o4.o8.24 – 10. Sonntag nach Trinitatis / 18. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Sach 8,20-23 oder
5 Mose 30,1-6(7-10)
Ex 16, 2-4.12-15 Eph 4, 17.20-24 Joh 6, 24-35

Der Autor betrachtet detailliert die Texte der kath. Leseordnung. Die ev. Predigttexte werfen Fragen der Orientierung auf: Mit wem Gott (eigentlich) ist bzw. über den Rückbezug auf die göttlichen Gebote den Weg (wieder) zu finden.

1. kath. Lesung: Ex 16, 2-4.12-15

a) Klage (Murren)

Das Murren der Israeliten in der Wüstensituation ist ein Aufschrei aus Existenznot. Dies ist der Anlass für Klage, auch gegenüber Gott. Gott hält die Klage aus. Er ist der Hörende an vielen Stellen im AT.

Bert Brechts vielzitiertes Wort aus der Dreigroschenoper, „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“, macht deutlich, dass eine ethische Haltung die Sicherstellung menschlicher Grundbedürfnisse voraussetzt. Sich Gott gegenüber „anständig“ zu verhalten, seine Gebote zu halten, ist in der Mangelsituation eine Herausforderung für die Israeliten.

Das Murren bringt diese Erschwernis ins Wort - und in die Beziehung zwischen Mensch (Volk) und Gott. Es spricht für eine gute Beziehung zwischen Gott und seinem Volk, dass Gott das Murren mit-trägt – die Klage aushält. Auch der Rückblick auf die guten alten Zeiten (Fleischtöpfe Ägyptens) lässt das Volk zweifelnd suchen, ob es wirklich JHWE ist, der hier wirkt. Die Vorhaltungen gegenüber der Volksleitung (Mose und Aaron) sind eine Erweiterung des Bezugsrahmens. Das Volk erwartet auch von dessen Führung, eine hörende Haltung.

Impuls:

Gott erweist sich als Hörender durch sein Eingehen auf die Not des Volkes. Er lässt Manna vom Himmel regnen. Gott verurteilt also die Klage seines Volkes nicht. Mose schon. Sein Ego scheint gekränkt.

Klage scheint hier als Weg zum Grundrecht auf Nahrung. Zugleich bleibt die im Lesungstext eingangs genannte Prüfungsabsicht Gottes: Das Volk soll nach JHWEs Weisung leben. Das Volk steht also nicht in einer Freiheit, seinen Hunger auf beliebige Art und Weise zu stillen. Das wäre Chaos und Ungerechtigkeit.

Klage als Gebet / Thema in einem Gottesdienst angesichts…, zum Beispiel des Unfriedens oder Krieges.

b) Wüste

Wüste, das ist Trockenheit, Leere, Nichts, Endlosigkeit, Trostlosigkeit, unerträgliche Hitze und Kälte im Wechsel von Tag und Nacht, Sand in allen Ritzen, giftige Schlangen. Wüste ist ein lebensfeindlicher – für Menschen tödlicher Raum.

Wüste bringt seine Besucher an ihre Grenzen und stellt radikal in Frage, was wirklich trägt, weil nichts mehr trägt.

Menschen in dieser Situation finden entweder zu tieferem Sinn oder in die Verzweiflung.

Menschen die in einer der Wüsten des Lebens landen, sind auf äußere Hilfe angewiesen. Vielleicht sind einige von ihnen in dieser Situation zu allem fähig.

Wüste macht deutlich, das Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung zu kultivierende Werte sind. Menschen wie Landschaften können zu Wüsten werden. Wüste wird so auch zu einem Handlungsimpuls Menschen gegenüber, die Hilfe brauchen. Weil Gott seinen Planeten Erde mit allen Lebewesen als Schöpfung erwählt hat, gilt es den Situationen von „Wüste“ beherzt entgegen zu treten und Lösungen und Hilfen zu schaffen. Wüste als Chiffre kann uns nicht gleichgültig lassen.

Wüste soll blühen, das heißt fruchtbar gemacht werden.

Symbol: Rose von Jericho – wässern und blühen lassen.

2. Lesung: Eph 4, 17.20-24

Die Lesung aus dem Epheserbrief, berührt die Lebensverhältnisse der Christen des 1. Jahrhunderts in Kleinasien: Sie kommen aus einer hellenistisch geprägten Kultur. Diese Lebenswelt wird von den Christen nach jüdischem Denkmuster als heidnisch bezeichnet.

Durch die Taufe sind die Christen zu einer neuen Lebensweise berufen. Diese versucht der Apostel (ungekürzte Lesung) zu verdeutlichen, indem er heidnisches und christliches Leben gegenüberstellt.

1)    Der Hauptunterschied zwischen den Lebensweisen von Heiden und Christen liegt für Paulus in der Art des Denkens. Aus Christensicht sind die Heiden unwissend. Sie kennen nicht die Perspektiven des Glaubens. Der Vorwurf der Unwissenheit muss angesichts des hohen Bildungsniveaus hellenistisch Gebildeter ziemlich paradox geklungen haben.

2)    Ein zweites Merkmal ist die Verhärtung des Herzens. Was die Christen gegenüber den Heiden auszeichnet, ist ihre Kultur der Liebe.

