Laetare / 4. Fastensonntag
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Jes 54, 7-10 | 1 Sam 16, 1b.6-7.10-13b | Eph 5, 8-14 | Joh 9, 1-41 |
Bezug: Predigttext der evangelischen Leseordnung und 2. Lesung der katholischen Leseordnung
Der vierte Fastensonntag steht zeitlich mitten in der Österlichen Bußzeit, weist aber schon durch seine Lichtsymbolik auf das bevorstehende Osterfest hin: Im katholischen Ritus trägt der Zelebrant statt der violetten Messgewänder solche in rosa Farbe. Damit soll symbolisch das österliche Licht durch das Violett der sonstigen Bußzeit hindurchscheinen. Auch die Schrifttexte von diesem Tag greifen die Lichtsymbolik auf und weisen für den, der zur Umkehr bereit ist, auf die Freude der Osterzeit hin.
Von der Gruppe „Silbermond“ gibt es ein Lied, das lange in den Charts war: „Krieger des Lichts“. Da heißt es unter anderem: „Lass dich nicht täuschen, auch wenn’s aus Gold ist. Lass dich nicht blenden, erst recht vom falschen Stolz nicht.“ So weit, so schön. Das könnte jede Lebensberatung genauso empfehlen. Doch dann geht es weiter: „Lerne vergeben und verzeihen. Lerne zu fesseln und zu befreien. Seine Macht ist sein Glaube, um nichts kämpft er mehr. (...) Das ist ein Aufruf an alle Krieger des Lichts“. Da wird man nicht nur als Theologe hellhörig. „Früher habt auch ihr in Dunkelheit gelebt; aber heute ist das anders: Durch den Herrn seid ihr im Licht. Darum lebt nun auch wie Kinder des Lichts!“, heißt es in der 2. Lesung der katholischen Ordnung am heutigen Tag (Epheserbrief 5,8). Oder auch: „Doch ihr, liebe Brüder und Schwestern, lebt ja nicht in der Finsternis. (...) Als Christen sind wir Kinder des Lichts, Kinder des hellen Tages; wir gehören nicht zur Nacht mit ihrer Finsternis.“ (1 Thessalonicher 5,4f.) Christen sind die Kinder des Lichts, sind Krieger des Lichts, wenn es darum geht, dass die Dunkelheit der Trauer und Hoffnungslosigkeit in der Welt durchbrochen werden soll.
Das klingt kämpferisch – und wird den ein oder anderen deshalb eher abschrecken: Ist nicht schon genug Blut vergossen worden, gerade auch, wenn es um das „Rechthaben“ geht? Und da sind die Religionen oft keine rühmlichen Vorbilder, auch das Christentum nicht. Wenn es darum geht, wer Recht hat, wenn es um die Dogmen und die kirchliche Lehre geht, da sind Kompromisse fehl am Platz. Da wird das Leben zum Kampf, manchmal sogar zum Krieg. „Krieger des Lichts“, das kann man also auch falsch verstehen. Das kann Vorwand sein für moderne Kreuzzüge, für „Deus lo vult – Gott will es“ und für eine Instrumentalisierung des Glaubens. Auch „Krieger des Lichts“ sind Krieger. Und Krieg wirkt zerstörerisch. Dass es keinen „gerechten“ Krieg, nur einen gerechten Frieden gibt, daran hat der frühere Limburger Bischof Franz Kamphaus eindringlich erinnert – und er hatte Recht damit. Auch die deutsche Bischöfe haben dies mit ihrem Schreiben „Gerechter Friede“ vom 27. September 2000 als Grundlagendokument und „Magna Charta“ der katholischen Friedensethik in Deutschland unterstrichen: Wirklichen Frieden kann es nicht mit Waffengewalt geben. Das wäre am Ende nur ein Waffenstillstand. Wirklicher Friede sitzt viel tiefer und wirkt viel nachhaltiger.
Und ebenso wirkt auf der Gegenseite Krieg nachhaltig-zerstörerisch. Wie lange dauert es, bis ein Dorf wieder aufgebaut ist? Wie lange dauert es, bis die Wunden heilen, nicht nur die physischen, die die Medizin versorgt? Wie lange dauert es, bis Traumata verarbeitet werden? Wie kann ein Christ da „Krieger“ sein, wenn auch „Krieger des Lichts“?
