Quasimodogeniti / 2. Sonntag der Osterzeit / 1. Sonntag nach Ostern
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
1 Petr 1, 3-9 | Apg 5, 12-16 | Offb 1, 9-11a.12-13.17-19 | Joh 20, 19-31 |
Zur Stellung im Kirchenjahr
Am Sonntag nach Ostern fällt das Feiern leicht: Er ist praktisch ein einziges Halleluja. Nach seinem Eingangsspruch heißt er in der evangelischen Tradition lat. (nach seinem Leitvers 1 Petr. 2,2a) Quasimodogeniti, „nach Art der Neu-Geborenen“, und zugleich auch: „nach Art der Zugehörigkeit oder Abstammung“. Ursprünglich waren damit die zu Ostern Getauften gemeint, die ein neues Leben als Christen begannen und sich damit buchstäblich wie neu geboren fühlten. Die Taufe war und ist das sichtbare Zeichen: Wir gehören zu Gott! Wir sind seine Kinder, seine Töchter und Söhne – wir stammen also quasi von ihm ab! So können auch wir heute Gottesdienst feiern wie Neu-Geborene:
- voll Freude darüber, dass wir geliebte Geschöpfe Gottes sind;
- voll Begeisterung über Gottes wunderbare Schöpfung, die gerade jetzt, im Frühling, um uns herum aus dem Winterschlaf erwacht und uns erfreut,
- voll österliche Hoffnung mit Blick auf Christus, durch den das Leben immer wieder neu werden kann.
Das „neue Leben“ entdecken – auch in der Natur
Die Natur erwacht; das macht Ostern zu einem populären Fest bis heute. Gerne deutet man dann auch die Auferstehung Jesu Christi nach dem Muster eines zyklischen Werdens und Vergehens. Allerdings ist die Auferstehung Jesu Christi einmalig und kein „Naturphänomen“, sondern eine unmittelbare, neue Schöpfertat Gottes – die ein für allemal gilt. Zyklisch ist „nur“ unsere Feier dieses singulären Ereignisses im liturgischen Jahreskreis.
Trotzdem: Die im Frühling wieder erwachende Natur, ihr Grünen und Blühen, gibt einen guten Anlass, „neues Leben“ in unserem unmittelbaren Lebensumfeld zu entdecken und zu beobachten. Denn was wir kennen und womit wir vertraut sind, schätzen wir und werden es achtsam und pfleglich behandeln. Wir sind dabei Teil dieser Natur, die wir staunend als Schöpfung begreifen; wir leben in und von ihr mit Haut und Haaren.
Wenn wir erkennen, wo wir unsere kostbaren Lebensgrundlagen durch das eigene Handeln gefährden, ist das ein Impuls für einen schöpfungsfreundlicheren Lebensstil. Jeder Schritt, den wir dabei im Sinne der Nachhaltigkeit gehen, bedeutet doppelten Gewinn für unsere Umwelt: Ein Schritt mehr im Sinne eines lebensfreundlichen Daseins ist zugleich ein Schritt weniger in eine lebensfeindliche Richtung.
Ev. Predigttext: 1 Petr 1,3-9: Neu geboren zur lebendigen Hoffnung
Der Leitvers des Sonntags (1 Petr 2,2a) gibt den Ton vor: Wiedergeboren bzw. neu geboren zur lebendigen Hoffnung! Die Hoffnung zu stärken ist durchaus nötig: für die frühen Christen in der Diaspora Kleinasiens des 1. Jhd.n.Chr., die im Alltag mit Trauer und Glaubensanfechtungen zu kämpfen haben; aber auch für uns, für mich heute: Sogar gute Freunde, aus der Kirche ausgetreten oder nie getauft, finden kirchliches Engagement oft eher befremdlich; sie sagen: „Ich bin kein Christ, ich bin normal!“
Als kirchliche Umweltberaterin und -auditorin für kirchliches Umweltmanagement engagiere ich mich in der Kirche und an meinem Arbeitsplatz für einen schöpfungsfreundlicheren Lebensstil. Das Gefühl von Trauer und, ja, auch Anfechtung angesichts einer (nicht selten menschgemachten) Katastrophe oder auch eines gescheiterten Herzensanliegens ist mir dabei durchaus vertraut.
Der Himmel ist, wo Gott ist
Mir widerstrebt es allerdings, im Sinne der Perikope meine Hoffnung auf ein fernes Jenseits zu richten, wo ein „unvergängliches“ und „unverwelkliches“ (sic!) Erbe irgendwo „im Himmel“ für uns aufbewahrt wird, das sich mir erst „zu der letzten Zeit“ offenbart. Meine Hoffnung richtet sich eher auf das Gottes Wirken durch und mit unseren Augen, Händen, Füßen und Herzen im Hier und Jetzt. Daher glaube ich (mit Ebeling): „Nicht wo der Himmel ist, ist Gott, sondern wo Gott ist, ist der Himmel!“ Glauben, lieben, hoffen; dabei vielleicht hadern, aber niemals aufgeben: Eine Herausforderung, jeden Tag neu! Doch so erwischen wir – vielleicht – schon auf Erden einen Zipfel „der Seelen Seligkeit“.
