2. Sonntag nach Weihnachten 2016
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
1 Joh 5, 11-13 | Sir 24, 1-2.8-12 (1-4.12-16) | Eph 1, 3-6.15-18 | Joh 1, 1-18 |
Der zweite Sonntag nach dem Christfest lässt Licht fallen auf den beginnenden Alltag. „Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit,“ wie es im Wochenspruch heißt (Johannes 1,14b). Zwischen Weihnachten, Neujahr und Epiphanias werden Motive dieser Festtage aufgegriffen. Das Evangelium ist der zwölfjährige Jesus im Tempel. Es geht um die Sohnschaft Jesu und darum, wie diese Sohnschaft uns hineinnimmt in die heilsame Beziehung zu Gott.
Nach einer festreichen Zeit fällt dieser Gottesdienst in vielen evangelischen Gemeinden, gerade ländlichen Regionen aus. Wo er stattfindet, ist ein schlichter Predigtgottesdienst zu erwarten, der die Frage nach der Nachhaltigkeit der weihnachtlichen Erfahrungen und des weihnachtlichen Glaubens stellt, der vielleicht auch die Frage erlaubt, wie nachhaltig unsere Feiertage auch im Blick auf unsere globale Verantwortung waren.
Meditationen um den Predigttext 1 Joh 5, 11-13(-15)
Meditation I: Wer hat, der hat!
Der zweite Vers des Predigttextes knallt rein. Er spricht eine Lebensweisheit, eine Grunderfahrung an: „Wer hat, der hat! Wem es gut geht, der bekommt noch mehr! Wer hat, dem wird gegeben.“ Es ist eine Grunderfahrung, der wir gerne widersprechen wollen. Es ist eine Grunderfahrung, gegen die wir in der Bibel so viel lesen. Gerade im sozialen Bereich: „Brich mit dem Hungrigen dein Brot! Kleide die Nackten! Teile mit den Bedürftigen!“ Die, die nichts haben, sollen beschenkt, bekleidet, gesättigt werden.
Und nun: „Wer hat, der hat!“: „Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht!“
Wer hat, der hat. Das bedeutet im Umkehrschluss: Um das Leben zu haben, brauche ich nichts weiter als den Sohn. Keine weiteren materiellen, spirituellen, sozialen Voraussetzungen. Wer den Sohn hat, der hat auch das Leben. Das ist entlastend. Das ist ein Gegenentwurf zum innerweltlichen „Wer hat, der hat!“. Es geht nicht um Lohn für eine Leistung oder Vermehrung eines vorzuweisenden Besitzes.
Meditation II: Haben?!
Ich stoße mich an der Formulierung „Wer den Sohn hat...“. Dies klingt besitzergreifend. Wie viel Leid wird verursacht, weil Menschen an ihrem Besitz festhalten, ihren Besitz um jeden Preis verteidigen wollen, sich im Besitz der Wahrheit wähnen.
Ich sehe hier eine Parallele zum 1. Gebot handelt: „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ Es geht darum, Jesus als Gott zu haben, ihn als Gott zu bekennen. Gott kann man nicht besitzen, über Gott kann man nicht verfügen. Aber wenn man einen Gott hat, kann man keine anderen Götter neben ihm haben. Weltliche Besitzansprüche werden relativiert. Wer Jesus hat, sich auf ihn verlässt, sich ihm anvertraut, ihn mit beiden Händen ergreift, der muss Besitz, Überzeugungen, Eitelkeiten loslassen und wird frei für das Leben.
Meditation III: Nachhaltiges Leben
„Wer den Sohn hat, der hat das Leben.“. Der Satz ist Indikativ Präsenz. Wer den Sohn hat, hat das Leben jetzt, nicht irgendwann in Zukunft.
Was mit dem Leben gemeint ist, stellt V.13 klar. Es geht um das „ewige Leben“. Das ewige Leben ist das einzig wirklich nachhaltige Leben, denn es vergeht nicht. Der Gedanke an ewiges Leben ruft oft Phantasien eines göttlichen Schlaraffenlandes hervor, das keine Begrenzungen von Ressourcen mehr kennt. Wo verschwenderisch mit allem umgegangen werden kann, weil wir ganz aus Gottes Fülle schöpfen. Doch ich denke, ewiges Leben ist ganz von einem nachhaltigen Lebensstil geprägt. Mit den Gaben der Schöpfung, mit den Bedürfnissen der Mitmenschen, mit den Gefühlen der Kreatur achtsam, behutsam, sorgsam umgehen – das kennzeichnet ewiges Leben. Es ist Leben ist im Einklang mit mir, Gott und den Mitgeschöpfen.
Doch dieser „nachhaltige Lebensstil“ ist nicht Bedingung für das Erlangen des ewigen Lebens, sondern Folge des Vertrauens. Wer den Sohn hat, der hat ewiges Leben. Wer aus dem Glauben an den Sohn lebt, lebt nachhaltig.
Meditation IV: Wirkliches Leben?
