6. Sonntag nach Trinitatis / 17. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
1 Petr 2, 2-10 | 1 Kön 3, 5.7-12 | Röm 8, 28-30 | Mt 13, 44-52 |
Der Autor betrachtet den Predigttext der EKD Reihe sowie den Text der kath. 1. Lesung. Die Anknüpfungspunkte unter dem Stichwort „nachhaltig“ sind beim EKD Text: Der unauflösliche Zusammenhang von oikos und oikoumene bzw. dem eigenen Haushalt und dem Gesamthaushalt der Schöpfung in Verbindung mit dem Bild „Haus der lebendigen Steine“. Das „Priestertum aller Gläubigen“ beschränkt Christen/Christinnen in ihrer Anwaltschaft nicht nur auf das menschliche Miteinander. Bei dem Text der kath. 1. Lesung ergeben sich Bezüge zur Frage: Welche Anforderung stellt eine Regierungsführung, die dem Wohl des Ganzen dient?
Exegetische Anmerkungen und Anregungen zur Auslegung
1. Petr 2,1-10
A: Der 1. Petrusbrief ist ein Brief der Hoffnung, die ihren Grund in der Taufe der Glaubenden, kraft der Auferstehung von den Toten, hat. Lebendig soll die Hoffnung sein(1,3). Sie muss sich angesichts der Anfeindungen der Gemeinde bewähren. Die Christen sind zwar Fremde in der Welt. Sie sollen aber ihren Glauben bekennen und vor der Welt verantworten, in dem sie Rechenschaft geben von der Hoffnung, die in ihnen ist (3,15). Der 1. Petrusbrief ist der Brief im NT, in dem das Wort „Leiden“ am meisten vorkommt. Die Adressaten werden ermutigt, im Blick auf das Vorbild Christus, das ihnen widerfahrende Unrecht zu ertragen. Dies aber so, dass die eigene Existenz dem Beispiel Christi folgt und durch christusgemäßes Leben und Tun Strahlkraft hat. In unserem Textabschnitt dienen anschauliche Bilder mit alttestamentlichem Hintergrund dazu, die Berufung der Christen für ihre missionarische Präsenz prägnant zu verankern. Es sind die Bilder: Lebendige Steine, die sich zu einem geistlichen Hause aufbauen lassen, dessen Eckstein Jesus Christus bildet; ein auserwähltes Geschlecht; eine heilige, königliche Priesterschaft; ein heiliges Volk.
B: Das Haus der lebendigen Steine – Bild für das Miteinander im Lebenshaus der Schöpfung
Einige der im Text genannten Bilder, die das Selbstverständnis der Christinnen/Christen in ihrer gegenseitigen Beziehung untermauern und bestärken sollen, sind auch relevant für Themen unter dem Stichwort „nachhaltig“. Es geht um Rechenschaft der uns gegebenen Hoffnung durch ein umfassendes Zeugnis von Einzelnen und der Gesamtheit von Gemeinden und Kirchen. Da ist das Bild von den lebendigen Steinen, die sich in den Bau eines Hauses einfügen lassen Der einzelne Stein ist von Steinen daneben, darunter und darüber umgeben. D.h.: sich zur Verfügung zu stellen mit dem je eigenen Profil und sich mit den vorhandenen Gaben und Möglichkeiten ohne eigene Geltungssucht zur Zusammenarbeit bereit zu finden. Jeder einzelne Stein wird getragen und trägt andere. So entsteht eine tragfähige Architektur menschlichen, gemeindlichen Miteinanders. Nicht als Selbstzweck, sondern im Vertrauen darauf, dass andere sich ebenfalls in das Gesamtgefüge des Gebäudes einbauen lassen. Bei dem Wort „Haus“, im Griechischen „oikos“ schwingt im atl./ntl. Verständnis mehr mit als das Wohngebäude. Es ist zugleich eine soziale Einheit, in der die Einzelnen Heimat, Halt und wirtschaftliche Sicherheit wie in einer Familie finden. In unserer heutigen Wahrnehmung ist das „oikos“ in einem untrennbaren Zusammenhang zu „oikoumene“ zu sehen. Das bedeutet: das ganze Lebenshaus der von Gott geschaffenen Welt ist das Terrain, in dem sich unser Denken und Handeln zu verantworten hat. In diesem Verantwortungshorizont bedarf es der Einsicht, dass unser eigener Haushalt und der Gesamthaushalt der Erde unauflöslich zusammen gehören, mit allen Konsequenzen, die das beinhaltet. Das Bild von den lebendigen Steinen verdeutlicht auch, dass kein Stein über seine Beschaffenheit und Kapazität hinaus belastet werden darf. Die Maßgabe in Gal 6,2: „Einer trage des anderen Last“ heißt nicht, dass die Starken und die Schwachen die gleichen Lasten zu tragen hätten. Wie wir wissen, sind die Ressourcen und Chancen, die ein gutes Leben ermöglichen sehr ungleich verteilt. Die Belastungen von Teilen der Gesellschaft, von Teilen der Welt sind in wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Hinsicht von großer Ungerechtigkeit. Man denke nur an die völlig unfairen Arbeits- und Verdienstbedingungen von Textilarbeiterinnen z.B. in Bangladesh, Pakistan, Indien. Das ungezähmte Streben nach Gewinnmaximierung und fehlende Kontrollen in den Produktionsstätten entlarven die Werbesprüche und Versprechen von sozial und ökologisch handelnden Textilgroßunternehmen als Farce. Die Vorteile der billig produzierten Klamotten gehen an die Kunden in den Abnehmerstaaten. Nur einige Cent mehr für ein T-shirt oder für Jeans würde das Einkommen der ausgebeuteten Arbeiterinnen deutlich verbessern (nur 1% der Ware sind bisher die entstehenden Lohnkosten).
