3. Sonntag nach Epiphanias / 3. Sonntag im Jahreskreis
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2 Kön 5,(1-8)9-15(16-18)19a | Jona 3, 1-5.10 | 1 Kor 7, 29-31 | Mk 1, 14-20 |
2 Kön 5 – ein Fremder wird geheilt
Die Geschichte der Heilung des Naaman („schön, gütig, beliebt") in 2 Kön 5 scheint auf den ersten Blick das Thema Gastfreundschaft nicht besonders zu berühren; manche Stelle darin dürfte sogar für das antike orientalische Verständnis von Gastfreundschaft in seiner relevanten sozialen Dimension sogar widerstrebend sein, so etwa das Verhalten des Propheten gegenüber Naaman. Oder ist es gar kein Fall, in dem Gastfreundschaft für einen Privatreisenden als tugendhafte Haltung zu leisten ist? Gefragt werden kann, in welcher Haltung Naaman zum König von Israel kommt und schließlich an Elischa weiter verwiesen wird.
Naaman ist ein angesehener Militär des Königs von Aram; unter seiner Herrschaft kommt es auch zu Raubzügen, bei denen nicht nur Sach-Beute in Israel gemacht wird, sondern auch Menschen versklavt werden, so ein junges Mädchen aus Israel (5,2). Diese namenlose junge Frau kommt in den Dienst der Frau des Naaman. Naaman ist siegreich und anerkannt (sozial, ökonomisch, militärisch). Und doch ist er zugleich geschlagen, geschlagen mit einer Krankheit, die Aussatz genannt wird und wohl eine nicht näher bestimmbare Hautkrankheit ist. Was er zu diesem Zeitpunkt nicht weiß, aber den Hörer:innen der Geschichte vermittelt wird: seine Erfolge verdankt Naaman dem Gott Israels, offensichtlich wegen seines ethischen Verhaltens.
Dieser Gott Israels wird Naaman, so wissen wir vom Ausgang der Geschichte her, nicht nur zum Befreier von Krankheit, sondern zu dem wahren Gott, auf den sich fortan sein Leben ausrichten wird (dazu lässt er sich Erde des Territoriums, wo Gott angebetet wird, mitgeben). Der Weg zu dieser Einsicht ist ein eigenwilliger. Hier nehmen gerade eine unbenamte Helfer und unbenamte Diener eine Nebenrolle ein, die von ihrer Effizienz her die Geschichte voranbringt. Da ist zum einen die verschleppte junge Frau aus Israel. Sie hat für ihren Gebieter eine (Er-)Lösung im Blick, denn sie weiß um den Propheten in Samaria, den wir als Elischa benennen können. Naaman lässt sich von der auf einer sozial niederen Stellung stehenden jungen Frau aber etwas sagen. Und anschließend von seinem König offiziell beauftragen und finanziell unterstützen, sich heilen zu lassen.
Für den König von Aram kann in seinem Denken sein Heerführer erst einmal nur von einem gleichwertigen Kraftinhaber geheilt werden, und so sendet er zum König in Israel. Machthaber unter sich regeln, was Angehörige der Oberschichte brauchen. Und sie bringen dazu auch die materiellen Machtmittel ein. Es ist ein unverhältnismäßig erscheinendes Finanzbudget, mit dem Naaman ausgestattet wird – nicht nur Wertschätzung seines Heerführers, sondern auch Anspruch auf Relevanz, die der Geber beansprucht und daher eine angemessene Aktion erwartet.
Den König von Israel irritiert das Anliegen; er weiß um seine eigene Machtlosigkeit und Nichtgöttlichkeit, und vermutet einen Streitanlass. Das Wissen um einen Propheten in seinem Herrschaftsbereich, der für Gott einsteht, scheint ihm unbekannt, was sich auch aus der Kritik Elischas am König heraushören lässt. Diesem/r Versuch(ung) entgegnet der König durch symbolische Verweigerung. Wie auch immer Elischa davon erfährt, er lässt den machtvoll daher reisenden Naaman zu sich kommen. Dieser vor seinem Haus angekommen geht er, entgegen der Höflichkeitsregel gegenüber Höhergestellten, offiziell Mächtigen, aber auch Gästen, nicht entgegen. Elischas Verhalten disqualifiziert Naaman als Gast, der ja so gar nicht seine Angewiesenheit auf Gastfreundschaft vermittelt, wenn er mit beeindruckender Entourage auffährt.
