Fronleichnam (26.05.16)

Fronleichnam


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Gen 14, 18-20 1 Kor 11, 23-26 Lk 9, 11b-17

Lk 9,11b-17

Das Speisungswunder nimmt in allen Evangelien einen wichtigen Platz ein. Lukas verzichtet auf die doppelte Erzählung wie bei Matthäus und Markus, er ist wohl der strengere Redaktor. Während in Johannes 6 die Speisung der 5000 überdeutlich als Vorbereitung des Jesuswortes „Ich bin das Brot des Lebens“ (Joh 6,35 u.w.) dient, enthält sich Lukas weitgehend eines theologischen Überbaus. Dadurch rückt nebst dem Wunder-Thema die wirkliche Speisung der Vielen in den Vordergrund. Wie viele waren es? Fünftausend Männer, sind sich die Evangelisten einig. Matthäus hängt an (14,21), dass da auch noch Frauen und Kinder waren. Also wohl 10 bis 15 Tausend, die satt wurden? Könnten da nicht gleich alle gemeint sein, ja die ganze Menschheit, die von diesen Broten und Fischen zehrt? Dann tritt wohl aber die Vision, dass alle Menschen leben dürfen und satt werden müssen, dass sie durch eine gute Organisation (Gruppen zu etwa fünfzig, V.14) nicht an einer mangelhaften Verteilung leiden sollen, für einen Moment in den Vordergrund – vor aller Theologie.

Was übrig ist, die „Brocken“, bleibt nicht liegen, es wird eingesammelt. Nur um zu zeigen, dass Gott im Überfluss gibt und noch viel mehr könnte? Wohl kaum. Auch morgen sollen alle satt werden und auch solche, die nicht hier waren. Und es zeigt auch, dass die anwesenden Massen das Geschenkte nicht sinnlos in sich hineinfressen.

Damit ist in dieser Perikope beides angesprochen: Effizienz und Suffizienz. Alle Anstrengung soll auf einer guten, vertrauenswürdigen Verteilung liegen – so fällt es dem Einzelnen leichter, nur das zu nehmen, was er gerade braucht, und nicht zum Hamsterer zu werden. All das ist aber nötig, damit es für alle reicht. Reicht das auch für die Vision eines modernen Staatswesens?

1 Kor 11,23-26

Paulus fixiert hier den ältesten Einsetzungsbericht. Sollen wir aus Respekt vor der Eucharistie-Thematik die Finger davon lassen? Ist es nicht so, dass es eine Art kirchliche oder kultische Dimension der Nachhaltigkeit gibt, die uns gleichermassen obliegt? Dass die Tradition der Abendmahlfeier, ob nun bloss erinnernd oder im Sinne der Transsubstantiation, letztlich gemeinsam mit der Heiligen Schrift die Fähigkeit unseres Glaubens, in die Zukunft hineinzuwachsen, aufrechterhält. Wir kennen die katholische Tradition zu gut um nicht zu wissen, dass sich die Pflege des Abendmahls und der Einbezug der Gläubigen immer wieder gewandelt hat. Vielleicht ist deshalb die eucharistische Gastfreundschaft über die Grenzen aller Kirchenspaltungen hinweg auch ein Moment der kirchlichen Nachhaltigkeit?

 

Gen 14,18-20

Das Geben und Nehmen, der gegenseitige Respekt der sich ja nicht immer nur friedlich gesinnten Patriarchen um Abram scheint mir ein wichtiges Thema in diesem nicht so leicht durchschaubaren 14. Kapitel der Genesis zu sein. Ein ganz simpler Gedanke, der sich leider auch in unserer heutigen Welt genau so simpel bewahrheitet: Ohne den Respekt und den Frieden unter den Mächtigen gibt es keine Nachhaltigkeit. Jeglicher Unfrieden, nicht nur offener Krieg, vernichtet in gigantischem Mass Ressourcen, erzeugt Hunger, Krankheit, Flucht und Tod. Sehen wir es nicht täglich in den Medien?

 

Das Hochfest Fronleichnam und sein Brauchtum

Das Fronleichnamsfest sowie das Fest Christi Himmelfahrt und die vorausgehenden traditionellen Bitttage fallen in unserer Region in die Zeit der wachsenden Feldfrüchte – mithin in eine Zeit prekären Wetterglücks. Nicht umsonst wird in ländlichen Gebieten vom Markusfest (25. April) bis zum Fest der Kreuzerhöhung (14. September) häufig der Wettersegen gespendet. Wird die Ernte alle satt machen, oder spielen Hagel oder elende Trockenheit dem Bauern einen Streich? Auch die Prozessionen in der sechsten Osterwoche und zu Fronleichnam haben etwas Beschwörendes. Wer das Brot im Supermarkt kauft oder gar an der Börse auf steigende und fallende Weizenpreise wettet, erlebt vielleicht etwas anderes als der oder die, welche darauf vertrauen muss, das Dreissig-, Sechzig- oder Hundertfache dessen zu ernten (Mk 4,8par.), was ausgesät wurde. Von Beginn an im Mittelalter war deshalb nördlich der Alpen der Flurumgang an Fronleichnam nicht nur dem Leib des Herrn, der Seelenspeise quasi, gewidmet, sondern auch der Speise des Leibs, der Ackerfrucht, dem Obst und Gemüse, welches dann im Herbst im Erntedankgottesdienst in reicher Fülle den Altar schmückt.

Alles Hokuspokus? Vielmehr das Vertrauen in einen Schöpfergott, der uns Menschen die Pflege seiner Schöpfung anvertraut hat. Nachhaltigkeit, sorgfältiger Umgang mit den Ressourcen beginnt dort, wo ich erkenne, dass ich den ganzen Reichtum der Schöpfung nicht erzwingen kann, sondern zu allererst einmal verdanken darf.

Dr. Zeno Cavigelli, Zürich