1Mose 28,10-
19a(19b-22);
Jes 12,1-6; 1Thess 5,14-24; Lk 19,1-10 [www.stichwortp.de]
14. Sonntag nach Trinitatis / 23. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Lk 17, 11-19 | Jes 35, 4-7a | Jak 2, 1-5 | Mk 7, 31-37 |
Vorbemerkungen
Alle vier biblischen Texte betrachte ich unter dem Stichwort „Teilhabe am Leben“. Damit die Formel von der „Teilhabe am Leben“ nicht im Abstrakten steckenbleibt, verweise ich an dieser Stelle auf die Deklaration der „Erdcharta“ ( www.erdcharta.de), die in Deutschland – im Auftrag der UNESCO – von der „Ökumenischen Initiative Eine Welt“ (www.oeiew.de) koordiniert wird.
Die Erd-Charta entfaltet das, was aus ethischen Gesichtspunkten getan werden sollte, recht konkret und umfassend. So tritt sie z.B. für die Erhaltung der biologischen und kulturellen Vielfalt ebenso ein wie für die Förderung von Partizipation und einer Kultur der Gewaltlosigkeit. Die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Beseitigung von Armut betrachtet sie als notwendige Voraussetzungen für nachhaltige Entwicklung.
Für mich ist die Deklaration der „Erdcharta“ ein anregendes Dokument „vernetzten Denkens“. Sie betont einerseits, was es zu bewahren gilt. Andererseits ist sie erfüllt von der Sehnsucht nach einer „wunderbaren Verwandlung der Erde“ – im Sinne von Jesaja und seinem Traum, dass aus Wüsten Gärten werden (Jes 35, 1). Dazu passt das Foto vom „Bibelgarten“ in St. Josef, Schöffengrund; früher gab es dort lediglich eine öde Rasenfläche.
Lk 17, 11-19: Der dankbare Samariter
Diese Perikope gehört zur Kategorie der Wunderheilungen Jesu. Von zehn Aussätzigen, die wieder gesund wurden, bedankte sich einer: ein Fremder aus Samarien.
Menschen in der Antike, die unter ansteckenden Hauterkrankungen zu leiden hatten, wurden vom normalen Leben abgesondert. Ihr Los war zumeist ein Vegetieren im Abseits der Dörfer und Städte – im Schatten des Todes. Statt sich zu vereinzeln, verbünden sich aber jene zehn Aussätzigen. Statt sich zu verstecken und sich still dem Schicksal zu ergeben, begehren sie lautstark auf. Sie treten für ihre eigene Sache ein und treten selbstbewusst auf. Sie wollen gehört werden, um geheilt zu werden.
Denn nur wer halbwegs gesund ist, der ist nicht draußen vor. Was Jesus ihnen dann aber anbietet, das ist mager. Er sagt nur, wohin sie gehen sollen: zu den Priestern, damit sie ihnen ihre Heilung beglaubigen. Das ist nicht mehr als eine wage Aussicht. Erst unterwegs, nachdem sie vertrauend aufgebrochen sind, stellt sich ihre Gesundung ein. Nur der Fremde aus Samarien verzichtet (erst einmal) auf die priesterliche Beglaubigung. Er kehrt um und wendet sich Jesus zu - lautstark Gott dankend.
Chronische Krankheiten und – zumeist damit einhergehend Armut – verunmöglicht oder erschwert eine wirkliche Teilhabe am Leben. Etliche Krankheiten sind aber menschengemacht – etwa aufgrund von ungesundem Wasser oder Arbeitsbedingungen. Und durch den fehlenden Zugang zu einem funktionierenden Gesundheitssystem bleiben Menschen das, was sie sind: krank, behindert und arm.
Die Perikope verdeutlicht noch etwas: Vereinzelung gut nicht gut. Das gemeinsame Ein- und Auftreten, um überhaupt etwas in Bewegung zu bringen, ist ebenso wichtig wie die Bereitschaft, sich hoffend auf den Weg zu machen, das Vertraute, sei es auch nur die Opferrolle, hinter sich lassend. Und in punkto Dankbarkeit bleibt anzumerken: Dankbarkeit stiftet und verstärkt Beziehungen, die auch belastbar sind.