Elischa lässt in seinem Verhalten erkennen, wer hier Bittsteller ist; dieser glaubt den Anspruch auf ein großes Ritual zu haben und entsprechend dafür Leistung zu erbringen – er glaubt sich auch Gesundheit einkaufen zu können. Elischas Verhalten stellt die Sache auf den Kopf: bei ihm ist der Gast nicht König, weil er zahlen kann. Dass Gott Naaman protegiert, braucht ein Verhalten, wie es Fremde, Reisende an den Tag legen, wenn sie unterwegs sind: eine Haltung der Offenheit und Dankbarkeit prägt ein gastfreundschaftliches Verhältnis. Nicht Forderung einer Leistung, sondern Bereitschaft zur Annahme der Gabe – und im Blick vom Verhalten Gehazis her – die Vermittlung bzw. Weitergabe des Lebensnotwendigen aus der Position des Selbstbeschenkten heraus, der nichts fordern kann für das, was von Gott gegeben wird. Das ist ein Lernprozess. Der Prophet bemüht sich nicht selbst zu Naaman, sondern schickt einen Boten, der eine banal erscheinende Waschaktion aufträgt, für die der Fremde aus Aram in ein für Naaman unbedeutenden Fluss siebenmal steigen soll. Wieder wird der Angereiste enttäuscht und aus der enttäuschten Erwartung wird Wut. Doch es ist das Glück des Naaman, dass er seine Haltung des Hörens auf andere, auch sozial nicht gleichgestellte Menschen nicht verloren hat. Seine, wie bei der Dienerin seiner Frau ebenfalls unbenamten Diener nehmen nur eine kleine Rolle ein, aber sie ermöglichen den Fortgang zum Guten. Sie können den Herrn umstimmen und zum Tun des kleinen Auftrags statt der erwarteten großen Herausforderung bewegen. Im Tun des Einfachen, in der Annahme des kaum Erwähnenswerten geschieht das Erhoffte – kleiner Einsatz, große Wirkung.
Mit dieser Erfahrung ändert sich Naaman Sicht und er erkennt, wer der wahre Gott ist und welche Bedeutung dieser Gott Israels hat. Bei der Rückkehr zum Propheten kann er sich als „dein Knecht" bezeichnen und will sich dankbar erweisen. Doch Elischa weiß, dass nicht er den Dank verdient, da er nicht der Wirkende ist. Der von der Hautkrankheit befreite Mensch ist zum wohlversorgten Gast geworden, nicht Elischas, sondern Gottes. Der ist nicht käuflich, der erweist sich auch nicht territorial oder ethnisch beschränkt – dieser Gott nimmt den Menschen als sein Geschöpf in seine Gastfreundschaft auf, woher und wo und unter welchen Umständen sie auch leben. Voraussetzung ist nur, die Gastfreundschaft anzunehmen.
Jona 3 : mach dich auf Veränderung gefasst
Eine Geschichte um Gastfreundschaft? Auch hier wird nicht gleich erkennbar, dass es sich um eine gastfreundschaftliche Begegnung handelt. Es scheint eher eine Geschichte der Konfrontation zu sein – die ihren besonderen Ausgang nimmt.
Beim zweiten Versuch Gottes, Jona zu seinem Auftrag zu bewegen, klappt es: aus dem widerwilligen Propheten wird ein Prophet, der dem Auftrag Folge leistet. Allerdings mit persönlichem Akzent, wie sich aus dem nachfolgenden vierten Kapitel ersehen lässt. Jona geht nach Ninive, hinein in die Metropole der Bosheit (vgl. 1,2). Er betritt eine auch für Gott riesige Stadt. Kommt er, der Wanderer, als Gast nach Ninive? Kaum, jedenfalls scheint sich eine Metropole normalerweise nicht eines solchen Gastes zu erfreuen. Sein Gastsein ist eher ambivalent von offenbar von kurzer Dauer. Jona erledigt seinen Auftrag auf denkbar knappste Weise: Ansage der Zerstörung mit Zeitansage. Mehr nicht. Und das war es dann auch. Keine Erläuterung, keine Ansage möglicher Strategien, das Angesagte abzuwenden. Will so jemand überhaupt als Gast aufgenommen werden?
