3. Sonntag nach Trinitatis / 14. Sonntag im Jahreskreis (06.07.14)

3. Sonntag nach Trinitatis / 14. Sonntag im Jahreskreis

 

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Hes 18, 1-4.21-24.30-32 Sach 9, 9-10 Röm 8, 9.11-13 Mt 11, 25-30

 

Der Autor betrachtet den Predigttext der protestantischen Leseordnung sowie alle Schriftlesungen der römisch-katholischen. Stichworte: Recht und Gerechtigkeit, Abkehr vom Bösen und Neuwerdung, Beenden des Krieges, innere Freiheit (wieder-)gewinnen

 

Stellung im Kirchenjahr

Die Schriftlesungen der Sonntage im Juni und Juli beschreiben, welche Kriterien die wahre Nachfolge Jesu auszeichnen, wobei es am 12. und 15. Sonntag im Jahreskreis um Entschiedenheit bzw. Hartnäckigkeit, am 13. um Demut und Bescheidenheit geht. Das Augenmerk des 14. Sonntags liegt auf dem konsequent friedfertigen Auftreten der Jüngerinnen und Jünger, die Gottes Schalom mit der Welt teilen sollen. Auf diesem Hintergrund würde sich die Erinnerung an zwei Jahrestage in der anschließenden Woche anbieten, nämlich die Eröffnung des Sechsten Evangelischen Kirchentages am 7. Juli 1954 in Leipzig, des vorerst letzten gesamtdeutschen und einzigen in der DDR, und die Billigung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr durch das Bundesverfassungsgericht am 12. Juli 1994.

 

Exegetische Anmerkungen

Ez 18,1-4.21-24.30-32:

Ez hinterfragt ein Denken, das in der Katastrophe des Exils die Vergeltung, die gerechte Strafe für die „Schuld der Väter“ sieht. Er entlarvt es als verengtes Verständnis von Schuld, das zwangsläufig in Ausweglosigkeit, Resignation und Tod führt. Vielmehr verkündet er einen Gott, der sich an mit seiner lebensfreundlichen Zusage an das ganze Volk, an seine Familie und Gemeinde wendet („ihr vom Haus Israel“). Folglich soll der Umgang mit Erfahrungen von Versagen und Schuld ein gemeinschaftlicher, solidarischer sein.

 

Sach 9,9-10:

Sach spricht in eine Epoche gewaltiger Schlachten und bedeutender politischer Umwälzungen hinein, nicht zuletzt in Folge der Feldzüge Alexander des Großen. Von daher ist sein Text nicht harmlos, sondern ausgesprochen kühn. Der alltäglichen Erfahrung von Krieg und Tod hält der Prophet entgegen, dass Gott schon im Kommen ist und den Tod besiegen wird. Der Friedenskönig ist schon in Sichtweite.

Streitwagen und Kriegsbögen, Gewalt und Zerstörung sind also nicht einfach unvermeidbare Realitäten, die es immer schon gegeben hat und die man eben hinnehmen muss. Die Welt wird erlöst, aber nicht durch Eroberer und Unterdrücker erlöst, sondern durch die Sanftmütigen, Barmherzigen und Hilfreichen.

 

Röm 8,9-11.13:

Dem Apostel geht es ganz radikal um Leben und Tod, er spricht sechsmal vom „leben“ und zweimal vom „sterben“. Was Paulus mit „dem Fleisch verpflichtet“ meint, ist die Lust am irdischen, die Beschränkung der Existenz auf das gänzlich Diesseitige. Das kann eine Überbetonung von Sexualität einschließen, aber ebenso den Wunsch nach Reichtum, Luxus, Anerkennung und Macht.

Christen, so Paulus, muss diese Einstellung fremd sein. Der einseitigen Betonung der Gegenwart können sie ihre Hoffnung auf Zukunft, ja Ewigkeit entgegensetzen, der Begrenzung auf die sichtbare Existenz die Erwartung einer Wirklichkeit, die alle Grenzen sprengt.

 

Mt 11,25-30:

Im Kontext von Mt 11f, die Person und Sendung Jesu konturieren, verbindet die Perikope drei Sprüche, die sich besonders an die „Unmündigen und Beladenen“ richtet, und schlägt damit schon die Brücke zu Mt 13, wo Jesus die „Geheimnisse des Himmelreiches“ (Mt 13,11) entfaltet. Dabei stellt der Evangelist unseren Text auf den Hintergrund jüdischer Weisheitstheologie, mit der Sinnspitze in V. 28. Denn wie in Sir 51,23 die Weisheit, ruft Jesus selbst jetzt alle, die schwere Lasten zu tragen haben.

Das impliziert die Beschwernisse des Alltags, aber auch die Bürde, die unzähligen Gesetzesvorschriften der Schriftgelehrten und Pharisäer zu kennen und zu befolgen (Mt 23,4). Jesus nachfolgen in dem, was er vorlebt und vorgibt an Gottvertrauen und so von ihm zu lernen, führt den Menschen zur Ruhe und lässt ihn die innere Freiheit (wieder) gewinnen.

 

Predigtskizze

Äußere Umstände wie Exil (Ez) oder Krieg (Sach) stürzen Menschen in schwer belastende, mitunter Tod bringende Situationen und stellen ihn vor die Alternative, entweder nach-  und schließlich aufzugeben oder aber zu widerstehen, gegenzuhalten und sich für das Leben engagieren. Im Grund schlägt also das Äußere in der Weise auf das Innere des Menschen durch, dass er sich vor die radikale Alternative gestellt sieht, entweder nach dem Fleisch oder nach dem Geist zu leben (Röm).

