9(10-14)15
(18-25);
Mt 6,25-34; 1Petr 5,5b-11; Lk 17,5-6; 1Mose 15,1-6; Gal 5,25-6,10 [www.stichwortp.de]
15. Sonntag nach Trinitatis / 24. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Mt 6, 25-34 | Jes 50, 5-9a | Jak 2, 14-18 | Mk 8, 27-35 |
1) Matthäus 6, 25-34
Der Text ist Teil der Bergpredigt, die von Matthäus sorgfältig komponiert ist und zentrale Aussagen des Evangeliums Jesu enthält(Seligpreisung der Armen , der Friedfertigen und Barmherzigen, das Gebot der Feindesliebe, das Vater Unser u.a.).
In unserem Abschnitt geht es um die Warnung vor dem Sich-Sorgen um materielle Dinge und das Schätzesammeln. Die Natur wird als Vorbild für eine gelassene Sorglosigkeit dargestellt : „Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in Scheunen; und eurer himmlische Vater ernährt sie doch“(V. 26).“ Schaut die Lilien auf dem Felde an, wie sie wachsen. Sie arbeiten nicht auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass auch Salomon in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen“ (V. 28-29). Die Vögel unter dem Himmel und die Lilien auf dem Felde zeigen dem Menschen, dass auch er trotz aller seiner Fähigkeit zur planerischen Vorsorge und seiner schöpferischen wie technischen Potentiale zutiefst auf die lebensspende Kraft und die Fürsorge des Schöpfers angewiesen ist. Auch er ist Teil der Schöpfung und somit angewiesen auf den Schöpfer und die Mitschöpfung. Wenn er meint, Gott und den Nächsten nicht zu brauchen, verfehlt er sich selbst. Dann droht die Gefahr, dass die Sorge um sich selbst und das eigene Auskommen so sehr Überhand gewinnt, dass er sich von Gott und der Mitschöpfung abschneidet. Die Ausrichtung auf Gott und seine Welt dagegen macht die Sorge um das eigene Leben kleiner und schenkt die gelassene Sorglosigkeit der Vögel und der Blumen. Sie bringt alles in das richtige Gleichgewicht. „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen“( V. 33)
Ich verstehe diesen Abschnitt der Bergpredigt als einen Impuls, gegen das vorherrschende Streben nach immer mehr Leistung und Wachstum, nach Selbstbestimmung und Unabhängigkeit die eigene menschliche Bedürftigkeit und Begrenztheit anzunehmen und als etwas wertzuschätzen, was uns „menschlich“ macht. Das wäre ein erster Schritt der Einübung in eine „Ethik des Genug“, die sowohl unserer Seele als auch den von den Folgen des Klimawandels bedrohten Schöpfung gut tun würde.
2) Jesaja 50, 5-9a
Dieser Abschnitt aus Jesaja 50 gehört zu den sogenannten „Gottesknechtsliedern“. Die Deutungen zu der Frage, wer mit diesem leidenden „Gottesknecht“ gemeint sein könnte (das Volk Israel, der Prophet, Christus u.a.), gehen weit auseinander. Auf jeden Fall ist auch hier die Empfänglichkeit und die Ausrichtung des Gottesknechtes auf Gott ein Thema. Er hört auf Gott und vertraut ihm in seinem Leiden. Deutet man das Gottesknechtslied – wie die Evangelisten im Neuen Testament- auf Christus, dann wird uns hier Gott selbst in Christus als leidensfähig dargestellt. Gott steht nicht erhaben über seiner Schöpfung, er leidet mit seinen Menschen, ja mit seiner ganzen Schöpfung. Indem er in Christus ihr Leiden teilt und auf sich nimmt, geschieht Erlösung und Befreiung nicht nur des Menschen, sondern der ganzen Schöpfung. Diese Leidensfähigkeit Gottes und das Hineinnehmen der ganzen Schöpfung in das Erlösungshandeln Gottes werden auch in der aktuellen Erklärung des Ökumenischen Rates der Kirchen zu Mission und Evangelisation betont. So heißt es „Gottes Liebe verkündet die Erlösung der Menschheit nicht getrennt von der Erneuerung der ganzen Schöpfung. Wir sind aufgerufen, an Gottes Mission teilzunehmen und dabei unsere anthropozentrisch verengten Sichtweisen zu überwinden. Gottes Mission schließt alles Leben ein …( S. 21)“.