Jonas Beitrag zu Gottes Werk ist getan – und erzielt Wirkung, die dem Ansagenden, wie wir später erfahren, gar nicht schmeckt. Seine Botschaft ist krass und wirkt doch sofort. Erstaunlich – denn Gottes Botschaft an ihn wirkte ja erst beim zweiten Anlauf, erst, als der Prophet eine persönliche Katastrophe er- und überlebt hat. Jona verweigerte die Kommunikation mit Gott. Die Niniviten hingegen verlassen sich völlig auf den Gott, ausgelöst durch das Wort seines Propheten. Die Niniviten wandeln sich, nehmen Kehrt von ihrem Verhalten und treten in Kommunikation mit dem, von dem sie erwarten, dass er die Sache in Hoffnung noch zum Besseren kehrt. Die Niniviten sind so das Gegenbild zu Jona. Vorher, in ihrer Gottwidrigkeit, und in ihrem unmittelbaren Vertrauen auf Gott nach der Botschaft, ansichtig in ihrer Umkehr und Offenheit für Gott. Sie nehmen einen Gott an und hoffen, dass dieser das Unvermeidliche, das aufscheinende Gericht vermeiden kann. Ohne dass sie diesen Gott schon länger kennen, vertrauen sie ihm – so wie einem Fremden, der Gast wird und von dem Romano Guardini einmal sagte, der Gast bringt Gott herein – und in der Erfahrung werden sie selbst zu Gästen, die Göttliches erfahren. Sie werden in ihrer Hoffnung bestätigt – denn sie haben sich in radikaler Weise darauf eingestellt, mit Fasten und Klagen, das ausgeweitet wird über die menschliche Gattung hinaus.
Gäste sind Reisende, die Nahrung und Unterkunft brauchen. Wenn Gastfreundschaft bedeutet, dass einem Menschen auf seinem Weg das Lebensnotwendige, Schutz wie Herberge und Stärkung gegeben wird, dann erweist sich den Bewohnern von Ninive dieser fremde Gott insofern als Gastgeber der Menschen auf dem Lebensweg, weil er sie mit der lebenserhaltenden Gabe der Versöhnung beschenkt. Erstaunlich ist, dass die ungeschminkte Drohbotschaft bei den Angesprochenen etwas antrifft, was sie dazu führt, sich ungeschminkt zu zeigen als die, die der Erlösung bedürftig sind. Ohne Wenn und Aber tun sie das Not-Wendige, was ihre die Not resp. die Gefährdung der endgültigen Vernichtung abwenden kann. Liest man im Buch Jona weiter, erfährt die Lesende, dass es dem Propheten so ganz und gar nicht gefiel, was bei den Niniviten geschah. Sie blieben ihm fremd und so betrachtet hatte er diese Gastfreundschaft im Sinne der Philoxenie (noch) nicht als Gottes Haltung zu den Menschen entdeckt. (Im Griechischen und im Neue Testament findet sich für Gastfreundschaft der Begriff φιλοξενία philoxenia = „Fremdenliebe", vgl. Röm 12,13; Hebr 13,2).
[Beim Text 1 Kor 7,29-31: hier ist das Thema Gastfreundschaft nicht erschließbar. Insofern die Aussagerichtung dahingeht, dass in endzeitlicher Sicht nicht der Wert der Beziehung als solcher in Frage gestellt ist, sondern gefragt werden muss, was eine Bindung mit sich bringt – und im Blick auf irdische Umstände stehen sie immer in der Gefahr der Fragilität – wird die Bindung an Christus bevorzugt, weil sie über die irdische Existenz hinaus besteht. Alles im irdischen Leben so geschehen lassen, als wäre es nicht der Mittelpunkt der eigenen Existenz, das ermöglicht auch Freiheit, innere Distanz und in gewissem Sinne auch die ignatianische Indifferenz zu den Dingen, Gefühlen. Diese innere Gelassenheit aus Freiheit ermöglicht natürlich auch, sich gastfreundlich in einem umfassenden und angstfreien Sinne zu verhalten.]
Mk 1,14-20 Nachfolge braucht Gastfreundschaft – Gastfreundschaft als Übungsraum
Die Perikope verbindet zwei Erzählungen vom Beginn des Wirkens Jesu in Galiläa: zum einen die erste Verkündigung des Evangeliums durch Jesus und anschließend eine konzentrierte Erzählung über die Berufung der ersten Jünger.
