1. Sonntag nach Epiphanias / Taufe des Herrn (10.01.16)

1. Sonntag nach Epiphanias / Taufe des Herrn


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Röm 12, 1-3 (4-8) Jes 42, 5a.1-4.6-7 oder
Jes 40, 1-5.9-11
Apg 10, 34-38 oder
Tit 2, 11-14; 3, 4-7
Lk 3, 15-16.21-22

Röm 12, 1-3 (4-8)

Exegetische Hinweise

Mit Röm 12,1 bricht der Römerbrief in Paränese um. Paulus bedenkt den christlichen Alltag in verschiedenen Dimensionen. Dabei ist das befreiende Herrsein Jesus Christi Ausgangs und Zielpunkt christlichen Lebens und christlicher „Ethik“. Das, was wir heute schnell als christliche Ethik beschreiben, ist bei Paulus in Wirklichkeit ein Ausblick auf gelebte Eschatologie [E. Käsemann (1980), 177]. Der Christ bekommt im Regnum Dei keine Verfügung über sich selbst, sondern einen neuen Herrn, der den alten ablöst. Der Geist fordert entschlossene und konsequente Hingabe des Daseins. „Christliche Paränese erhebt ihre Ansprüche, weil sie geschehene Barmherzigkeit bezeugen kann und diese weitergreifen lassen will.“ [E. Käsemann (1980), S. 314]

Theologische Impulse

Der 1. Sonntag nach Epiphanias steht in der evangelischen Kirche unter Römer 8,14: Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Die Verschränkung von Eschatologie und Paränese ist hier Programm. Treiber ist der Geist Gottes. Darin liegt eine hohe Erwartung an spirituelle Orientierung. „Stellt euch nicht dieser Welt gleich“ (V2) – in diesem biblischen Appell zur Transformation der Vernunft wohnt die Orientierung auf das, was Gottes Wille ist: das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.

Nachhaltigkeitsaspekte

Durch die Orientierung auf Gottes Willen, auf das Gute und das Vollkommene weitet sich die Perspektive des Nachhaltigkeitsdiskurses. Sie bekommt eine eigene Grundlage. Der politisch und sozial vordergründige Bezugsrahmen (z.B. die Trias von Ökonomie, Sozialem und Ökologie) wird in seiner Selbstbezüglichkeit durchbrochen. Wo das Programm der Nachhaltigkeit sich als normenzirkuläre Strategie moderner Herrschaftssicherung entpuppen sollte, weil sich die politisch verfestigten Strategien gegenseitig nur da zulassen, wo sie sich ihrer Relevanz und ihres gegenseitigen Auskommens versichert haben, gerät der Begriff Nachhaltigkeit zum „semantischen Chamäleon“ [M. Vogt (2010), S. 111]. Durch die Orientierung an Gottes Willen werden die Macht- und Orientierungsverhältnisse neu geklärt. Das Regnum Dei stört die Selbstbezüglichkeit. Es macht die Zielkonflikte allein weltimmanenter Strategien transparent. Durch den Geist Gottes entsteht Raum für die „Klage der Armen und die Klage der Erde“ und eine Gegenstrategie zur „Kauterisation des Gewissens“. [Papst Franziskus (2015), Z 49].

Literatur:
E. Käsemann, An die Römer, Handbuch zum Neuen Testament 8a, Tübingen 19804;  M. Vogt, Prinzip Nachhaltigkeit. Ein Entwurf aus theologisch-ethischer Perspektive, München 2010²; Franziskus, Laudato si, Freiburg i. Br. 2015.

 

Jes 40, 1-5.9-1

Exegetische Hinweise

Kap. 40 stellt den Prolog zu Deuterojesaja dar. Die Katastrophe ist eingetreten. Das Volk im Exil braucht Trost und soll ihn bekommen. “Die Propheten des Exils (Deuterojesaja, Ezechiel und andere, unbekannte) haben den Auftrag, dem geschlagenen und zerstreuten Rest des Volkes zu verkündigen, da[ß] Gott trotz allem sein Volk nicht verlassen hat, da[ß] es noch Heil von ihm erwarten kann.“ [C. Westermann (1978), S. 82]

Theologische Impulse

Die Verbindung von Trost und Nachhaltigkeit stellt eine besondere Herausforderung im zeitgenössischen Nachhaltigkeitsdiskurs dar. Gerade weil wir wissen, dass eng gezogene und geschnürte Moralpakete und Appelle allenfalls kurzfristige Orientierungen bewirken, aber keinen langen Atem auf der Suche nach zivilisatorischer Transformation haben, sollten Christinnen und Christen dem moralischen Appell nicht zu viel zutrauen. Der Umbruch von Jesaja zu Deuterojesaja, also von der Gerichtankündigung zum Trost, markiert eine ethische Herausforderung auch im Nachhaltigkeitsdiskurs. Dabei geht es nicht nur um den Trost für jene, die konkret unter den Ungerechtigkeitsstrukturen moderner Übernutzungsszenarien leiden. Trost heißt auch nicht Selbstentschuldung, derer, die in ökologischen Komfortzonen alte Verbrauchs- und Handlungsmuster pflegen. Sondern Trost meint  „…das Eintreten in die Praktiken der Vergebung, der Bitte, des Zeugnisses von der Hoffnung, die den Gottesdienst ausmachen. … Es ist entscheidend, was für den Menschen und nicht nur was von ihm in den Blick und zur Sprache kommt.“ [H.G. Ulrich (2007), S. 68]. Trost wird handlungspraktisch als gelebte Fürbitte, die konkrete Früchte trägt.

