1. Advent 2013
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Hebr 10, (19-22)23-25 | Jes 2, 1-5 | Röm 13, 11-14a | Mt 24, 37-44 od. Mt 24, 29-44 |
Die Erwartung des Neuen ist das Thema dieses Sonntags, der Aufbruch hin zur Geburt Christi. Wir machen uns auf den Weg und bereiten uns vor, eines unserer größten Feste zu feiern. Gott kommt uns unvergleichlich nahe. Ein Mensch wird geboren, in dem die Grenzen zwischen Gott und Mensch aufgehoben waren. Einer der war, wie Gott wäre, wenn er wie einer von uns unter uns leben würde. Einer von dem eine heilsame Nähe ausging, eine unendlich liebevolle Annahme – und eine uneingeschränkte und damit radikale Positionierung für Frieden und Gerechtigkeit.
Hebr 10 (19-22)23-25
Die Priestermetaphorik ist für viele Christinnen und Christen heute schwer nachvollziehbar. Blutige priesterliche Opfer auf einem Altar sind uns fremd. Im Protestantismus ist zudem das Verständnis des Abendmahls als Opfer kaum verbreitet. Vielleicht ist deshalb eine Beschränkung auf die Verse 23 - 25 sinnvoll. Diese haben nun allerdings vor allem adhortativen Charakter – sie fordern auf zum Bekenntnis der Hoffnung, zu Liebe und guten Taten und treu bei der Gemeinde zu bleiben. Zur Liebe aufzufordern erscheint eigentümlich. Wenn man jedoch sieht, dass hier nicht eine gefühlsmäßige Haltung gemeint ist, sondern Liebe als ein Tun verstanden wird, so wird es leichter verständlich.
Die guten Taten im Sinne eines nachhaltigen Lebens zu konkretisieren legt sich nahe. Nachhaltig leben setzt einen Mentalitätswandel voraus, eine Verschiebung der Perspektive. Nicht mehr die Frage nach dem Nutzen für mich steht im Vordergrund, sondern die Frage nach einem Leben in Ausgewogenheit mit dem anderen Leben auf dieser Welt. Es ist dann nicht mehr die Frage, wie komme ich möglichst schnell von A nach B, sondern wie erreiche ich dies möglichst CO2 neutral. Dann ist es nicht mehr die Frage, wie entsorge ich meinen Müll möglichst einfach, sondern möglichst ressourcenschonend .
Unwohl ist mir bei diesen Aufforderungen, weil gerade die Fragen von Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung von vielen vor allem als Ansprüche wahrgenommen werden, die man zwar mit Berechtigung an sie heran trägt, die aber eigentlich lästig sind. Zu viele Aufforderungen provozieren Widerstand. Widerstand rhetorisch aufzulösen ist aber eine Kunst, die nicht jedem gegeben ist. Deshalb arbeitet man statt mit Forderungen sicher besser mit der Vision einer nachhaltig handelnden Gemeinde, die von Liebe und Hoffnung geprägt ist und bei der man gerne bleibt. Auch eine solche Gemeinde ist erst in Erwartung – das Thema des Advent.
Jes 2,1-5
Eine grandiose Vision, die seitdem sie das erste Mal ausgesprochen wurde, Menschen immer wieder Hoffnung gegeben hat. Sie ist noch nicht eingetreten, die sogenannte Völkerwallfahrt zum Berg Zion steht noch aus. Aber die Formulierung der Einheit aller Völker am Ende der Tage und damit das Ende aller Kriege, hat schon Pessimisten skeptisch gegenüber ihrem Skeptizismus und Realisten zu Hoffnenden werden lassen. Dem Niederlegen der Waffen und deren Umwandlung von Maschinen, die zerstören, zu Maschinen, die überleben helfen, geht in diesem Text die Rechtsprechung voraus. Recht zwischen den Nationen ist die Voraussetzung für Frieden. Für Gerechtigkeit unter den Menschen und zwischen den Völkern zu sorgen, ist eine unabdingbare Voraussetzung für Frieden. Derzeit ist eine der dringlichsten Fragen die nach der gerechten Verteilung von Ressourcen. Dabei geht es nicht nur um den Zugang zu fossilen Energieträgern, sondern außerhalb Europas und Nordamerikas zunehmend um den Zugang zu Wasser. Frieden wird es nicht geben, wenn nicht alle Menschen Zugang zu sauberem Wasser haben, wenn der Wasserverbrauch für industrielle Nutzung wie auch der private Wasserverbrauch reduziert wird, wenn ein Klimawandel mit der Folge der Vertrocknung großer besiedelter Gebiet abgewendet wird. Der Zugang zu genügend Wasser darf nicht von Macht oder Geld abhängig sein. Die Vision des Jesaja macht deutlich, dass nachhaltiges Handeln eine unabdingbare Voraussetzung für Frieden ist. Zugleich kann diese Vision die Kraft geben, dem Weg nachhaltigen Handelns und Predigens treu zu bleiben.
