Reminiszere / 2. Fastensonntag
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Röm 5, 1-5 (6-11) | Gen 15, 5-12.17-18 | Phil 3, 17 - 4, 1 oder Phil 3, 20 - 4, 1 |
Lk 9, 28b-36 |
Predigtsituation - Kirchenjahreszeit
Der Sonntag Reminiscere ist der 2. Sonntag der Passionszeit. Sein Name leitet sich von Psalm 25,6 ab: „Denk an Dein Erbarmen, Herr“, lateinisch „Reminiscere miserationum tuarum“. Seit einigen Jahren ist der Sonntag Reminiscere EKD-weit der Sonntag der Fürbitte für bedrängte und verfolgte Christinnen und Christen. So beschloss die Synode der EKD 2008 in Bremen: „Das weltweite Leiden von Christen beim Namen zu nennen, ist eine wichtige Aufgabe der Kirche.“
Römer 5,1-5 (6-11)
Exegetische Überlegungen
Paulus hat in den vorangegangenen Kapiteln des Briefes an die Gemeinde in Rom argumentiert, dass Gottes Gnade auch den Völkern gelte, nicht allein dem Volk Israel. Er führt aus, dass Gottes Rechtfertigung unabhängig von der religiösen Praxis der Tora erfolge und auch die Völker einbeziehe, und dass Abraham der Vater auch der nicht-jüdischen Gläubigen sei. Die Begründung liegt im Tod und der Auferweckung Jesu Christi. Dabei versteht er die Auferstehung nicht als eine Rückkehr ins irdische Leben, sondern als Beginn der neuen Weltzeit, als neue Schöpfung Gottes. Diese neue Endzeit ist in der Hoffnung schon gegenwärtig.[i] Zentral ist gleich die erste Aussage: „Weil wir nun aufgrund von Treue und Vertrauen gerechtfertigt worden sind, haben wir mit Gott Frieden durch Jesus, unseren Herrn, den Gesalbten.“ Friede mit Gott ist das wichtigste Merkmal der kommenden Zeit der Hoffnung. Aus dieser Perspektive werden die aktuellen bedrängenden Erfahrungen interpretiert. Sie stehen nicht im Widerspruch zum Reich Gottes, sondern bewirken gerade unter dem Blick der Hoffnung wieder neue Hoffnung.
Nachhaltigkeitsbezug
Gewiss lassen sich die von Paulus beschriebenen Bedrängnisse und Bedrückungen im Hinblick auf Nachhaltigkeit hin aktualisieren – so ist doch das heutige Leiden an der Zerstörung und Ausbeutung natürlicher Ressourcen oder an den Folgen des Klimawandels bedrängend.
Predigtgedanken
Die Predigt sollte nicht überfrachtet werden. Die Predigerin sollte sich entscheiden, ob sie den Text auf Nachhaltigkeit hin interpretieren möchte oder dem Vorschlag der EKD folgt, ihn im Hinblick auf bedrängte und verfolgte Christen auszulegen. In jedem Fall gilt es, die von Paulus thematisierten Bedrückungen im heutigen Licht zu interpretieren und zu fragen, welchen Verfolgungen und Anfeindungen Christinnen und Christen heute weltweit ausgesetzt sind.
Genesis 15,5-12.17-18
Exegetische Überlegungen
Der Text beschreibt den Bundesschluss Gottes mit Abram, gipfelnd in Gottes Zusage auf zahlreiche Nachkommen und der Landgabe „von dem Strom Ägyptens bis an den großen Strom Euphrat“.
Nachhaltigkeitsbezug
Der Text gipfelt in der Zusage Gottes auf Land, das den Nachkommen gegeben wird. In doppelter Hinsicht hat der Text mit Nachhaltigkeit zu tun: Nicht Abram selbst wird das Land zugesagt, sondern seinen Nachkommen.
Das Versprechen einer reichen Nachkommenschaft hat einen starken Bezug zur Schöpfungsverantwortung: Das fruchtbare Land gehört den Menschen nicht als Eigentum, sondern es ist eine Gabe Gottes. Es ist den Menschen anvertraut, nicht um es rücksichtslos auszubeuten, sondern um es für die Nachkommen zu bewahren, es nachhaltig zu bewirtschaften, so dass noch viele Generationen von Menschen gut auf und von diesem Land leben können. Und: Es ist das Zweistromland, das Land zwischen Nil und Euphrat. Das Land wird durch das Wasser definiert, von dem ihm die Fruchtbarkeit zukommt. Nicht nur das Land, auch das Wasser muss verantwortlich genutzt werden, sodass es den zukünftigen Generationen zur Verfügung steht.
Predigtgedanken
Es bietet sich an, in der Predigt auf das Ökumenische Wassernetzwerk einzugehen, das von christlichen Organisationen (u.a. Brot für die Welt) gegründet wurde, um ein christliches Zeugnis in die Debatte über Wasser einzubringen, um innerhalb der Kirchen das Bewusstsein für die Dringlichkeit des Problems zu schärfen und um gemeinsames Handeln zu ermöglichen. Seit einigen Jahren lädt das Netzwerk Christinnen und Christen weltweit in der Passionszeit dazu ein, sich an der Fastenaktion „Sieben Wochen im Zeichen des Wassers“ zu beteiligen (https://water.oikoumene.org/de/whatwedo/seven-weeks-for-water/2015 ).