Nachhaltigkeitsaspekte

Gerade im Nachhaltigkeitsdiskurs sind Ängste und Hoffnungen angesprochen, die nicht adäquat durch ökosoziale und ökonomische Managementprogramme beantwortet werden können. Es geht auch um den Verweis auf eine Dimension, die das Machen und Verfügenkönnen überschreitet. Das Gelingen von Nachhaltigkeit als zivilisatorische Anpassung an biosphärische Grundbedingungen hängt wesentlich davon ab, ob Nachhaltigkeit auch als existenzieller Vollzug gestaltet wird. Auf diese Dimension der Existenz hin lässt sich auch der geläufige Begriff der Suffizienz weiten. Suffizienz meint nicht nur eine Pflichtübung, die auf Verzicht gerichtet ist. Sondern Suffizienz (lat.: sufficere / sub und facere) bedeutet in der transitiven Fassung „den Grund legen“ und im intransitiven Gebrauch: „im Stande sein, etwas vermögen“. Der Mensch ist zu mehr im Stande, als Pflichtübungen zu idealisieren und Normenkataloge „zu beten“.
In diesem Mehr an Möglichkeiten liegt die Tiefe des Suffizienzbegriffes. Dass niemand einen anderen Grund legen kann, als den, der in Jesus Christus gelegt ist (1.Kor 3,11), ist eine interessante sprachliche Nuance, in der Christus und Suffizienz sich begegnen. Mit dem Begriff der Suffizienz können nicht ausschließlich appellative Verzichtsimperative zum Kern der Nachhaltigkeitsstrategie gemacht werden. Wo wir nach Suffizienz fragen, da fragen wir nach den Ermöglichungshorizonten und Grundlegungen christlichen Handelns, die ihrerseits über eine qualifizierte Endlichkeitsreflektion in die Reproduktionsprozesse implementiert werden können und eine besondere Orientierung aus dem Glauben darstellen.

Literatur:

Claus Westermann, Kurze Bibelkunde des Alten Testaments, Stuttgart 1978³; Hans G. Ulrich, Wie Geschöpfe leben. Konturen evangelischer Ethik. Ethik im Theologischen Diskurs Bd. 2, Münster 2007².

 

Tit 2, 11-14

Exegetische Hinweise

Der Abschnitt stellt eine der beiden „großartigen Zusammenfassungen des Evangeliums Gottes“ [K. Gutbrod (1973), S. 102] dar. „Die in Christus erschienene Gnade Gottes gehört der Welt und bedeutet ihre Rettung.“ [V. Hasler (1978), S. 93] Als konkrete Orientierungen werden genannt: Besonnenheit, Rechtschaffenheit und Gottesfurcht/Frömmigkeit (vgl. V. 12). „Die Kirche erscheint als eine Erziehungsanstalt der Gnade.“ [V. Hasler (1978), S. 94].

Theologische Impulse

In der Spanne von „Erziehung“ und „Gnade“ bildet sich ab, was als christliche Perspektive des Werdens beschrieben werden könnte. Geschöpfliche Existenz und damit Existenz im wahren Modus der Nachhaltigkeit erliegt nicht einer Fehlorientierung, die in den normativen Orientierungen des politischen Nachhaltigkeitsdiskurses die alleinige oder auch nur wesentliche Orientierung sähe. Theologische Kommunikation lässt sich nicht durch politische Praxis überformen oder auch nur begründen. „Die biblisch-christliche Tradition zielt nicht darauf, eine Ordnung der Welt aufzuzeigen oder aufzurichten, sondern sie zielt auf das Neuwerden der menschlichen Existenzform, ihre Neuschöpfung. Dies ist der politische Ursprung eines jeden: sein Neu-Anfang für andere.“ [H.G. Ulrich (2007), S. 437] Die ganze Schöpfung ist zur Gemeinschaft mit Gott bestimmt. Durch die Offenbarung geschieht die Wiedereinsetzung des Menschen in die Handlungsposition geschöpflicher Freiheit und Gewissheit in Bezug auf die Wahrheit Gottes. [vgl. Chr. Schwöbel (2011), S. 201].

