5. Sonntag nach Trinitatis / 13. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
1 Kor 1, 18-25 | 1 Kön 19, 16b.19-21 | Gal 5, 1.13-18 | Lk 9, 51-62 |
Grundsätzliche Überlegungen aus der Enzyklika „Laudato Si“
Das Interesse schon im Vorfeld war enorm. Und auch Spott über den angeblich „grünen Papst“ war dabei. Und wie wurde Papst Franziskus vereinnahmt – von unterschiedlichster, nicht zuletzt politischer Seite. Die Enzyklika „Laudato Si“ (Pfingsten 2015 – veröffentlicht am 18. Juni 2015 – deutscher Volltext: http://w2.vatican.va/content/francesco/de/encyclicals/documents/papa-francesco_20150524_enciclica-laudato-si.html) zeigt auch, wie aktuell, relevant und lebensbezogen der Text ist.
Es ist kein theologisches „Edelpapier“, das man mit ehrfurchtsvoll-spitzen Fingern anfasst und doch nur in die Bücherschränke stellt, oder mit dem sich ein paar Eliten beschäftigen. Es ist ein Text mitten im Leben – auf der Basis der Lebenswirklichkeit und mit Verweis auf das viel Größere dahinter. Es ist Theologie, wie sie sein soll, wenn sie sich nicht um des Selbstzwecks willen präsentiert. Und das ist sehr erfreulich.
Der Papst hat einen Nerv getroffen. Er bleibt nicht beim Seichten und überfliegt nicht die Köpfe der Menschen. „Es wird uns nicht nützen, die Symptome zu beschreiben, wenn wir nicht die menschliche Wurzel der ökologischen Krise erkennen.“ (Nr. 101) Die Enzyklika richtet sich an alle Menschen guten Willens, weit über den Kreis der Katholiken hinaus. Sie ist kein Insiderpapier, keine bloße Selbstreflexion, sondern ein Text, der zum Nachdenken und auch zum Diskutieren anregen will – und zur konkreten Tat. Er bleibt nicht in der Theorie, wird praktisch.
Manchmal so praktisch, dass es sozusagen direkt vor der eigenen Haustür klingelt. Ganz konkrete Beispiele nennt Nr. 211f., in der der Papst „die Vermeidung des Gebrauchs von Plastik und Papier, die Einschränkung des Wasserverbrauchs, die Trennung der Abfälle, nur so viel zu kochen, wie man vernünftigerweise essen kann, die anderen Lebewesen sorgsam zu behandeln, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen oder ein Fahrzeug mit mehreren Personen zu teilen, Bäume zu pflanzen, unnötige Lampen auszuschalten“ und anderes anmahnt. Und weiter: „Man soll nicht meinen, dass diese Bemühungen die Welt nicht verändern.“ (Nr. 212) Und genau das macht den Text so brisant. Er hat Relevanz für das ganz konkrete eigene Leben, und er fordert jeden Einzelnen zum Umdenken auf, nicht nur „die anderen“ oder „die da oben“. Es wäre zu einfach, nur einzelne Sätze herauszugreifen ohne sie in den größeren Zusammenhang zu stellen, den der Papst mit der Enzyklika verdeutlicht.
Diese Enzyklika ist nachhaltig in vielfacher Hinsicht. Sie spricht das Thema Nachhaltigkeit ganz grundsätzlich an. Sie ist die erste so genannte „Öko-Enzyklika“ eines Papstes, wenngleich sie auf vielfache Weise auf Grundthemen der Theologie und Lehren der Kirche fußt, also das Rad in dieser Hinsicht nicht neu erfindet. Sie ist aber auch – hoffentlich – nachhaltig in dem Sinn, dass sie nicht in die Bücherschränke wandert und dort neben anderen Enzykliken fast verstaubt, sozusagen abgehakt und abgeheftet wird, hochgelobt, weggelobt, totgelobt. Das gab es schon zu oft.