Auch Papst Franziskus betont, dass die Erde den kommenden Generationen erhalten werden muss. Er führt in seiner Enzyklika „Laudato Si“ aus: „Jede Gemeinschaft darf von der Erde das nehmen, was sie zu ihrem Überleben braucht, hat aber auch die Pflicht, sie zu schützen und das Fortbestehen ihrer Fruchtbarkeit für die kommenden Generationen zu gewährleisten. Denn »dem Herrn gehört die Erde« (Ps 24,1), ihm gehört letztlich »die Erde und alles, was auf ihr lebt« (Dtn 10,14). Darum lehnt Gott jeden Anspruch auf absolutes Eigentum ab: »Das Land darf nicht endgültig verkauft werden; denn das Land gehört mir, und ihr seid nur Fremde und Halbbürger bei mir« (Lev 25,23).“[ii]
Philipper 3,17-4,1
Exegetische Überlegungen
Paulus kommt in dieser Perikope zum Ziel seines Briefes an die Gemeinde in Philippi: Er fordert die Gemeinde zur Nachfolge auf und gibt seiner Hoffnung auf die baldige Wiederkunft Christi Ausdruck: „Unser Bürgerrecht aber ist im Himmel; woher wir auch erwarten den Heiland, den Herrn Jesus Christus.“
Lukas 9,28b-36
Exegetische Überlegungen
Die Erzählung von der Verklärung Jesu auf dem Berg: Jesus wird hier in eine Reihe mit Mose und Elia gestellt. Auf dem Berg wird er in ein helles Licht, das Taborlicht, gehüllt. Am Ende erfolgt die Proklamation als Sohn Gottes durch die göttliche Stimme: „Dieser ist mein auserwählter Sohn; den sollt ihr hören!“ Gerade der zweite Satzteil ist ein Aufruf zur Nachfolge. Während Petrus den Wunsch hat, auf dem Berg Hütten zu bauen und dort zu bleiben, führt der Weg im Gegenteil wieder in die Welt zurück, in die konsequente Nachfolge Jesu.
Nachhaltigkeitsbezug
Beide Texte, Philipper 3 und Lukas 9, sind im Hinblick auf das Verhältnis von Jenseitsorientierung und Diesseitsengagement zu diskutieren. Beide Texte könnten dahingehend missverstanden werden als verträten sie eine weltabgewandte Theologie, für die Weltverantwortung keine Rolle spiele. Dagegen ist zu fragen, welchen Einfluss die geschilderte intensive Transzendenzerfahrung in beiden Texten, die Parusienaherwartung des Paulus im Philipperbrief sowie die Verklärung Jesu im Lukas-Evangelium, für das Welt-Verständnis der Adressaten hat. In beiden Texten wird deutlich, dass die Erfahrung von Verklärung, von Transzendenz, nicht zur Weltabgewandtheit führt, sondern zu entschiedener Nachfolge und zur Wahrnehmung von Verantwortung in der Welt. So folgt auf die Verklärungsgeschichte unmittelbar ein Heilungswunder. Hier hat auch das Engagement für Nachhaltigkeit seinen Ort: Es wird motiviert und bekräftigt durch die Berührung mit dem Heiligen.
Predigtgedanken
Der Text von der Verklärung Jesu spielt in der orthodoxen Kirche eine zentrale Rolle. Zugleich ist der Ökumenische Patriarch Bartholomäus einer der entschlossensten Kämpfer für die Bewahrung der Schöpfung, vor allem gegen den Klimawandel. Auf ihn geht die Anregung zurück, jährlich weltweit einen ökumenischen Tag der Schöpfung zu feiern. Der Text bietet sich an, hier eine Brücke zu schlagen und auch das orthodoxe Engagement für Nachhaltigkeit zu erwähnen. Vonseiten der katholischen Kirche ist insbesondere die bereits erwähnte Enzyklika „Laudato Si“ zu erwähnen, wo es heißt: „Das Neue Testament spricht zu uns nicht nur vom irdischen Jesus und seiner so konkreten und liebevollen Beziehung zur Welt. Es zeigt ihn auch als den Auferstandenen und Verherrlichten, der mit seiner allumfassenden Herrschaft in der gesamten Schöpfung gegenwärtig ist. […] Das versetzt uns ans Ende der Zeiten, wenn der Sohn dem Vater alles übergibt und Gott alles in allem ist […]. Auf diese Weise erscheinen uns die Geschöpfe dieser Welt nicht mehr als eine bloß natürliche Wirklichkeit, denn geheimnisvoll umschließt sie der Auferstandene und richtet sie auf eine Bestimmung der Fülle aus. Die gleichen Blumen des Feldes und die Vögel, die er mit seinen menschlichen Augen voll Bewunderung betrachtete, sind jetzt erfüllt von seiner strahlenden Gegenwart.“[iii]
Es legt sich nahe, auf dieser Basis das ökumenische Engagement auch der Geschwisterkirchen für die Bewahrung der Schöpfung in der Predigt mit einzubeziehen.
Heike Koch, Bielefeld