Jes 35, 4-7a: Sagt den Verzagten: Habt Mut, fürchtet euch nicht!
Mit diesen Zeilen versucht Jesaja jenen, deren Herz verzagt ist, Mut auf eine wunderbare Verwandlung zuzusprechen. Er verspricht ihnen, die in das Land Israel zurückkehren, im Auftrag Gottes „blühende Landschaften“ inmitten von Steppe und Wüste.
Unter dem Gesichtspunkt Teilhabe am Leben lese ich diesen Text als Einladung, mehr zu erhoffen, als auf den ersten Blick realistisch erscheint. Das Reich Gottes darf schöner, solidarischer, bunter und vielfältiger sein, als viele es von uns zu denken wagen. Und dass es nicht erst im „Konsum“ oder im „Jenseits“ beginnt, das wird den „Herren der Welt“ gewiss nicht passen. Eine „Kultur der Toleranz“ ist möglich – auch in einer Welt, in denen Menschen ihre jeweilige Religion, Rasse oder Nation zum Götzen erheben. Die „Erhaltung der biologische Vielfalt“ ist möglich – auch in einer Welt, in denen Unternehmen – auch um des Geldes willen - Pflanzen und Tiere gentechnisch verändern und patentieren lassen.
Teilhabe am Leben schließt auch eine ehrliche Reflektion dessen ein, ob in uns eine mehr oder weniger unbewusste Angst vor realen Veränderungen steckt. Sind wir (Bürgerlichen) nicht oft auch immer wieder Verzagte und Mutlose vor der Zukunft?
Jak 2, 1-5: Macht keine Unterschiede nach der sozialen Rangordnung.
Diese Perikope darf als Spiegel an Menschen, die selber arm sind, gelesen werden. Obwohl, so Jakobus in seinem Brief, die Reichen die Armen schikanieren (Vers 6), neigen so manche armen Menschen dazu, die Vornehmen und Reichen zu hofieren und anderen Armen zugleich ihrer Würde zu berauben.
Unter dem Gesichtspunkt Teilhabe am Leben lese ich diesen Text als Kritik am Verhalten von Menschen, die selber ausgegrenzt und benachteiligt werden, es aber gegenüber anderen an Solidarität vermissen lassen. Jene übernehmen vorherrschende Verhaltensmuster, sich selber zu erhöhen, indem sie andere klein machen. Erlernte Verhaltensmuster (selber) zu durchkreuzen, das klingt einfach, ist es aber nicht!
Mk 7, 31-37: Und sie bringen ihm einen Tauben.
Diese Perikope gehört zur Kategorie der Wunderheilung Jesu. Konkret geht es um die Heilung eines tauben Menschen, der zugleich kaum zum Reden fähig ist.
Unter dem Gesichtspunkt Teilhabe am Leben knüpfe ich daran an, was ganz nebenbei formuliert wird: „Und sie bringen ihm einen Tauben und kaum zum Reden Fähigen, und sie bitten Jesus, dass er ihm die Hand auflege.“ Das kleine Wörtchen „sie“ bleibt fast im Verborgenen! Wer sind „sie“, die für den Taubstummen eintreten, ihn möglicherweise vorab gefragt haben, ob sie ihn zu Jesus führen sollen und ihm Mut zugesprochen haben? Wer sind „sie“, die nicht im Beobachten und Bedauern des Taubstummen verharren, sondern sich der Mühe unterziehen, ihn zu Jesus zu bringen, der von seinen Jüngern und von den Volksmassen abgeschirmt wird? Wer sind „sie“, die nicht verschämt zur Seite schauen, sondern dem Wunder auf die Sprünge helfen – durch ihr Ein- und Auftreten? Damit Wunder geschehen können, bedarf es einiger Bedingungen! - Auch die „Energiewende“ (hin zur vermehrten Nutzung von Wind und Sonne) konnte nur gelingen, weil einige „sie“ den Mut hatten, einen neuen Anfang zu wagen, obwohl sie anfangs müde belächelt wurden.
Richard Ackva, Schöffengrund (Bistum Limburg)