Und sie ist nachhaltig, weil sie gleichsam eine Brille bilden kann für eine neue Sicht auf die Bibel. Sie wirkt nachhaltig, weil eine solche „Brille“ immer wieder aufgesetzt werden kann, um Grundthemen der Bibel besser zu verstehen. Sie schärft den Blick dafür, dass die Bewahrung der Schöpfung keine Fantasterei von Öko-Träumern ist, sondern – neben anderen Grundthemen – zentraler Kern der biblischen Botschaft ist, die den ganzen Menschen in seiner Existenz und Geschichte meint - und damit auch heute herausfordert.
So schreibt der Papst in Nr. 66: „Die Schöpfungsberichte (...) deuten an, dass sich das menschliche Dasein auf drei fundamentale, eng miteinander verbundene Beziehungen gründet: die Beziehung zu Gott, zum Nächsten und zur Erde. Der Bibel zufolge sind diese drei lebenswichtigen Beziehungen zerbrochen, nicht nur äußerlich, sondern auch in unserem Innern. Dieser Bruch ist die Sünde.“ Der Papst meint das ganz grundsätzlich und bleibt nicht bei ökologischen Detailfragen stehen: „Angesichts der Tatsache, dass alles eng aufeinander bezogen ist und dass die aktuellen Probleme eine Perspektive erfordern, die alle Aspekte der weltweiten Krise berücksichtigt, schlage ich vor, dass wir uns nun mit den verschiedenen Elementen einer ganzheitlichen Ökologie befassen, welche die menschliche und soziale Dimension klar mit einbezieht.“ (Nr. 137).
So können auch die Schrifttexte vom heutigen Sonntag mit dieser „Brille“ gelesen werden, ohne sie zu verbiegen: weil diese „Brille“ den Blick schärft für grundsätzliche Fragen der Menschheit, für eine „ganzheitliche Ökologie“.
Impulse zur Nachhaltigkeit aus den biblischen Texten und der Enzyklika
Die Botschaft vom Kreuz (1 Kor 1, 18-25)
- Wer sich für die Bewahrung der Schöpfung einsetzt, setzt sich nicht selten dem Spott der Menschen aus, die das für eine „grüne Öko-Utopie“ halten.
- Die Weisheit der (scheinbar) Weisen und die Klugheit der (scheinbar) Klugen wird vergehen. Irdische Maßstäbe halten der Nachhaltigkeit Gottes nicht stand.
- (Theoretische) Wissenschaft allein wird den grundlegenden Problemen der Menschheit nicht gerecht. Der Einzelne in seinem Alltag ist gemeint, seinen Beitrag zu leisten. Das ist konkret – und kann deshalb auch schmerzhaft werden, weil es den konkreten Menschen meint, der sich nicht aus seiner Verantwortung herausreden kann.
- Nicht das Urteil der Massen ist entscheidend für das, worauf es in der Verkündigung ankommt. Auch das Schwimmen „gegen-den-Strom“ der bequemen Meinung kann in den entscheidenden Grundfragen der Menschheit nachhaltige Ergebnisse bringen.
- Gottes Kraft und Gottes Weisheit überdauern menschliche Urteile und Maßstäbe. Das Paradoxon des Kreuzes, aus dem das Heil kommt, ist Motivation, das Leid/en der Welt auf diesem Hintergrund zu sehen, ohne es zu verdrängen.
Die Berufung Elischas (1Kön 19,16b.19-21)
- Wofür lohnt es sich, alles andere aufzugeben? Was zählt am Ende, was ist nachhaltig, wenn alles andere vergeht?
- Was lohnt es, zu bewahren?
- Wie sichere ich mich ab – und wie meine ich, mich absichern zu müssen gegen das, was das Leben mit mir an Umwegen vorhat? Wie behindert mich das in meinem Leben, wie schränke ich mich selbst durch den Wahn des „Alles-Absicherns“ ein? Wo bleibt Platz für (nicht naives!) Gottvertrauen?
- Welche „Berufung“ habe ich von Gott für die mir anvertraute Zukunft?
- Wo kann ich trotz meiner Schwächen prophetisch sein?
