Gründonnerstag (17.04.14)

Knoll201314-erlassjahr logo-400

Gründonnerstag

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Hebr 2, 10-18 Jes 61, 1-3a.6a.8b-9 Offb 1, 5-8 Lk 4, 16-21

Alle Texte sprechen von Herausführung aus sozialen und politischen Knechtschaften. Alle ntl. Texte sind von Anklängen an das AT geprägt. Die Predigtanregungen ergänzen sich entsprechend. Der Gründonnerstag stärkt als  Erinnerung an die Einsetzung des Abendmahls  gedanklich und emotional die Wahrnehmung dieser Befreiungsakte. Nach den Zerstörungen des Tempels wird der kultische Jom Kippur soteriologisch neu gefüllt und handlungsorientiert ethisch vertieft. Die Texte rufen dazu auf  entmachtenden Strukturen bewusst zu begegnen. Ich empfehle die „Bibel in gerechter Sprache“.

 

Hebr 2, 10-18 – Befreiung aus Angst und Vertrauensverlust

Exegetische Hinweise:

Die Angesprochenen haben ihr verheißenes Land  (mangels Asterix und Zaubertrank) an die Römer verloren, ihr Tempel ist zerstört, der  Messias hingerichtet. Welchen Sinn macht so ein Messias? Wäre es nicht besser sich wieder dem Judentum zuzuwenden, in seinen Gesetzen Halt zu finden? Hebr hören bei „Knechtschaft“  Ägypten, Exodus, Babylon und JHWH: das Seiende, der Schöpfer, der Gott der mitgeht (vgl. Offb 1). Ihm gilt es zu vertrauen und sich nicht der Knechtschaft des Verwirrers (diabolos) und des Angreifers/accuser (Satan), der Sicherheit Roms oder der Angst vor dem Ende/Tod hinzugeben. In stringent atl.-jüd. Tradition, Ps 22 und Jes zitierend, wird die soteriologische Sinnhaftigkeit Jesu diesen Fluchten entgegengestellt: Der Schöpfer schickte Jesus als  Bruder, menschliche Not, Leiden und Sünden erfahrend und diese, durch sie hindurchgehend,  zu entmachten (V.14f.18  Anklang an aramäisches Vaterunser: „führe uns durch die Versuchung.“).  Auf Jesus den Christus, den letztgültigen Hohepriester (ohne/selbst Tempelopfer V.17) soll das Vertrauen gesetzt werden. Er befreit von der Knechtschaft der Angst vor Verfolgung und Tod. Jesu „bewusster“ Gang ans Kreuz erlöst aus der Opferhaltung (V.10 „Urheber des Heils“) und nimmt dem Widergöttlichen die Macht über sich (und die Menschen). Eigenes Leid und menschliche Fehler anerkennend, die Macht der (auch einseitigen) Vergebung nutzend, in Entscheidungen im Vertrauen auf Gott aktiv werdend beginnt Neuanfang/Auferstehung -  jetzt.

 
Anregungen zur Predigt:

So ist es nachhaltig, dem Bösen, Anfeindungen, angeblichen Unmöglichkeiten, wirtschaftlichem Machtdruck ins Auge zu blicken und Menschen/Schöpfung in ihrem „so Sein“ zu respektieren. Das ist der Weg der Propheten (vgl Jes), genau hinsehen und analysieren. Welche Verwirrer, Vorwerfer und Angstmacher knechten uns? Die Energiekrise? Klimaveränderungen mit Jahrhundertkatastrophen? Sehen wir die Angst  Ansehen zu verlieren durch ökologisches Handeln oder „Zeit haben“? Geht es darum, was die Anderen sagen oder finden wir den Weg Jesu „Leiden“ anzunehmen? Sehen wir die Gier nach Macht- und Statuserhalt, die Angst vor dem Tod unseres Lebensstils? Haben wir uns in diese Knechtschaften begeben? Zählt weltliches „Haben“  mehr als schöpferisches  „Sein“?  