Dabei besteht aller Anlass, sich für letzteres zu entscheiden, und sowohl Sach als auch Röm werben eindringlich dafür, in dem sie auf den kommenden Friedenskönig bzw. das durch Jesu Auferstehung neu möglichen Leben verweisen. Auch Mt unterstreicht Gottes Angebot, sich zunächst einmal total auf ihn einzulassen, um bei ihm und durch ihn die innere Freiheit (wieder) zu gewinnen. Denn Jesus gewährt nicht nur Ruhe und Zuflucht, er bietet dem Menschen die Chance zur Neuwerdung (vgl. Ez „neues Herz und neuer Geist“), und befähigt ihn, in der Nachfolge des Friedenskönigs sich dafür einzusetzen, dass Recht und Gerechtigkeit entstehen bzw. wiederkehren.

 

Bezüge zur Nachhaltigkeit, Beispiele zur Umsetzung und weitere Kontexte

1. Recht und Gerechtigkeit (Ez)

Zu den Grundprinzipien des 2008 gegründeten Vereins „Lebensdorf e.V.“ gehört die besondere Sorgfalt, die auf Gemeinschaftsbildung und Beziehungsprozesse gelegt wird. Denn „Gemeinschaftsbildung, die auf Freiwilligkeit aller Beteiligten beruht, kann unserer Meinung nach wertvollen sozialen Rückhalt zur Unterstützung einer nachhaltigen Entwicklung individueller Freiheiten bieten. Um die Beziehungsprozesse, die nicht nur bei intentionaler Gemeinschaftsbildung, sondern bei jeglicher sozialer Interaktion bewusst und unbewusst ablaufen, möglichst gewinnbringend für alle Beteiligten zu gestalten, widmen wir diesem Themenfeld große Aufmerksamkeit. Insbesondere befassen wir uns lösungsorientiert mit Konflikten: Wir üben uns in Konfliktlösungsmethoden und -strategien, möglichst schon bevor Konflikte in Streit ausarten. Die Auseinandersetzung mit Kommunikationsprozessen richten wir auf eine Stärkung des gemeinschaftlichen Zusammenlebens hin aus, was wiederum sozial verträgliche, individuelle Entfaltungsmöglichkeiten begünstigen sollte.“

2. Abkehr vom Bösen und Neuwerdung (Ez, Röm)

So hinter dem Unrecht herzujapsen wie ich
kann einen mit tiefer Befriedigung erfüllen

Wenn ich ihm nachhumple
kann ich sagen: „Es flieht vor mir!“
Wenn es kehrtmacht,
rufe ich im Davonlaufen:
„Das sind nur seine Rückzugsgefechte!“

Dabei weiß ich ganz genau
ich hole es niemals ein
also wird es sich hoffentlich
auch nicht an mir vergreifen

Aber weil ich es wittern kann
und es ständig im Auge behalte
kann ich vielleicht auch vor ihm
immer rechtzeitig auf der Hut sein

Dazu kommt noch mein guter Ruf
als Vorkämpfer gegen das Unrecht
Der ist doch auch etwas wert
und der bleibt mir noch lange

Darum bin ich dem Unrecht
schon richtig ein wenig dankbar
Was finge ich ohne es an
mit dem Rest meines Lebens?

Erich Fried: Lebensaufgabe, in: Es ist was es ist, 19962

 

3. Beenden des Krieges (Sach)

Es wird von uns verlangt
aus Gründen der Gerechtigkeit
Früher oder später
Gutes zu sagen

Und dieses schwer
Auszusprechende
Kleine Wort Ja

Und das mitten hier
Keineswegs flußüber
Wo die Hand im lauen
Wasser den Kielstreifen zieht
Wo die unwirtlichen Wälder warten

Keineswegs trunken
Vom Wein der vergessen macht
Unverkleidet in Purpur
Und Schneeweiß der Träume

Auf Korridoren
Zugwindigen
Des Übergangs
Auf Fußböden erschüttert
Vom Rattern der Kriegsmaschine
In Schwaden  von Aktenstaub
Mühselig atmend

Hier

Marie Luise Kaschnitz: Ja, in: Die Gedichte = Gesammelte Werke 5 (1985)

 

4. Die innere Freiheit (wieder-) gewinnen (Ez, Sach, Mt)

Ich hab‘ ein zärtliches Gefühl
für jeden Nichtsnutz, jeden Kerl,
der frei umherzieht ohne Ziel,
der niemands Knecht ist, niemands Herr.
 
Ich hab‘ ein zärtliches Gefühl
für den, der seinen Mund auftut,
der Gesten gegenüber kühl
und brüllt, wenn ihn danach zumut‘
 
Ich hab‘ ein zärtliches Gefühl
für den, der sich zu träumen traut,
der, wenn sein Traum die Wahrheit trifft,
für jeden Menschen, wenn er nur
vollkommen wehrlos lieben kann.

Hermann van Veen, Ein zärtliches Gefühl, in: Liedtexte aus 25 Jahren, 1995

 

Lit.: Greenberg, Moshe: Ezechiel 1-20 = Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament, 2001

Kunz, Andreas: Ablehnung des Krieges. Untersuchungen zu Sacharja 9 und 10 = Herders Biblische Studien 17 (1997)

Luz, Ulrich: Das Evangelium nach Matthäus (Mt 8-17) = EKK I/2 (1990)

Wilckens, Ulrich: Der Brief an die Römer (Röm 6-11) = EKK VI/2 (19933)

 

 

J.Grant