Die Liebe als Frucht des Geistes (Gal 5, 13-26)
- Gott hat den Menschen zur Freiheit berufen. Diese Freiheit kann der Mensch zum Guten nutzen wie zum Schlechten missbrauchen.
- Der Mensch hat Verantwortung für das, was er tut. Sein Handeln hat Konsequenzen. Dies ist nicht Drohung, sondern Verantwortung. Gott traut dem Menschen das zu.
- Die Schöpfung ist dem Menschen als Gärtner anvertraut. Die Versuchung zur Willkür ist gegeben, der Auftrag lautet aber, Sorge zu tragen.
- Die Liebe zum Nächsten ist ein Indikator für den Umgang mit sich selbst und mit der Umwelt. Im Dreieck zwischen Gott, Mitmensch/Umwelt und mir selbst zeigt sich die Schöpfungsordnung in ihrer verletzlichen Gestalt. Diese Beziehung ist immer wieder gefährdet.
- Auseinandersetzung und Ringen in der Sache kann hart sein, aber auch erforderlich für ein Umdenken und für eine Veränderung. Maßstab ist die Liebe, die nicht den anderen in seiner Meinung vernichten will.
- Der Geist Gottes leitet auf den rechten Weg, der dem Individualismus und Egoismus entgegenwirkt. Diese beiden (Individualismus und Egoismus) sind die Grundübel, die die Gottesbeziehung stören und zur Zerstörung auch der Beziehung zur Umwelt und zum Mitmenschen führen.
- „Immer ist es möglich, wieder die Fähigkeit zu entwickeln, aus sich heraus- und auf den anderen zuzugehen. (...) Wenn wir fähig sind, den Individualismus zu überwinden, kann sich wirklich ein alternativer Lebensstil entwickeln, und eine bedeutende Veränderung in der Gesellschaft wird möglich.“ (Nr. 208)
Auf dem Weg nach Jerusalem (Lk 9, 51-62)
- Gesetze und Regeln, Verbote und Kontrollen reichen nicht aus, wenn nicht die innere Überzeugung dazu kommt, die ein Umdenken mit sich bringen und zur eigenen Motivation des Handelns wird. (vgl. Laudato Si, Nr. 211)
- Selbsternannte Wächter sind nicht die geeigneten Richter über den „guten Weg“. Was Menschen wichtig erscheint, kann in Gottes Augen nachrangig sein.
- „Der Buchstabe (des Gesetzes) tötet, der Geist aber macht lebendig“ (vgl. 2Kor 3,6)
- „Gott ist größer als unser Herz“ (1 Joh 3,20) Er selbst traut dem Menschen oft mehr zu, als dieser einem Mitmenschen zutraut.
- „Trotzdem ist nicht alles verloren, denn die Menschen, die fähig sind, sich bis zum Äußersten herabzuwürdigen, können sich auch beherrschen, sich wieder für das Gute entscheiden und sich bessern, über alle geistigen und sozialen Konditionierungen hinweg, die sich ihnen aufdrängen. Sie sind fähig, sich selbst ehrlich zu betrachten, ihren eigenen Überdruss aufzudecken und neue Wege zur wahren Freiheit einzuschlagen.“ (Nr. 205)
- Gott will den Menschen nicht knechten. Er will ihn retten und in der Schöpfung erhalten. Er ruft ihn deshalb zur Umkehr – um des Menschen willen.
- Gottes Reich ist Lebendigkeit und in die Zukunft gerichtet. So ist auch der Mensch auf Zukunft hin ausgerichtet und soll die Schöpfung für kommende Generationen bewahren.
- Diese Lebendigkeit kann kein Festhalten um des Festhaltens willen sein – gar um persönlicher Vorteile willen. Sie ist ein Bewahren dessen, was bewahrenswert ist, für die Zukunft.
- Die Entscheidung für die Nachfolge Jesu hin zum Gottesreich ist existenziell. Sie fordert den ganzen Menschen mit vollem Herzen.
Dr. Michael Kinnen, Mainz
Kursiv gedruckte Texte sind Zitate aus der Enzyklia „Laudato Si“ von Papst Franziskus.