Kath 1. Lesung: Apg 5,12-16
Nach Ostern wächst die Jerusalemer Urgemeinde rasant: „Scharen von Männern und Frauen“ finden zum Glauben; Kranke sind glücklich, wenn nur der Schatten von Petrus auf sie fällt. Solche Begeisterung kennen wir von charismatischen Erweckungsbewegungen und Freikirchen. In unseren (überalterten und schrumpfenden) Gemeinden der beiden großen Konfessionen stehen die Meisten dem eher skeptisch gegenüber – zumal Wunderheilungen oft mit einem Personenkult einhergehen, der uns suspekt erscheint: Verlieren „die“ nicht das Zentrum des Glaubens aus dem Blick? Kann „so etwas“ nachhaltig sein? Immerhin: Die Begeisterungsfähigkeit für die 2000 Jahre alte Botschaft Jesu ist eindrücklich; und in charismatischen Gemeinden hält sie offenbar bis heute an. Und: Bei aller Skepsis eines aufgeklärten Menschen von heute wird doch auch spürbar, dass Glauben und Tun zusammengehören, dass beseelte Menschen, wo sie sich einsetzen, auch schlimmen Schaden heilen und Wunder bewirken können.
Beseelter Einsatz für das Leben
Das zeigt sich für mich in vielen Naturschutzprojekten, für die sich nicht selten vor allem Menschen aus Kirchengemeinden besonders einsetzen. Dabei denke ich z.B. an die Renaturierung im Donauries: Von der Idee beseelte Menschen trieben dieses Projekt voran. Nach nur 10 Jahren hat sich nach der Wiedervernässen aus Agrarwüsten mit Mais-Monokulturen heute wieder die Artenvielfalt an seltenen Moor-Pflanzen und -Tieren eingestellt, von der man kaum zu träumen gewagt hätte – Wunder des wieder auferstandenen Lebens, vielleicht: des Schöpfer-Geistes!
Kath. 2. Lesung Offb 1,9-11a.12.13.17-19: Das Leben ist bunt
Die Perikope der Christusvision ist ausgerechnet um die Natur-Vergleiche und das Bild von Christus als Weltenrichter mit zweischneidigen Schwert aus der Perikope beschnitten: Dabei erscheint v.a. letzteres besonders interessant: Ist es dagegen doch für uns Menschen oft nicht einfach, klar zwischen gut und schlecht zu unterscheiden. Das Leben ist nicht schwarz und weiß, sondern bunt; die Dinge sind ambivalent. So galten CKW einst als „Ei des Kolumbus“ – optimale Treib- und Kühlmittel, weil reaktionsträge und ungiftig – bis man bemerkte, dass sie die Ozonschicht zerstörten.
Klimawandel ist für uns kein Problem…
„Was Du siehst, schreibe in ein Buch“. Der Schwund der Ozonschicht oder gar der Klimawandel sind für uns allerdings kaum zu sehen oder mit den Sinnen zu erfassen – im Gegenteil: Warme, schneearme Winter sind optimal für mich als Radfahrerin: Im Jahr 2014 konnte ich ganzjährig radeln, nahezu 8.000 Kilometer spulte ich auf meinen Tacho, statt der üblichen 5.000 bis 6.000 Kilometer. Der „mitteleuropäische Sommermonsun“ verregnet nur daheim Gebliebenen den Sommerurlaub, Landwirte können auf regen- oder dürreresistente Sorten umstellen, gegen Überschwemmungen gibt es Versicherungen. In arktischen Gebieten erschließen sich sogar neue Lebensräume: Der auftauende Permafrostboden lässt zwar Häuser und Pipelines versinken und setzt tausende Tonnen Methan frei, aber der aufgetaute Grund kann nun landwirtschaftlich genutzt werden.
… für andere schon
Doch für andere wird es heute schon dramatisch. Menschen, Tiere und Pflanzen verlieren ihren Lebensraum: Anhaltende Dürren wie in Kalifornien lassen Trinkwasserquellen versiegen und trocknen die Böden aus; woanders wird von Starkregen die fruchtbare Ackerkrume weggeschwemmt; Tausende kommen in den Fluten um. Kriegerische Auseinandersetzungen sind die Folge; die überwiegende Zahl der aktuell mindestens 60 Millionen (!) Flüchtlinge auf der Welt, davon die Hälfte Kinder, sind eigentlich Klimaflüchtlinge. Sie flüchten auch zu uns, den Verursachern.
Wie werden wir uns verhalten?
Gelingt es uns – und zwar jedem von uns persönlich! – den eigenen Energieverbrauch für Nahrungsmittel, Heizung und Mobilität auf die 2 Tonnen CO2-Äquivalente pro Kopf zu reduzieren, die klimaverträglich wären? Und wie empfangen wir die Flüchtlinge in unseren Gemeinden? Welche Visionen haben wir für die Zukunft der Erde?
Kath. Evangelium: Joh. 20, 19-31: Als „Teilzeit-Heilige“ unterwegs sein
Das Ende des Johannesevangeliums berichtet davon, wie Jesus seinen Jüngern gleich zweimal erscheint: am Ostertag zunächst ohne, acht Tage später mit Thomas. Letztere Erscheinung Jesu unterstreicht die Bedeutung des Sonntages am Ende der Osteroktav.
Die zentrale Botschaft im Sinne der Nachhaltigkeit steckt in V. 21: „Friede sei mit Euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich Euch“ – und zwar ausgestattet mit der Macht des Heiligen Geistes (V.22) durch Jesus, der lt. Joh. von sich selbst sagte: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“. Unser Sinnen und Trachten als Gläubige sind darauf ausgerichtet – was uns eigentlich überfordert. Doch auch als „Teilzeit-Heilige“ sind wir trotzdem und schon immer als Jüngerinnen und Jünger berufen. Was wir in bewusster Nachfolge tun – wir dürfen dabei auf diesen Heiligen Geist vertrauen, der mit und durch uns wirkt im Sinne eines Lebens, das dem Leben dient in Seiner Schöpfung, deren Teil wir sind.
Christina Mertens