 

Jes 61,1-3a.6a.8 - eine gerechte GesellschaftsordnungKnoll201314-erlassjahr logo-400

Exegetische Hinweise:

Ziel des nachexil. Tritojes ist eine neue, den Geboten entsprechende (V.8) Gesellschaftsordnung Israels. Recht und Gerechtigkeit (V.8) wird durch Gericht und Heil (V.2) des lebensspendenden göttlichen Handels wieder hergestellt. Der Gesalbte bringt die Botschaft (V.1,2bf) und benennt das  Werkzeug (Jobeljahr, V.2a). Die Umsetzung dieser heilen/den Zeit obliegt dem Priestertum aller Glaubenden/Gott Dienenden  (V.6a, auch V.3b.4). Das Jobeljahr bezieht sich auf die aktuelle Situation (V.1b.3a)  der Erlaubnis des Kyr(i?)os, als neuen Herrscher Babylons, zum Zion zurückkehren zu dürfen und ist mit der Vergeltung Gottes verbunden (V.2b.6b). Christologischen Deutung bitte bei Lk 4.

Anregungen zur Predigt:

Aus welchem Exil, aus welchen Gefangenschaften hat Gott uns befreit (vgl Hebr 2)? Zumindest aus den Grundnöten von (kaltem) Krieg in unserem Land, von Hunger, einem zerstörtem Land, Seuchen und autoritären Staatssystemen. Unser Land hat nach dem 2. Weltkrieg wirtschaftliche, kulturelle und politische Jobeljahre und mit der Wiedervereinigung auch territoriale, erlebt. Und wie halten wir´s? Immigranten deren Zeugnisse nicht anerkannt werden können davon ebenso ein Lied singen, wie Menschen, die an unserem System emotional oder kräftemäßig scheitern. Wir beschweren uns über Wirtschaftsflüchtlinge und entziehen ihnen doch selbst die Lebensgrundlagen in ihren Ländern durch unfaire Preise, umwelt- und menschenfeindliche Arbeitsbedingungen etc…Nehmen wir gemeinsame Verantwortung situationsbedingt wahr in Netzwerken, wie attac und im eigenen Umfeld? Unsere Entschuldung- und Insolvenzprogramme setzen, wenn überhaupt, erst nach Jahren auf Null. Was wäre wenn wir auf, Schuldeintreibungen verzichten würden? Wären wir dann Pleite? Oder würde es auch für uns mehr als ein ethischer Neustart  sein? Setzen wir so mancher Not ein Ende, bevor unser Wirtschaftssystem die Kinder Gottes frisst. Die Kampagne „erlassjahr.de“ gibt viele Anregungen.

 

Offb 1,5-8Knoll201314-in hoc signo     

Exegetische Hinweise:

Paränetisch-parakletische Ermahnung und Ermutigung an die Verfolgten, im Vertrauen auf Christus, dem wahren Herrscher (V.5), zum Martyrium bereit zu sein (s.o.). Der Seher enthüllt den göttlichen Heilsplan, der mit der Versöhnung durch das Lamm (Jesus) in Kreuz und Erhöhung (V.5f) beginnt, im Durchleiden der Gemeinde der Heiligen (V.6 – ohne Ämterhierachie) zu ihrer Heil(i)gung weiterführt und über das Weltgericht (V.7f) in der Neuschöpfung der Welt (V.8) vollendet werden wird (Erlösung von der Scheol –V.5). Der „Christuskult“ wird stärker sein als der Kaiserkult. Mit der Botenformel (V.8) klärt der Prophet den universalen Machtanspruch Gottes: Der Herr der Geschichte (3= Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) ist der Herr der Schöpfung (4= Elemente/Himmelsrichtungen), die 7 und 12 steht für das Allumfassende. 

