2. Sonntag nach Epiphanias / 2. Sonntag im Jahreskreis (19.01.14)

2. Sonntag nach Epiphanias / 2. Sonntag im Jahreskreis

 

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Hebr 12, 12-18 (19-21).22-25a Jes 49, 3.5-6 1 Kor 1, 1-3 Joh 1, 29-34

 

Der Autor betrachtet den Predigttext der protestantischen Leseordnung sowie die erste Lesung der römisch-katholischen, woraus sich eine kurze Predigtskizze ergibt, die auch den Joh-Text einbezieht. Stichworte: Gemeinschaft neu sammeln, Heimat geben, Ganzheitlich genesen, Frieden stiften.

 

Stellung im Kirchenjahr:

Die Schriftlesungen der Sonntage zu Beginn der Zeit nach Epiphanias/im Jahreskreis beleuchten erste öffentliche Auftritte Jesu in ihrer meist programmatischen Bedeutung. Im Umfeld dieses zweiten Sonntags jährt sich die Verabschiedung des Immissionsschutzgesetzes durch den Bundestag am 18. Januar 1974 und die Eröffnung der ersten Olympischen Winterspiele am 25. Januar 1924 in Chamonix. Am 19. Januar 2002 schlossen Vertreter der Konfliktparteien im Sezessionskrieg im Südsudan einen Waffenstillstand, der drei Jahre später in ein Friedensabkommen mündete, das dem Südsudan Autonomierechte zugestand. Am 20. Januar 1998 beschwört der Ausfall einer alten Stromleitung eine Stromkrise in der Innenstadt von Auckland herauf. Erst nach fünf Wochen ist die Versorgung mit elektrischer Energie vollständig wiederhergestellt.

 

 Exegetische Anmerkungen

Hebr 12,12-18 (19-21) 22-25a:

Der Predigttext ist dem dritten Teil des Hebr (10,19-13,21) entnommen, der sich mit den Konsequenzen beschäftigt, die sich für den Glaubensweg des Einzelnen wie der Gemeinde aus dem Bekenntnis zum Hohepriestertums des Sohnes ergibt. Mit diesem Bekenntnis erhält der Christ Teilhabe an der Gemeinschaft mit Gott (VV. 22f) und kann von Grund auf und ganzheitlich (VV. 12f)  heilen, ja er wird im Kampf gegen schadenstiftende und vergiftende Strebungen gestärkt (V. 15).

Angesichts der Gefahr von Mut- und Lustlosigkeit auf dem Weg des Glaubens, die der zweiten oder dritten Generation von Christen droht, denen der Elan der Anfangszeit abhandengekommen ist (2,3; 10,32-35) erinnert Hebr an das Ziel dieses Weges, der von Gott geplanten und zugesicherten Stadt (vgl. 11,10). Es ist ein Weg, auf dem sich der Einzelne wandelt und heiligt, um Gott zu sehen, und sich durch den Einsatz für Frieden mit allen auszeichnet (V. 14)

 

Jes 49,3.5-6:

Der Ausschnitt aus dem zweiten Gottesknechtslied schildert die von Jahweh zugewiesene Aufgabe, das Volk neu bei Gott zu beheimaten, die Gemeinschaft zu sammeln und sie in ihrer globalen Vorbildfunktion zu stärken. Dabei ist der Adressat Jahwehs in V. 3 das Volk als solches, während er in VV. 5f dem Volk gegenübersteht.

Sozialgeschichtlich ist zu beachten, dass die Heimkehr ins Land konkret wohl wenig glorreich ausfiel. Denn während des Exils war das Land keineswegs leer und nach der Deportation der Angesehenen und Reichen (vgl. Jer 39,1-10) bot sich den zurückgebliebenen Bevölkerungsschichten die Chance, wieder zu Land zu kommen und sich wirtschaftlich zu konsolidieren.

Um dem Sitz im Leben des Textes gerecht zu werden und seine Bedeutung auszuschöpfen, ist deshalb die Sammlung des Volkes und Neugestaltung der Gemeinschaft sowohl unter religiösem als auch sozialem Aspekt zu betrachten. Beide Dimensionen wären analog auch für die globale Bedeutung des Geschehens zu beleuchten.

 

In diesem Sinne wäre für eine Predigt über Jes und Joh hier die Brücke zu den Aussagen des Täufers über Jesus als Lamm Gottes zu schlagen, zunächst im religiösen Sinn und der Bedeutung für Israel als neu zu sammelndes Gottesvolk. Im nächsten Schritt könnten dann die Bedeutung der Sammlung und der Versöhnung des Volkes mit Gott und untereinander mit ihren praktischen, d.h. auch sozialen und politischen Konsequenzen aufgezeigt werden. Anschließend böte sich die Ausweitung über den Rahmen Israels hinaus an, letztlich bis zu uns selbst und den Anfragen, die sich aus der Botschaft der beiden Texte an unser Denken und Handeln ergeben.

