8. Sonntag nach Trinitatis / 16. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Eph 5, 8b-14 | Gen 18, 1-10a | Kol 1, 24-28 | Lk 10, 38-42 |
Der Autor betrachtet den Predigttext der EKD-Reihe sowie den Text des katholischen Evangeliums. Die Anknüpfungspunkte - unter dem Stichwort „nachhaltig“- sind : In sich eins sein (kath.Evangelium) und Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit leben (ev. Predigttext).
Die Vision dieser neuen Denk- und Lebensweise kann die Welt verändern. Es ist den Versuch wert: Viele kleine Schritte an vielen kleinen Orten.
Eph 5, 8b-14
Exegetische Anmerkungen
1. Beim Epheserbrief handelt es sich – aller Wahrscheinlichkeit nach – um einen Rundbrief, da die Erwähnung von „Ephesus“ in einigen Handschriften fehlt. Die Adressaten sind wohl die Christen Kleinasiens. Da aber die größte Hafen- und Handelsstadt Kleinasiens Ephesus ist, mit ihrem Weltwunder- Artemistempel und zugleich Hauptstadt der römischen Provinz Asia, ist der Brief in jedem Fall auch an die Epheser gerichtet.
2. Der Epheserbrief wird dem Apostel Paulus zugeschrieben, verfasst in seiner Gefangenschaft in Rom (60-64 nach Christus). Das Schreiben ist zwar wie ein Brief gestaltet, stellt aber nach Stil und Inhalt eher eine feierliche Predigt dar. Manche Bibelwissenschaftler nehmen daher an, dass der Brief von einem Paulusschüler verfasst wurde, der im Namen (oder Auftrag) des Apostels schrieb.
3. Ein bestimmter Anlass für die Entstehung des Schreibens ist aus demselben nicht erkennbar, jedoch ergeben sich aus den neutestamentlichen Zusammenhängen durchaus Gründe, die vieles verständlich machen.
4. Nach der Apostelgeschichte (Apg 19-20) gab es in Ephesus eine starke, in der Stadt tolerierte jüdische Gemeinde, die der Apostel Paulus auf seiner dritten Missionsreise (55-57 nach Chr.) besucht. Dort predigt er in den Synagogen vom „Neuen Weg“ des Jesus, des Christus, bis die Juden ihm dies verbieten. Dennoch hat er viele für den Gekreuzigten gewinnen können. Sie müssen weitgehend im Untergrund leben. Nach zweieinhalb Jahren – als er selbst um sein Leben fürchten muss – verlässt Paulus Ephesus, um nach Jerusalem zu gehen. Er lässt eine junge, noch nicht gefestigte Christengemeinde zurück, die einerseits den Anfeindungen der Apollo/Artemis-Anhänger und der Juden ausgesetzt ist, andererseits sich mit den Verlockungen der ausschweifenden heidnischen Kulte und mit dem Elend der Gestrandeten einer Weltstadt auseinandersetzen muss.
5. Das zentrale Thema des Epheserbriefes ist die eine Kirche, und zwar die weltweite Kirche, deren Haupt Christus ist. Durch die Taufe sind die Gläubigen der Macht der Finsternis entrissen. Ein neues Menschengeschlecht ist entstanden, indem die alte Feindschaft zwischen Juden und Heiden überwunden wurde. Und diese Menschen sollen durch Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit erkennbar sein und so – wie ein Licht – die Welt verändern.
Predigtimpulse und Bezüge zur Nachhaltigkeit
In unserem Predigttext (Eph 5, 8b-14) fordert der Apostel die Getauften auf, ihre Stellung und Berufung in Christus in einem konsequenten, geistlich fruchtbaren Lebenswandel zu verwirklichen, sowohl als Gemeinde als auch im persönlichen Leben:
- „Lebt als Kinder des Lichts“ lautet die große Vision. Auch in der Stadt Ephesus und in aller Umgebung.
- Man soll euch – und in euch Christus – erkennen an eurer Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. Denn „Christus ist unser Licht“, und „das Licht bringt lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor!“ Die Gemeinde sei einig und ein Tempel des Heiligen Geistes.
- Und es ist eine konsequente und „wehrhafte“ Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit . Denn und darum : „Prüft“ ! - „Habt nichts gemein!“ „Deckt auf!“ Und – zum Ende noch eindringlicher der Appell: „Wach auf, Christ, du Schläfer,/ und steh auf von den Toten!“
Das Jahr 2016 innerhalb der Reformationsdekade (Thema: Die Reformation und die Eine Welt) ist mehr als eine gute Gelegenheit, den Impulsen aus Eph 5, 8b-14 nachzugehen: Christen als Vorbilder, was Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit anbelangt! Wie gehen wir in Deutschland, aber vor allem in unseren Gemeinden um mit den unterschiedlichen christlichen Gemeinschaften, mit dem Zusammenleben wachsender Zuströme von Menschen – in Not und ohne Not – verschiedener Kulturen, Religionen und Lebensweisen? Was ist mit der „Einen Welt“, die von Tag zu Tag mehr auseinanderzubrechen droht? „Seid also standhaft, gürtet euch mit Wahrheit, zieht als Panzer die Gerechtigkeit an und als Schuhe die Bereitschaft, für das Evangelium vom Frieden zu kämpfen!“ (Eph 6,14 ff).