Das Ausrufen der nahe (nahegekommenen) Herrschaft Gottes, ist Einladung und Ermahnung wie Ermutigung, sich auf Gottes Heilsangebot einzulassen und sie zum Lebensziel werden zu lassen. Die Zielsetzung des Evangeliums bedeutet auch, dass Menschen in die Nachfolge des Evangeliums treten. Orientierungsgröße ist dabei Jesus, der, nachdem der Täufer ausgeliefert wurde – und Jesus wird später ebenso ausgeliefert oder anders formuliert dahingegeben -, mit den Menschen Jüngerinnen und Jünger um sich sammelt, die an seinem Schicksal teilhaben und es teilen. Das heißt aber auch, auch sie lassen sich damit ein auf das Evangelium, liefern sich den Menschen aus, geben sich für die Erfüllung des Evangeliums hin. Einem Schüler / einer Schülerin Jesu wird es nicht besser ergehen als ihrem Meister – sie teilen das Schicksal, damit aber auch die Heilsperspektive, die Hoffnung, das Vertrauen und die Beziehung in Gott.
Perspektive ist das Erfülltwerden des Wirk-/Kraftraumes Gottes (Reich Gottes), dessen Nähe und Präsenz bei und unter den Menschen in all den Heilserfahrungen aufscheint, die das Evangelium als Heilung und hinwendende Veränderung von Menschen beschreibt.
Diese Jüngerschaft geht nicht nebenbei: für das Evangelium kann ich nicht unterwegs sein und zugleich am Wohnsitz kleben. Der Aufbruch wirkt in die Wurzel der eigenen Existenz, denn es geht um Verwurzelung in einem sich dynamisch erweisenden Gott und um Entwurzelung aus dem festgefahrenen, verhärteten und immobil gewordenen Status. Es braucht dazu eine neue Denkart, ein metanoiete, das umdenkt und transformativ denkt und so auf ein dynamisches Gottvertrauen hin sich öffnet. Die Erzählung der ersten Berufungen haben dies konzentrativ im Blick. Jesus ist und die Jünger werden zu Wanderern / Pilgern des Evangeliums. In ihrem Unterwegssein zu den Menschen lassen sie sich ein auf die Gastfreundschaft derer, zu denen sie unterwegs sind: zum einen, wegen des existentiellen Lebensunterhalts und des nächtlichen Schutzes, zum anderen aber auch, um so die Bereitschaft der Menschen zu finden, die sie aufzunehmen und die ihnen Gehör schenken für die neue, erfüllende Botschaft des Heils.
Wer nachfolgt, das bringt die Perikope erzählerisch pointiert zutage, macht keine großen Pläne, Reise-Arrangements, legt keine Routen fest – wer nachfolgt geht los und tut es so, wie es Madeleine Debrel ausdrückt: „ohne vorgefasste Ideen, ohne die Erwartung von Müdigkeit, ohne Plan von Gott, ohne Bescheidwissen über ihn, ohne Enthusiasmus, ohne Bibliothek – geht so auf die Begegnung mit ihm zu. Brecht auf ohne Landkarte – und wisst, dass Gott unterwegs zu finden ist, und nicht erst am Ziel. Versucht nicht, ihn nach Originalrezepten zu finden, sondern lasst euch von ihm finden in der Armut eines banalen Lebens." Das aber sind die Konditionen, auf die auch die Gastfreundschaft sich immer ausrichtet, wenn sie Menschen empfängt und aufnimmt, versorgt. Menschen, die sich ihrer Abhängigkeit (Armut) bewusst sind und sich vertrauend den gastgebenden Personen anvertrauen und damit zeigen, dass Gastfreundschaft ein Übungsort für Nachfolge ist. Nachfolger sind dann aber auch solche, die wie Guardini sagt, als Gäste Gott mitbringen oder anders gesagt, die das Evangelium als Ansage der sich erfüllenden Zeit mit Gott nahebringen.
Jüngerin und Jünger sein heißt also sich einzulassen auf ein Leben, das ganz im Vertrauen auf Jesus und den Vater lebt, denn „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester, der Menschensohn aber hat keinen Platz, wohin er seinen Kopf hinlegen kann" (Mt 8,20) – und Gott ist letztlich der große Gastgeber für alle, die sich in ihrer Mühseligkeit und Beladenheit bei ihm erfüllend neu schöpfen lassen.
Christoph Schmitt, Calw/Rottenburg