Es folgen einige Vorwürfe durch Paulus: Haltlosigkeit, Ausschweifung, Gier und jede Art von Gemeinheit. Die Vielfalt der Denkangebote aus der griechischen Tradition haben für den Christen nach Paulus keine Geltung mehr: Es gibt nicht mehr zahlreiche gleichberechtigte Lebensmöglichkeiten, sondern nur das Leben aus dem Glauben, an Tugenden ausgerichtet.

Die Loslösung vom eigenen griechischen Background war für die Hellenisten wohl nicht so einfach zu vollziehen, weshalb sich Paulus so vehement für die Unterscheidung zwischen Lastern und Tugend einsetzt.

Theologisch greift Paulus die Symbolik der Taufe auf. Christus als Wahrheit anzunehmen bedeutet seinem Denken zu folgen und konkret ins eigene Leben zu integrieren.

Impulse: Zur Übertragung der Schwerpunkte von Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung:

Viele von uns sehen sich heute einer Vielfalt von Glaubens- und Lebensentwürfen gegenübergestellt. Das kann ein Gefühl der Hilflosigkeit und Verunsicherung erzeugen.

„Gerechtigkeit“ könnte bedeuten, ein Denken der gegenseitigen Wertschätzung zu fördern – auch des Akzeptierens des jeweils Anderen und dem Fremdartigen.

Hier liegt auch die Grundlage des „Friedens“ – im Zusammenleben.

Zugleich kann Paulus mit seinem Unterscheidungsangebot deutlich machen, dass wir unsere Lebenskräfte aus unserer Christusbeziehung aus der Taufe ziehen können und dürfen.

Wir sind Gottes „Schöpfung“ und die gilt es auch in Selbstliebe zu „bewahren.“ Für dieses Schwerpunktthema der Bewahrung der Schöpfung bieten sich dann auch die weiteren Unterscheidungen zum Anknüpfen an. Es ist möglich aktuelle Standpunkte zu unterscheiden zwischen Tugend und Untugend:

-       Egoismus des Einzelnen versus Gemeinwohl / Wohl des Nächsten

-       Akademisierung und Verkopft-Sein (als Trend) – versus umfassender Bildung inklusive der eigenen Lebensführung

-       Persönliches Vorankommen und Statusdenken versus einer Kultur der (Nächsten-)Liebe / des liebevollen Umgangs mit Schwächen (eigene u. denen anderer).

Um hier nicht in Schwulstigkeit abzutauchen, hilft der Bezug zur konkreten Umsetzung der vorgenommenen Unterscheidung:

Ein gemeinsames Projekt – zum Beispiel zur Unterstützung derer, die bisher nicht Fokus waren: Alte Menschen, sozial Benachteiligte, junge Menschen, Einsame, etc.

Evangelium: Joh 6, 24-35

Drei Fragen richten die Menschen an Jesus:

1.    Wann ist er hierhergekommen?

Jesus nimmt dies zum Anlass klarzustellen, dass er nicht ihr Brötchengeber ist, der sie der Sorge um den täglichen Lebensunterhalt enthebt. Er möchte, dass sie sich um eine Speise mühen, die für das ewige Leben bleibt.

Impuls:

Hier wäre eine Zukunfts- oder Projektwerkstatt denkbar zu einem Thema, dass bleibende Werte oder Aspekte setzen soll, im Hinblick auf Frieden zum Beispiel.

2.    Welches Werk erwartet Gott von ihnen?

Die Antwort fasst Jesus in einer paradox klingenden Formel zusammen: Das von Gott erwartete Werk ist der Glaube. Üblich war ein Tauschhandel zwischen Mensch und Gott: Man vollbringt die von Gott geforderten Werke und erwartet als Gegenleistung das Wohlwollen Gottes, das sich im Wohlergehen des Gläubigen erweisen soll (Tun-Ergehen-Zusammenhang).

Impuls:

Nicht auf das blicken, was Gott mir bringt – sondern auf die Situationen, in denen mir Gott bereits (verborgen) begegnet: Als Individuum, in Gemeinschaft. Da hier der Fokus reflexiv auf Vergangenes zielt, wäre eine Art Ernte-Dank Kontext denkbar. Auch eine Verknüpfung mit dem Thema Sabbat / Sonntag, als Tage des Dankes…

3.    Jesus soll seine Glaubwürdigkeit durch ein Wunderzeichen verifizieren.

Mose hat in der Wüste seine Glaubwürdigkeit durch das Manna ausgewiesen. Jesus soll dies im Brotwunder fortsetzen, damit man an ihn glaube. Dem Johannesevangelium zufolge sind Jesu Wunder „Zeichen“, dass sie weisen auf ihn hin. Er selbst ist wie Brot (…das vom Himmel herab gekommen ist…) für die Menschen. Wer an ihn glaubt wird lebenssatt, weder hungern noch dürsten.

Impuls:

Hinweis auf die kleinen aber „wegweisenden“ Alltags-Gesten: Willkommens- und / oder Abschiedskultur bei Gottesdiensten. Gibt es Möglichkeit, dass sie Menschen hier begegnen? Sind die Leiter*innen der Feier dabei anwesend?

L. van Rickelen und O. Carm, Bistum Mainz