Nachhaltigkeitsaspekte

Nachhaltigkeit als großer Transformationsprozess lebt auch von der Fähigkeit, Sicherheit und Gewissheit zu unterscheiden. Nur wo Gewissheit und Sicherheit unterschieden werden, wird die dialektische Spannung von Erziehung und Gnade nicht unsichtbar und damit unfruchtbar. Der als Frucht des Glaubens angereicherte Nachhaltigkeitsdiskurs ist von Gewissheiten inspiriert, die nicht linear darauf hinauslaufen, Sicherheiten zu gewähren. So wie der Glauben Wagnis ist, bleibt der Nachhaltigkeitsdiskurs ein Wagnis. Risiken gehören dazu. Sie liegen in unabsehbaren Wechselwirkungen durch heute gestaltete politische Settings, in unabsehbaren Pflichtenszenarios (Langzeitlagerung von hochradioaktivem Atommüll) und komplexen Steuerungsnotwendigkeiten im Rahmen globaler Gerechtigkeits- und Erhaltungsprogrammen. Was es heißt, besonnen, rechtschaffend und gottesfürchtig an diesen Komplexitäten aktiv und verantwortlich teilzunehmen, muss eingehend am Beispiel durchdacht werden.      

Literatur:

Karl Gutbrod, Kurze Bibelkunde zum Neuen Testament. Stuttgart 1973; Victor Hasler, Die Briefe an Timotheus und Titus, Zürcher Bibelkommentare NT 12, hrg. v. Georg Fohrer et al., Zürich 1987; Christoph Schwöbel, Gott im Gespräch, Tübingen 2011;

 

Luk 3, 15-16.21-22

Exegetische Hinweise

Die Gemeinde ist der „… ausgezeichnete Träger des Geistes Gottes … Lukas denkt … in V.16 an den Pfingstgeist (Apg.1,5.8; 2,1ff.; 11,15); er versteht die … Taufe als den Akt, der in die Gemeinde eingegliedert und so Anteil am Geist gibt (Apg. 2,38).“ [W. Schmithals (1980), S. 53]

Theologische Impulse

Als Träger des Geistes, die von Knechtschaft und Zukunftslosigkeit befreit sind, sind Gemeindeglieder in besonderer Weise qualifiziert für die Dialektik von programmatischen Konkretionen im Rahmen von Transformationsaufgaben und universaler Freiheit, die durch Gott zugesagt ist. Auch die Nachhaltigkeit wird nicht zum Gesetz und die Erfüllung biosphärischer Bedingungen bedeutet keinen neuen Heilsweg. Hier setzt die Taufe eine Grenze zu sämtlichen Knechtschaften, die durch politische Programmatiken Einzug halten können. Auf der anderen Seite zielt das Wohlgefallen Gottes, das sich in der  Taufe ereignet und leiblich wird (V. 22), auf ein spirituelles Beharrungsvermögen, das sich den Beliebigkeiten eines ungeklärten Weltverbrauchs entzieht und leibliche Schöpfung zur eschatologischer Größe aufschließt. Christinnen und Christen sind jeder normativen Heteronomie entzogen. Sie wissen aber um die konkrete Leiblichkeit des Glaubens in allen Bezügen menschlicher Existenz. Das Mitweltverhältnis ist ein Ereignisraum für die freiheitliche Transformation, die sich am Wohlgefallen Gottes orientieren lässt (vgl. Stichwortzusammenhang von Röm 12,2 und Luk 3,22).

Nachhaltigkeitsaspekte

Der beherrschende Fluchtpunkt für die Interpretation des globalen biologischen und sozialen Geschehens ist nicht mehr der Daseinskampf als Konkurrenz. Es geht um die Aufrechterhaltung von christlicher Identität unter wechselnden Verhältnissen und Bedingungen. Christinnen und Christen leben in diesem Zusammenhang eine leibliche Orientierung gegen alle Deutungskonzepte, die z.B. Klimawandel, internationalen Wettbewerb, Nutzenkonkurrenzen, Aussterbeszenarien etc. als natürliche Prozesse verstehen, deren Kritik nur als naiv gewertet werden kann. Das Wohlgefallen Gottes, das sich in der Taufe materialisiert, wirkt als eigenes Schöpfungsgeschehen. Es schlägt sich als Möglichkeit und Willen zu Alternativen menschlichen Lebens nieder. Generalisierend könnte man die Taufe als Gottes Rettung vor dem modernen Anthropozentrismus thematisieren: „Der moderne Anthropozentrismus hat … die technische Vernunft über die Wirklichkeit gestellt, den ‚dieser Mensch empfindet die Natur weder als gültige Norm, noch als lebendige Bergung. Er sieht sie voraussetzungslos, sachlich, als Raum und Stoff für sein Werk, in das alles hineingeworfen wird, gleichgültig, was damit geschieht‘“. [Papst Franziskus, Laudato si (2015), Z 115].

Rolf Adler

Literatur:

Walter Schmidthals, Das Evangelium nach Lukas, Zürcher Bibelkommentare NT 3.1, Zürich 1980; Franziskus, Laudato si. Die Umwelt-Enzyklika des Papstes, Freiburg i.Br. 2015