerei?

Wohl kaum.

Offensichtlich geht es Jesus nicht darum, mit dem überwältigenden Fang seinen Hunger und den der Jünger zu stillen. Schließlich hat er während deren Abwesenheit und noch bevor der Fang an Land gebracht ist, bereits Brot und Fisch zubereitet. Er hat in Fülle und gibt in Fülle. Unabhängig von den Fangerfolgen der Fischer.

Nein, sein Anliegen scheint ein anderes zu sein. Er tritt sehr sanft in die Trauersituation der Jünger hinein, die mit ihrem Rabbi auch ihre Hoffnung auf die Änderung der politischen und sozialen Gegebenheiten und ihren Traum vom Kommen- und bleiben!- des Messias begraben haben. Seine Frage nach Nahrung impliziert auch die Frage: „Habt ihr, was ihr zum Leben braucht?". Jesus sind die großen Offenbarungen im Sinne eines einstürzenden Himmels eher fremd. Ihm liegt der zarte Zwischenton. Sein Auftreten ist Präsenz im Alltäglichen, oft unerwartet und unerkannt. Dabei strahlt er Souveränität im Handeln aus und Sensibilität für das, was ist. Auch den Jüngern nimmt er das Ruder nicht aus der Hand, sondern unterstützt ihre Fähigkeiten und ihren Teamgeist durch klare und sachliche Aufforderungen zum Handeln. Damit zeigt er sich als großartiger Pädagoge und liebevoller Freund. Maria Montessori wurde mit der Maxime „Hilf mir, es selbst zu tun" weltberühmt. Jesus beherrscht genau diese Grundüberzeugung in erstaunlicher Selbstverständlichkeit. Das eher passive und abwartende Verhalten der Jünger wendet er in aktive Tat: die Jünger sollen nicht nur „einsteigen", sondern „das Netz auswerfen", nicht nur „hinausgehen", sondern die rechte Seite des Bootes genauer in Augenschein nehmen.

Ihre Freundschaft untereinander ist Grundstein des Erfolgs: Simon Petrus muss nicht alleine hinaus auf den See. Er kann sich auf die Unterstützung seiner  Freunde verlassen- wenn auch der gewünschte Fang zunächst ausbleibt. Er kann sich darauf verlassen, in einer Notlage, in Trauer und Sorge nicht auf sich gestellt zu sein. Jesus setzt hier an: im Miteinander liegt der Schlüssel des Erfolges. Was den Jüngern fehlt, ist das Bewusstsein, nicht nur miteinander, sondern auch mit Gott unterwegs zu sein. Die Trauer um ihn macht sie blind für seine bleibende Gegenwart und hemmt sie im Einsatz ihrer Möglichkeiten und Fähigkeiten. Erst mit dem Bewusstwerden seiner Präsenz ist der Erfolg der Jünger, der Erfolg der Gruppe, realisierbar. Das gemeinsame Mahl besiegelt diese umfassende Gemeinschaft und wandelt den Mangel hin zur Fülle.

Der Erfolg der Fischer liegt also nicht im vollen Fangnetz. Ihr Erfolg besteht darin, im Alltäglichen und in der Gemeinschaft Gott zu begegnen: seine Fülle zeigt sich symbolisch in der Vielzahl der Fische, seine Allmacht im nichtreißenden Netz, seine Sorge um die Menschen in seinem sanften, unterstützenden und doch fordernden Umgang mit ihnen.  

Gott offenbart sich als verändernde, aktuell wirkende Kraft.

Sehr sanft - und dennoch beständig. Vermutlich kann das Werben für eine bewusste Wahrnehmung des Göttlichen im Alltäglichen auch Lösungsweg für den konkreten Umgang mit der Schöpfung sein: wer Gott in jedem Menschen, jedem Lebewesen und in der Fülle der Natur erfahren kann, wird sorgsam mit der Schöpfung umgehen. Eine solche Wahrnehmung schließt eine radikale Überfischung der Meere ebenso aus, wie ein Ausbeuten einzelner Personengruppen. Sie korrespondiert mit der Frage „Hast du, was du zum Leben brauchst?". Ein Bejahung genau dieser Frage ist deutliches Indiz für die Präsenz Gottes- und damit reales, aktuelles Offenbarungsgeschehen.

 

Katharina Goldinger