„Lebt als Kinder des Lichts!“ – das ist etwas anderes als: „Kämpft als Krieger, um möglichst alle Gegner auszuschalten!“ Ein „Krieger des Lichts“ setzt sich für die scheinbar gute Sache ein, bleibt aber Krieger im Kampf. „Kinder des Lichts“ sind friedlicher. „Das Licht bringt lauter Güte und Wahrheit hervor“, heißt es im Epheserbrief weiter. Und doch ist das Leben oft Kampf. Selbst der Einsatz für die gute Sache ist Kampf. Doch wo ist die Grenze zum Krieger, der zerstört?
Die Erfahrungen der Menschheit zeigen: Ausbeutung und Terror, das Recht des Stärkeren und Siegergerechtigkeit ziehen sich durch die Geschichte. In Not und Leid, in der Zerstörung der Schöpfung und des menschlichen Lebens, in Elend, Hunger und Naturkatastrophen fragen die Menschen, wo denn da Gott sei. Die Theodizee ist eine uralte Frage der Menschheitsgeschichte – und selbst die klügsten Theologen kommen mir ihren Lehrbucherklärungen immer wieder an Grenzen. Doch Gottes Zusage gilt auch im Leid: „Nur für eine kurze Weile habe ich dich verlassen, doch mit großem Erbarmen hole ich dich heim!“ (Jes 54,7), erfährt schon der Prophet Jesaja und seine Prophetie weist auf den kommenden Messias hin. Immer wieder ist von der Huld Gottes die Rede, von seinem Erbarmen und seinem Willen, die Welt, die er geschaffen hat, nicht dem Untergang preiszugeben. Auch wenn der Mensch in Unachtsamkeit, in Selbstsucht oder in zerstörerischem Wahn die Güter der Erde ausbeutet und den göttlichen Schöpfungsauftrag immer wieder vernachlässigt und dagegen handelt, so bleibt Gottes Erbarmen für den, der sich besinnt auf den Willen Gottes. Es ist nicht zu spät zur Umkehr, so lange der Mensch lebt: Im Umgang mit den Mitmenschen, in Streit und Betrug, in Hass und Eifersucht. Aber genauso im Umgang mit der Natur, mit der Schöpfung und ihren Gaben: Der Mensch ist zur Umkehr aufgerufen: hin zu dem, was Gottes Plan entspricht. Das ist keine Selbstkasteiung und Knechtung durch ein besserwisserisches Lehramt, das den Sünder klein hält. Das ist nicht der moralisch erhobene Zeigefinger, sondern die Hand, die hilfsbereit ausgestreckt ist; die hilft zur Umkehr. Und diese Umkehr gibt Kraft und in Gottes Erbarmen neuen Mut für den Neubeginn, weil er seine Huld nicht wegnimmt. Das ist Erlösung und Trost in aller Erfahrung des Leids: „mit ewiger Huld habe ich Erbarmen mit dir, spricht dein Erlöser, der Herr.“ (Jes 54, 8).
Es ist keine billige Gnade, die uns einfach so weiter machen lässt wie bisher. Deshalb gilt der Auftrag: „Prüft, was dem Herrn gefällt.“ (Eph 5,10) Lasst es euch nicht einfach nur vorschreiben von denen, die es angeblich schon immer wussten, sondern prüft selbst, welchen Weg Gott mit euch vorhat. Es ist kein einsamer Weg: Es ist ein Weg als Geschöpf in Gottes Schöpfung gemeinsam mit den Mitgeschöpfen und den kommenden Generationen. So wird Gottes Wille deutlich, der die Welt geschaffen hat und dem Menschen anvertraut hat: Wenn sie auch noch den Erben und Kindeskindern als Gottes gute Schöpfung übergeben werden kann, hat der Mensch seinen Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung erfüllt. Und deshalb „...habt nichts gemein mit den Werken der Finsternis, die keine Frucht bringen“ (Eph 5,11). Die Finsternis zerstört, Werke der Finsternis haben nur das Eigene im Blick. Wer keine Frucht bringt, enthält nicht nur den kommenden Generationen etwas vor, sondern wird am Ende selbst leer ausgehen. Die Gaben, die Gott in seiner Schöpfung und mit seinen Geschöpfen bereitgestellt hat, brauchen Pflege, um sich so entwickeln zu können, wie es Gottes Plan ist. Darum: „Prüft, was dem Herrn gefällt.“ (Eph 5,10)
Wer nur an sich denkt, der wird heimlich oder offen, bewusst oder unbewusst Raubbau treiben mit seinem eigenen Leben. Solche Heimlichkeit aufzudecken, kann befreiend wirken. Sie wirkt dann so, wenn sie nicht zerstörerisch und gehässig, besserwisserisch und belehrend, sondern barmherzig und wohlwollend die Finsternis der Heimlichkeit beendet und Licht ins Dunkel bringt. Wer andere denunziert oder nur deren Fehler sieht, vergisst den eigenen Balken vor den Augen – und bleibt blind und in der Finsternis. Wer den Raubbau an der Natur tatenlos hinnimmt und nur mit dem Finger auf andere zeigt, die ihr Verhalten zuerst ändern sollen, selbst aber nicht im Kleinen anfängt damit, bleibt in der Dunkelheit und trägt seinen Teil zur Finsternis bei.