3) Jakobus 2,14-18
Der Jakobusbrief wurde von Luther als “stroherner Epistel“ bezeichnet und damit – zu mindestens gegenüber dem Römerbrief- deutlich abgewertet. In der Tat für eine wörtliche Auslegung der Bibel widersprechen sich der Römerbrief und der Jakobusbrief. Während es im Römerbrief heißt „ So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werk, allein durch den Glauben“ ( Römer 4,28), heißt es in unserem Abschnitt des Jakobusbriefes „ So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber“ (V. 17).
Liest man jedoch die Bibel von ihrem hermeneutischen reformatorischen Schlüssel „was Christum treibet“, dann können sich die Rechtfertigung aus Gnaden und die Wertschätzung der Werke fruchtbar ergänzen, dann gehören Glaube und Handeln zusammen. Trennt man dagegen Gottes Gnade und menschliches Handeln zu stark voneinander, dann missversteht man Gottes (teure) Gnade als „billige Gnade“, wie Dietrich Bonhoeffer es in der „Nachfolge“ kritisch anmerkt. Jedoch ist Gottes Gnadenhandeln unserem Handeln immer voraus, aber es bleibt nicht folgenlos. Vielmehr gilt „Das Ziel der Rechtfertigung ist die Heiligung“ (Bonhoeffer).
Der Verfasser des Jakobusbriefes fordert die Verbindlichkeit und Glaubwürdigkeit unseres Lebens als Christen ein und warnt davor, im eigenen Handeln zynisch und widersprüchlich zu werden. „ Wenn ein Bruder oder eine Schwester Mangel hätte an Kleidung und an der täglichen Nahrung und jemand spräche zu ihnen: Gehet hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch! – ihr gäbt ihnen aber nicht, was der Leib nötig hat- was könnte ihnen das helfen?“ (V. 15-16). Diese Gefahr der Unglaubwürdigkeit droht auch heute den Kirchen, wenn sie in ihrem Handeln nicht konsequent sind, wenn sie z.B. Bewahrung der Schöpfung oder Solidarität mit den Armen predigen, aber selbst nicht bereit ist, selbst in ihrer eigenen Praxis z.B. im Klimaschutz oder im Einkauf von fairen Produkten ein Vorbild zu sein. Die vielbeklagte Relevanzkrise der Kirchen hat auch darin ihre Ursache, dass sie oft das nicht vorleben, was sie predigen. Dann gilt in der Tat das harte Urteil des Jakobusbriefes „ So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber“ ( V.17).
4) Markus 8,27-35
Dieser Abschnitt enthält das Christusbekenntnis des Petrus, eine der Leidensankündigungen Jesu und der Ruf in die Leidensnachfolge, der in der Aufforderung gipfelt „ Denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; und wer sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, der wird es erhalten“( V. 35).
Hier zeigt sich die widerständige Logik des Evangeliums Jesu zur vorherrschenden Logik der Welt. Nicht wer nimmt, an sich rafft und festhält, wird das Leben erlangen, sondern wer loslässt, hergibt und verschenkt. Wer festhält, wird am Ende arm, wer loslassen kann, wird reich.
Dass das nicht nur eine theologisch-spirituelle Weisheit ist, sondern auch eine sehr moderne Erkenntnis der Postwachstumsökonomie , bei der es um die Notwendigkeit von Verzicht und Suffizienz geht, damit wir in den reichen Ländern angesichts des viel zu hohen Naturverbrauches überhaupt eine Zukunft haben, ist eine höchst spannende Einsicht. Als Christen ist uns diese Einsicht durch das Evangelium Jesu, wie es hier formuliert ist, nicht fremd. Deshalb wären wir auch – nähmen wir dieses Evangelium wirklich ernst- die prädestinierten Vorreiter, die „Change-agents“ in den angesichts von Klimawandel und Grenzen des Wachstums so nötigen gesellschaftlichen Transformationsprozessen in Richtung Nachhaltigkeit.
OLKR Dr. Ruth Gütter
Literatur
zu 1) und 4): Nico Paech, Befreiung vom Überfluss, München 2014
Zu 2) Gemeinsam für das Leben, Mission und Evangelisation in sich wandelnden Kontexten, Busan 2013
Zu 3) Dietrich Bonhoeffer, Nachfolge, DBW 4, München 1989