Lk 10, 38-42
Exegetische Hinweise
In den Evangelien findet das Schwesternpaar Maria und Marta nur an drei Stellen Erwähnung: einmal in der Bewirtungsgeschichte in einem Dorf (Lukas 10, 38-42), und dann bei Johannes im Erweckungsbericht des Lazarus (11,1-40) und bei der Salbung in Betanien (12,1-8).
Das ist wenig, angesichts der Bedeutung der Verhaltensweisen der Frauen gegenüber Jesus und ihrem Bekenntnis in Wort und Zeichen zu seiner Gottessohnschaft. Dies wird bei Johannes deutlicher (das Credo der Marta, die Salbung der Maria), als in dem vergleichsweise unbedeutenderen Ereignis, von dem Lukas berichtet (welches ist die wichtigere Zuwendung zu Jesus: „Bewirten“ oder „Zuhören“?).
Für die Exegese unseres Lukas-Textes müssen deshalb auch die genannten Johannes-Stellen mitberücksichtigt werden, um eine vertiefte Aussage machen zu können und die Rolle der Frauen zu würdigen. Die Geschichte Gottes mit den Menschen ist auch seine Geschichte mit den Frauen. Und auch von Frauen in der Bibel lernen wir, wie Arbeiten für Gott und die Welt gelingen kann.
Predigtimpulse
„Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere ausgewählt!“ Andere Textzeugen übersetzen: „Maria hat das Richtige (für sich) ausgewählt“ oder: „hat auch etwas sehr Richtiges getan!“).
Maria und Marta, Hören des Wortes und die rastlose Sorge um die täglichen Dinge, die vita contemplativa und die vita activa, wurden in der abendländischen Tradition nicht nur immer wieder einander gegenübergestellt, sondern in einer eher von Aristoteles als vom jüdischen Denken beeinflussten Rangordnung als besser oder weniger gut bewertet. Hier ist ein grundlegendes Umdenken angesagt, welches die mittelalterliche Mystik (unter anderem Meister Eckhart) angestoßen und die feministische Theologie aufgegriffen hat, und die wir durchaus so formulieren können (vgl. Dorothee Sölle, Gottes starke Töchter – Große Frauen in der Bibel, topos 2008, S.89 ff):
1. Marta wiederentdecken: Die starke, selbstbewusste, nüchterne, klare Frau lieben lernen, die mit beiden Füßen auf der Erde steht (vgl. Lk 10,38 ff.), die bewirtet, und gleichzeitig am Grab ihres toten Bruders - während Maria im Hause geblieben war - zu Jesus sagen wird: „Alles, worum du Gott bitten wirst, wird Gott dir geben!“ Und: „Ja Herr, ich glaube, dass du bist der Messias, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll!“ (vgl. Joh 11,22-27). Hier wird doch recht deutlich, was eine glaubenstätige Frau ausmacht.
2. Maria und Marta zusammenbekommen: Maria wird – bei anderer Gelegenheit, während Marta wiederum bewirtet – Jesus die Füße mit kostbarem Öl salben, ein – aus damaligem Verständnis – eindeutliges Bekenntnis zur Messiaswürde Jesu. Wir müssen nicht wählen zwischen zuhörender Maria oder handlungsstarker Marta, zwischen Kontemplation und tätigem Handeln, dürfen die Welt nicht aufteilen in Macher und Träumer, in Beter und Kämpfer, in Pragmatiker und Visionäre, in die Anbetungs-Ordensschwester und die alleinerziehende berufstätige Mutter. Wir brauchen beide! „Nur beide Schwestern zusammen können Christus beherbergen und bekennen, so dass er einen Ort in der Welt hätte“ (Teresa von Avila,*1515). Und in jeder und jedem von uns darf, ja sollte - wenn auch in unterschiedlicher Gewichtung - eine Marta u n d eine Maria sein.
Bezug zur Nachhaltigkeit
Nur in der Akzeptanz und Entwicklung beider Fähigkeiten in uns, in der Erziehung unserer Kinder und im Umgang mit anderen Menschen („bewirten/Gastfreundschaft gewähren/annehmen/kämpfen für“ u n d „hinhören/verstehen und verteidigen lernen, Zeichen setzen“) werden wir die großen Probleme unserer Gegenwart und Zukunft meistern können. (Folgen von Naturkatastrophen, Terrorismus, Kriegen und Menschenrechtsverletzungen, von Asylsuche und Flüchtlingströmen, von Hunger und ungerechter Verteilung auf der Erde und von der Ausbeutung derselben).
„Seht, da ist der Mensch“ lautet das Motto des Katholikentags 2016 in Leipzig. Das will heißen: Jesus Christus im Mit-Menschen sehen, ihn aufnehmen, annehmen und verstehen lernen, mit ihm den Überfluss teilen, kämpfen für ihn und die Würde, die Gott auch ihm gegeben hat.
Hans Jürgen Birringer