„Wer den Sohn hat, der hat das Leben“. Alle, die an Jesus glauben, haben Leben: ewiges Leben, Leben, wie Gott es für sie gewollt hat, Leben wie Gott es für sie bestimmt hat. Und zwar jetzt und ein für alle Mal.
Diese Aussage widerspricht unserer Lebenswirklichkeit:
Das Leben vieler Menschen ist geprägt von Leid und Hunger, Verlust der Würde, Verfolgung und Entbehrung. Haben sie Jesus nicht genug? Halten sie nicht genug an ihm fest?
Um dies nicht denken zu müssen, um – zu Recht - mangelnden Glauben nicht als Ursache des Leidens abzustempeln, wird „Leben“ gern spiritualisiert. Wer Jesus hat, hat Glauben, Liebe, Hoffnung. Die Lebensqualität hier und jetzt wird nebensächlich. Aber dies ist billige Vertröstung und geht am Kern vorbei. Wessen elementare Bedürfnisse im Leben nicht erfüllt werden, dem bleibt wenig Raum für spirituelle Bedürfnisse. Wer gefangen ist in alltäglichen Ohnmachts- und Leiderfahrungen, für den bleibt religiöse Befreiungsrhetorik abstrakt.
Deshalb empfehle, die Verse 14 und 15 zum Predigttext dazu zu nehmen: Hier geht es um konkrete Folgerungen aus dem Glauben: Wer Jesus hat, wer ihm vertraut, kann sich mit allen konkreten Anliegen des Lebens an ihn wenden. Die schließt die Grundbedürfnisse, materielle und spirituelle Anliegen, die Sicherung von Leben und Lebensqualität ein. Leben aus dem Vertrauen auf Jesus hat konkrete Auswirkungen auf das Leben im Hier und Jetzt. Ewiges Leben wird dort sichtbar, wo wir uns im Gebet vertrauensvoll an Gott wenden und von ihm empfangen, was er uns zugedacht hat.
Anregungen zu den kath. Texten für den 2. Sonntag nach Weihnachten
Eph 1, 3-6.15-18
Den Christus-Hymnus aus dem Epheserbrief kann man ganz geistlich verstehen. Es geht Lobpreis und Dankbarkeit für das, was uns durch Christus geschenkt ist: Erlösung, „allen geistlichen Segen im Himmel", Erkenntnis. Der Dank für das Geschenk der Gnade auf der einen Seite (V.3-6) ist eng verknüpft mit Gebet und der Hoffnung, die darin grundgelegte Berufung auch anzunehmen und ihr zu entsprechen.
Doch dies ist eingebettet in eine kosmologischen Bezug (V.4): Wenn wir schon vor Beginn der Schöpfung von Gott erwählt sind, dann hat die Schöpfung einen Sinn: nämlich den, diese Erwählung sichtbar, spürbar, erfahrbar zu machen. Dann ist Erlösung nicht etwas, was uns aus dieser Schöpfung herauszieht, sondern die Schöpfung vollendet, uns mit allen anderen Geschöpfen erneuert und befreit. Dies zu erkennen, gebe Gott uns „erleuchtete Augen des Herzens" (V.18).
Joh 1, 1-18
Der Hymnus des Johannes-Evangeliums könnte dualistisch in einem Gegensatz von Gott und Welt, Himmlischen und Irdischen, Licht und Finsternis gelesen werden.
Das Entscheidende an der Erlösung aber ist, dass das Wort Fleisch wird, Gott ganz in diese Welt eingeht.
Fleisch, das ist der Mensch in all seiner Begrenztheit, Hinfälligkeit, Anfälligkeit für Ängste, Krankheiten, Trauer bis hin zur Sterblichkeit.
Fleisch, das ist dann auch die ganze bedrohte Schöpfung, krankende Ökosysteme, zerstörte Lebensräume, Geschöpfe in all ihrer Anfälligkeit und Begrenztheit.
Hierin hat die Herrlichkeit Gottes Wohnung genommen.
„Allem Fleisch" wird so die Fülle des Lebens aus der Fülle Gottes zuteil.
Sirach 24, 1-2.8.12
Der dritte Hymnus dieses Sonntags, das Lied der prä-existenten Weisheit bildet religionsgeschichtlich die Brücke, Jesus analog als prä-existenten Logos im Johannes-Prolog zu begreifen. Weisheit, das ist das wunderbare Wirken Gottes in seiner Schöpfung, seinem Tempel, seinem Volk. Der Gedanke, dass Gottes Weisheit in seiner Schöpfung wirkt, ist Anlass genug, nachhaltig zu predigen.
Alle drei Hymnen zusammen regen an, in diese Zeit nach dem Christfest darüber nachzudenken, dass Erlösung und Leben in Fülle nicht nur uns Menschen sondern der ganzen Schöpfung zuteil werden wird.
Die Hymnen regen aber auch dazu an, dies singend zu gestalten, sich einschwingen, mitzuschwingen und so sich selbst, den Lebensatem und die Gemeinschaft zu spüren. Dies öffnet Kopf und Herz für den Gedanken: „Unsere Erlösung nicht ohne die Erlösung der Schöpfung".
Charlotte Weber, Erfurt