Anregungen zur Predigt:

Als „Priester“ und „König“ Gottes steht jede/r in der Verantwortung für das Erschaffene und die Zeiten. Geschöpfliches ist nicht auszubeutender Besitz, sondern Lehen. Zeit ist nicht Geld, sondern zu gestaltende Vorbereitung auf gewalt- und hierachiefreie Vollendung des Reiches Gottes. Demokratie,  Menschen- und Völkerrechte in friedlichen Revolutionen zu unterstützen sind Wege dazu. Christliche Gemeinde/Kirche ist Mahner und Warner. Setzen wir ( bekennende ChristInnen in Leitungsfunktionen der BRD) das mittels militärischer und wirtschaftlicher Interventionen im Sinne Jesu um? Halten wir das Leid Anderer, auch der meist verfolgten religiösen Gruppe der Welt, uns Christen, aus? Die Kirchengeschichte zeigt zumeist ein unrühmliches Verhältnis von Kirche und Staat. Jesus brachte das Evangelium, nicht die Kirche als Institution der Macht und Staatsreligion. Die Offb ermutigt zum durchhalten und lehnt es ab sich auf Staatsführungen als Retter oder Polizisten der Welt einzulassen. Siegen im Zeichen des Kreuzes bedeutet lieben. Es ist an der Zeit die Barmer Erklärung aufs Heute zu beziehen, ein neues Stuttgarter Schuldbekenntnis zu formulieren, die neuen „Kulte“ ( allwissender Vernetzungskult, „die beste …“, Gesetze statt Gerechtigkeit, Schein(e) statt Sein, …) zu benennen. Evangelium birgt die Macht des Umkehrens in Wegen und Denken.Gottes Sein ist im Werden.

 

Lk 4,16-21 (Lied: God´s spirit is in my heart” w.w.w.) sent to give the Good News to the poor”

Exegetische Hinweise:

Jesus hat die Macht (der Versuchung, vgl. Hebr) durchlebt. Jetzt lässt Lk Jesu Wirken in der Kraft des Geistes beginnen und schreibt seine Antrittspredigt in Aufnahme von Jes 61 (s.o. ohne V.2b da in Jesus  „Vergeltung“ bereits vollzogen ist). Die Heil(s)zeit (s.Offb) hat begonnen. Das Ringen um Gesetzlichkeit weicht dem Ringen um Gerechtigkeit (moralisch-ethischem Verhalten/Evangelist der Armen), reale Umsetzung von Heil und spirituelle überzeitliche Komponenten des Reiches Gottes werden kombiniert. Hilfe/Befreiung anderer ist ethische Konsequenz der Gottesherrschaft, dazu gehört (Jobeljahr) auch Besitzverzicht (Vorbild Jesu). Reichtum ist eine Gefahr für konsequente JüngerInnen.

Anregungen zur Predigt:

Lk atl. Zitat ist für Heidenchristen bestimmt. Er ruft damit zu einem interkulturellen Miteinander auf. Sprechen wir Menschen anderer Ethnien und Glaubensrichtungen an, laden wir sie ein? Er fordert uns auf den Armen die gute Botschaft der Entschuldung, des Neuanfanges zu bringen. Wie soll das weltweit gehen?  Suffizienzpolitik oder die Initiative „anders wachsen“ haben pragmatische Ansätze (incl. Petition an den Bundestag) entwickelt, die aus der Gefangenschaft unseres Wirtschaftssystems herausführen können. Offener Strafvollzug kann, als begleitetes soziales Lernen, sinnvoll wirken. Zerschlagene sind Überforderte und Überfordernde. Personalpolitik  die den Menschen sieht, das Verhältnis von Arbeitszufriedenheit, Vertrauen, aktiver Wertschätzung und Leistung kann in der Kirche beginnen. Verzicht auf autoritäres und hierachisches Handeln mit dem wir andere zu Gefangenen machen ist möglich. Veränderung braucht Zeit. Gönnen wir uns und anderen ein „Gnadenjahr“, mit allen Fehlern aus denen wir lernen und lehren können, auf dem Weg zu einem heilvollen Miteinander.

Silvia Knoll