 

 Bezüge zur Nachhaltigkeit, Beispiele zur Umsetzung und weitere Kontexte

 1. Gemeinschaft neu sammeln

Anfang Mai 2013 fand in Kapstadt die 4. Konsultation der “ANGLICAN BISHOPS IN DIALOGUE” statt, an der Bischöfe aus Südsüdan, Malawi, Burundi, Ghana, Kenia, Südafrika, Kanada, Sambia und den USA teilnahmen. Sie beschäftigten sich mit dem Versöhnungsprozess in Burundi, der Wahrheits- und Versöhnungskommission in Kanada, dem Versöhnungsprozess in der Episcopal Church in den USA und der Wahrheits- und Versöhnungskommission  in Südafrika. Im Abschlussdokument schreiben sie:

“Wir hörten Geschichten von solchem Leiden und neuem Leben, das möglich wurde durch Gottes Gnade, vermittelt durch mitleidende  Pastoral (compassionate ministry) und verharrten oft Stille und Tränen. Wir waren Zeugen tiefer Hoffnung auf Gottes transformierende Gegenwart auch in so konfliktreichen Situationen, das die Welt darin keine Hoffnung mehr sieht.
Wir stellten fest, dass wir von unserem Herrn Jesus Christus den Dienst der Versöhnung geerbt haben, dass Gottes Auftrag nicht einfach vom Menschen kommt. Es ist etwas, in das hinein zu leben und das zu teilen wir berufen sind. Wir beobachten, dass das Engagement im Dienst der Versöhnung ein anspruchsvoller Prozess ist, weil es darum geht, positive und negative Wahrheiten über andere und uns selbst mit Mut, Ehrlichkeit und Demut anzugehen.“

Mehr unter www.anglicanchurchsa.org (Übers. J. Feldes)

 

 2. Heimat geben

Durch die Zuwanderung von (Spät)Aussiedler-(inne)n mit doppelter Staatsangehörigkeit und durch die Zunahme der Zahl von binationalen Familien ist die Zahl von Deutschen mit doppelter Staatsangehörigkeit in den letzten Jahren stetig gestiegen. Dazu kommen Ausländer(innen), die unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit eingebürgert werden, insbesondere EUBürger(innen) und Schweizer(innen). Dass dies nicht zu gravierenden Problemen geführt hat, spricht für eine Erweiterung der Einbürgerungsmöglichkeit unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit. Insbesondere für ältere Menschen, die fest in Deutschland verwurzelt sind und gleichzeitig die Bindung zum Herkunftsland nicht verloren haben, wäre dies ein Signal, dass sie und ihre Lebensleistung in Deutschland Anerkennung finden.

 Aus Deutscher Caritasverband: Miteinander leben. Perspektiven des Deutschen Caritasverbands für eine Migrations- und Integrationspolitik, 2008, 23

 

 3. Mit Gott im Rücken und als Ziel ganzheitlich gesunden

Jeden Tag aufstehen,

auf eigenen Beinen stehen.

Jeden Tag im Leben stehen,

das Alte neu bestehen.

Jeden Tag andere ausstehen

und zu sich selbst stehen.

Jeden Tag verstehen,

dass Gott hinter allem steht.

Jeden Tag aufstehen

zu neuem Leben.

Jeden Tag

neu.

 

Petrus Ceelen, in: Jeden Tag neu. Anstöße zum Aufstehen. Schwabenverlag 1999

 

4. Auf dem Weg als wanderndes Gottesvolk Frieden stiften

Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut,

in der wir untergegangen sind,

gedenkt,

wenn ihr von unseren Schwächen sprecht,

auch der finsteren Zeit,

der ihr entronnen seid.

Dabei wissen wir doch:

Auch der Hass gegen die Niedrigkeit

verzerrt die Züge.

Auch der Zorn über das Unrecht

macht die Stimme heiser.

Ach, wir, die wir den Boden bereiten wollten

für Freundlichkeit,

konnten selber nicht freundlich sein.

Ihr aber, wenn es soweit sein wird,

dass der Mensch dem Menschen ein Helfer ist,

gedenkt unsrer mit Nachsicht.

 

Bertolt Brecht: Gesammelte Werke, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 1967

 

Lit.: Backhaus, Knut: Der Hebräerbrief = Regensburger Neues Testament, 2009

Gottes lebendige Bilder. Sieben Abschnitte aus Jesaja 40-55 = Texte zur Bibel 15, hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste in der Evangelischen Kirche in Deutschland, 1999

Söding, Thomas: Gemeinde auf dem Weg. Christsein nach dem Hebräerbrief, in: Bibel und Kirche 48 (1993) 180-187

Werlitz, Jürgen: Vom Gottesknecht der Lieder zum Gottesknecht des Buches. Oder: warum die Vorstellung vom Deuterojesaja in die Krise gekommen ist, in: Bibel und Kirche 61 (2006) 208-211

 


Dr. J. Feldes