Röm 13,11-14a
In dem letzten Teil seiner Briefes an die Römer wendet Paulus den Blick nach vorne auf das Ende aller Tage. Er erwartete dieses Ende bald – die Nacht ist vorgerückt, bald wird es Tag. Wie in den Visionen des Jesaja erwartet Paulus von Gott eine völlige Umwandlung der Welt und von den Christinnen und Christen, dass sie diese Verwandlung schon vorweg nehmen. Leben und handeln als lebten wir schon im Reich Gottes - das ist sein Anspruch. Leben nach den Regeln, nach denen das Reich Gottes funktionieren wird. Eine gerechte Zukunft vorweg nehmen. Anders leben als jetzt. Nicht mit Essgelagen die Nahrungsmittel verschwenden, nicht mit Orgien Körper und Geist schaden, nicht mit Streit ein Zusammenleben unmöglich machen. Im Reich Gottes gelten andere Maßstäbe, und die gilt es handelnd vorweg zu nehmen.
Nur das nehmen, was wir wirklich brauchen, keine Nahrungsmittelüberproduktion und keine Verschwendung. Keine Ausbeutung der Böden, um mit billigem Tierfutter unseren Fleischkonsum zu befriedigen. Was genommen wird, auch wieder zurück geben.
Körper und Geist schonend behandeln, einen Lebensrhythmus finden, der nicht den Körper zum Instrument des Geldverdienens macht, der Gesundheit Voraussetzungen schaffen, work-life-balance.
Streit schlichten, statt Konflikte provozieren. Frieden schaffen ohne Waffen gewaltfreie Konfliktbewältigung erforschen und praktizieren, das Geld von der Rüstung in die Friedensforschung und Friedenserziehung umleiten.
Das Reich Gottes funktioniert nach anderen Regeln als denen, mit denen wir zumeist unsere Welt gestalten. Aber diesen dunklen Regeln der Nacht von Geld und Macht stellt Paulus den hellen Tag des Reiches Gottes und dessen Maßstäbe entgegen. Derjenige, dessen Geburt wir an Weihnachten feiern, hat diese Regeln gelebt und gepredigt.
Mt 24, 29 - 44
Dieser Text ist wie ein Scharnier zwischen dem Ende des Kirchenjahres, das gerade zurückliegt und dem Neubeginn mit dem Blick auf Weihnachten. Er spricht wie auch die anderen Perikopen dieses Tages vom Ende der Welt, vom Anbruch des Neuen. Dabei ist sein Horizont allerdings eingeschränkter. Er mahnt vor allem und ruft zur Wachsamkeit. Er redet nicht von den Maßstäben dieser Welt und denen des zukünftigen Reiches Gottes. Sein Thema ist die Wachsamkeit als solche. Der Menschensohn wird kommen, achtet auf die Zeichen: die Posaune, der austreibende Feigenbaum. Aber genau genommen wird es ergehen wie bei der Sintflut – mitten hinein in den Alltag mit seinem Vorsorgen für den nächsten Tag, bricht Gott ein und verändert alles. Es sind keine hoffnungsvollen Töne wie in den anderen Perikopen, die hier angeschlagen werden. Es ist der schiere Ruf zur Wachsamkeit. Jede Minute könnte es losgehen. Von einer Sekunde auf die andere könnte die Welt sich verwandeln. Deshalb verliert das nicht aus dem Blick und schaut, dass ihr zu denen gehört, die später dabei sein werden.
Der Text macht es dringlich. Er appelliert zu leben, als sei jeder Tag der letzte Tag. Keine Kompromisse eingehen, hieße das für mich. Klare Ansagen, konsequentes eigenes Handeln - und das in einer Welt, in der die politische Kunst der Kompromisse als eine der höchsten gilt. Aber es gibt Tagesordnungspunkte, da verbietet sich ein Kompromiss von selbst, wenn der heutige Tag der letzte Tag ist. Die Nachhaltigkeit gehört dazu.
Dr. Michael Gärtner, Speyer