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Ex 24, 3-8 | Hebr 9, 11-15 | Mk 14, 12-16.22-26 |
Ausgangspunkt des vorliegenden Predigtimpulses sind nicht die Lesungstexte des Tages, sondern ist der Festinhalt des »Hochfestes des Leibes und Blutes Christi«, dessen kosmische Dimension u.a. durch die Nachhaltigkeitsbezüge herausgestellt wird.
Fronleichnam
Der Gedankengang nimmt seinen Ausgang an der Ebstorfer Weltkarte (eine gemeinfreie Abbildung findet sich z.B. unter commons.wikipedia). Es handelt sich hierbei um die größte bekannte mittelalterliche Weltkarte mit einer Größe von ca. 3,6 x 3,6 Metern. Ursprünglich während des 13. Jahrhunderts in Norddeutschland entstanden und im 19. Jahrhundert im Kloster Ebstorf wiederentdeckt, wurde sie während des Zweiten Weltkrieges in Hannover zerstört. Heute ist eine originalgetreue Kopie wieder im Kloster Ebstorf in der Lüneburger Heide zu bestaunen. Die Karte zeigt das Erdenrund mit Jerusalem als Zentrum, daneben u.a. Städte wie Nürnberg, Prag oder Konstantinopel, ebenso Gewässer (z.B. Ganges, Nil, Persischer Golf) und Inseln, Gebirgszüge, Tiere (wie Elche, Papageien oder Steinbock) und (wenige) Pflanzen. Im Norden der Erdkugel ist das Antlitz Christi abgebildet, im Westen und Osten dessen Hände und im Süden die Füße. In unserem Kontext besonders interessant ist, dass sich die Welt in dieser Darstellung als Leib Christi lesen lässt: „Christus erscheint stehend hinter der Welt; ja, die Welt ist sein Körper“ (Hahn-Woernle, B., Die Ebstorfer Weltkarte. Ebstorf 21993, S. 48).
Die künstlerische Gestaltung der Ebstorfer Weltkarte wirft damit eine weitergehende Frage auf: Kann der Leib Christi nicht nur in Brot und Wein, sondern in der gesamten Welt, im gesamten Kosmos wiedererkannt werden? (So wie man Christus nicht nur in den Armen [Menschen], sondern auch in unserer geschundenen Schwester, Mutter Erde, wiedererkennen kann? [vgl. Mt 25,40 sowie Wenders, W., Papst Franziskus. Ein Mann seines Wortes. Transkript des Films. Frankfurt am Main 2018, S. 12].) Bejaht man diesen Gedanken, die Welt als Leib Christi zu deuten (noch verborgen, aber am Ende der Zeiten offenbar), hat dies interessante Implikationen, die Folgefragen provozieren: Welche Auswirkungen und Konsequenzen hätte dies für unseren Umgang mit dem Planeten? Wo pflegen und hegen, wo schmücken wir ihn (durch ein ausgewogenes Verhältnis von Natur und Kultur), wo verletzen und schänden wir ihn (durch Raubbau, Naturzerstörung, menschen- und naturfeindliche Nutzungsformen)?
Dass diese Sicht auf die Welt, zu der die Ebstorfer Weltkarte anregt, bedenkenswert ist, lässt sich u.a. anhand zweier weiterer Perspektiven unterstreichen:
1) Folgt man den Worten aus der heutigen Perikope („Nehmt, das ist mein Leib“ [Mk 14,22]) weiter in die Eucharistiefeier hinein, wo sie im Einsetzungsbericht, bei der Wandlung, zitiert werden, stößt man zuvor auf das Darbringungsgebet. Durch den dortigen Verweis auf „die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit“ (bzw. „die Frucht des Weinstocks und der menschlichen Arbeit“) wird deutlich, dass die natürlichen Elemente (Weizen und Trauben, damit Erde, Sonne und Wasser) in den Leib (und das Blut) Christi verwandelt werden. Die Natur, die ganze Welt ist damit, so kommt es hierin zum Ausdruck, in das Erlösungsgeschehen einbezogen und will verwandelt werden.
2) Noch deutlicher drückt diesen kosmischen Zusammenhang die Dogmatik aus: An den Gaben der Schöpfung von Brot und Wein vollzieht sich in der Wandlung schon jetzt, was am Ende der Zeiten der ganzen Schöpfung zuteil wird, nämlich dass sie Leib Christi wird (vgl. Schneider, M., Eucharistie. Leben aus dem Mysterium des Glaubens, S. 15f). Der Jesuit Teilhard de Chardin hat dies als „Eucharistisation“, als „die universale kosmische Transsubstantiation des ganzen Kosmos in den Leib Christi“ (ebd., S. 16), beschrieben und benannt (vgl. auch Koch, K., Weltende als Erfüllung und Vollendung der Schöpfung. In: Theologische Berichte XIX/1990, S. 139-224, insbes. S. 173).
Dr. Dirk Preuß, Hildesheim