Im Blick auf die Ressourcen der Erde kann diese Trägheit und Finsternis tödlich wirken – für manche schon jetzt, die sich am wenigsten wehren können: Wo die Wasser-Ressourcen knapp werden, brauchen zunächst und zuerst diejenigen freien Zugang zum Wasser, die es zum Überleben brauchen. Für andere kann es erst später bedrohlich und am Ende tödlich werden, wenn die rasante Ausbeutung der Ressourcen so weitergeht und keine Wende in Sicht kommt – oder nur von anderen eingefordert wird. Wer die Augen davor verschließt, Gottes Plan mit dieser Erde beiseite schiebt und sich selbst und seine eigenen Wünsche zum Maßstab aller Dinge macht, geht in die Dunkelheit. Der Schlaf der Sicherheit – es wird mich schon nicht treffen, ich kann es mir ja leisten - wird dann zur tödlichen Bedrohung für viele. Auch für sie gilt die Ermahnung der Schriftstelle: „Wach auf, du Schläfer, steh auf von den Toten – und Christus wird dein Licht sein“ (Eph 5,14).
Es geht um die Hoffnung für alle. Und es ist eine Hoffnung, die real wird. Weil es Menschen gibt, die für einen da sind, wenn man sie braucht. Die Kinder des Lichts sind: die erfüllt sind von der Hoffnungskraft des Glaubens, und die so für andere leuchtende Weggefährten werden, Stützen und Helfer; die das Leben heller machen, die trösten und verzeihen: Kinder des Lichts eben.
In dem Lied von Silbermond heißt es weiter: „Denn in jedem von uns steckt dieser Krieger! (...) Lasst uns aufsteh’n. Macht Euch auf den Weg. (...) Wo seid Ihr? Ihr seid gebraucht hier!“ So werden die Krieger zu Kindern des Lichts, weil sie sich einsetzen für andere und nicht gegen andere. Das kostet Anstrengung, und manche empfinden das vielleicht als Kampf. Na gut, dann ist es eben ein Kampf, aber kein Krieg. Solche „Krieger“, oder besser „Kämpfer für das Licht“, für das, was die Welt heller macht, werden gebraucht hier. Wo seid ihr? Ihr Kinder des Lichts? Die Welt braucht euch! – Vielleicht sogar schon der Nachbar. „Lebt als Kinder des Lichts“ – dann wird die Welt durch euch friedlicher und heller. Wie so oft kann man bei diesem Lied von Silbermond einfach nur laut mitsingen, weil es die Herzen berührt und einfach gut abgeht. Oder aber auch noch ein, zwei Sätze weiter nachdenken, was da gesungen wird. Vielleicht entdeckt man so ganz neue Dimensionen, die auch schon die Bibel an diesem Tag aufzeigen will: „Lebt als Kinder des Lichts!“ - Es lohnt sich, nicht nur heute im Hier und Jetzt, sondern auch für die kommenden Generationen! Und dann wird Gottes Huld „nie von dir weichen und der Bund (seines) Friedens nicht wanken, spricht der Herr, der Erbarmen hat mit dir.“ (Jes 54,10).
Michael Kinnen