Andere Bildaussagen in unserem Text sind. „Ihr seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, das heilige Volk…“ Die Erwählung ist verbunden mit der Aufgabe“ die Wohltaten dessen zu verkünden, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.“ D.h. die Aufgabe ist es, durch konkrete Verhaltens- und Handlungsweisen Gottes Willen gemäß zum Wohl der Menschen zu leben (1.Petr 2,13-4,1).
Priestertum gegenüber der ganzen Oikoumene
Das auserwählt sein und das Priestertum schaffen keine elitäre Gruppenbildung mit dem Erhalt von Privilegien. Die „Auszeichnung“ besteht in einer qualitativen, beispielhaften Lebensführung. Von der Bezeichnung „königliches Priestertum“ leitet sich nach reformatorischem Verständnis das „Priestertum aller Gläubigen“ ab. Damit wird ausgedrückt, dass das Priestertum eine Gabe für jeden Christen und jede Christin ist, eine Gabe, mit der sie in Liebe, Gerechtigkeit und Frieden füreinander und für andere einstehen. Im Horizont des Gesamthaushalts der oikoumene ist damit auch das ganze bewohnte und belebte Haus von Gottes Schöpfung einbezogen.
1. Könige 3, 5.7-12
A: Der Text schildert die im Traum an der Kultstätte geäußerte Bitte Salomos um ein gehorsames Herz, damit er das Volk gerecht regieren kann und zu unterscheiden vermag, was gut und böse ist. Diese Bitte gefällt Gott, weil Salomo nicht um ein langes Leben, um Reichtum und um den Tod der Feinde gebeten hat. Seine Bitte wird erhört und er erhält ein weises Herz und Verstand, um mit einem, den Menschen zugewandten, offenen Ohr weise und gerecht richten zu können. Der Traum Salomos lehnt sich eng an ägyptische Vorbilder. Dort wurde Weisheit als hervorragende Tugend für die gesamte Regierungsführung herausgestellt. Weisheit bedeutet die Einsicht in die gottgewollte Ordnung der Welt und des alltäglichen Lebens. Das beinhaltet ein tiefes, verstehendes Eindringen in die Gesetzmäßigkeiten der Natur, in denen sich das Wirken Gottes zu erkennen gibt. Von solcher Weisheit geleitet, kann der König der große Wohltäter seines Volkes sein. Seine Herrschaft führt das Volk zur Blüte. Auch die erhöhte Fruchtbarkeit bei Menschen und Tieren und auf den Feldern ist ein Erweis der segensreichen Regierung.
B: Eine vorbildliche Regierungsführung hat das Wohl von Mensch und Natur im Blick
Der in unsrem Text vorgestellte Prüfstein für die Qualität der Regierungsarbeit lässt beim Betrachten der realen Verhältnisse hierzulande und weltweit viele Stellen erkennen, die diesem Prüfstein nur eingeschränkt oder gar nicht entsprechen. Dies gilt auch, wenn heute in unserem Land und in vielen Ländern demokratisch legitimierte Regierungen das Sagen haben. Beispielsweise lässt sich auch bei uns auf die Macht und den Einfluss der Banken sowie der Lobbyisten auf die nicht immer dem Gemeinwohl dienlichen Regierungsentscheidungen und Gesetze verweisen. Der Weisheit und dem Wohlergehen abträglich ist auch Klientelpolitik und Maßnahmen, die dem Machterhalt und dem Gewinn der nächsten Wahlen geschuldet sind. Die aus Eigeninteressen, oft nur kurzfristig gültigen, aber weitreichend nachteilig wirkende Entscheidungen führen bei vielen Bürgern zu Enttäuschung und Verdruss. Dies gilt insbesondere auch für Fragen, die dem Schutz der Umwelt/der Bewahrung der Schöpfung betreffen. Bei dem Volk der Akan in Ghana wird beim Thronwechsel eines Häuptlings oft auch eine geschnitzte Hand, die ein Ei mit den Fingern hochhält, überreicht. Damit verbindet sich die Botschaft: Macht ist delikat, sie ist wie ein zerbrechliches Ei. Man hat sie nicht für sich allein, sondern sie will geteilt werden zum Nutzen der Gemeinschaft. Die Figur ist eine ständige Mahnung und Aufforderung, die verliehene Macht nicht zu missbrauchen. In der Ermahnung bei der Inthronisation eines Königs heißt es z.B.: „Wir wünschen keine Habsucht. – Wir wünschen nicht, dass sein Ohr zu hart ist, um zu hören. – Wir wünschen nicht, dass er alles selbst bestimmt. – Wir wünschen nicht, dass wir missbraucht werden.“ Ich denke, hinter solche Wünsche würden sich auch hierzulande viele Menschen stellen.
PS: Die aus Tanzania stammende, geschnitzte Säule ist ein traditionelles Sinnbild für eine tragfähige und solidarische Gemeinschaft, in der sich alle nach Kräften zum Wohl des Ganzen beteiligen. Die vorausgehenden und die nachkommenden Geschlechter gehören auch dazu.
Gerhard Fritz