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Eph 5,8b-14 | Jer 23, 1-6 | Eph 2, 13-18 | Mk 6, 30-34 |
Epheser 5, 8b-14 / 2,13-18: Ermutigung zum Lebens-Wandel
Das große Thema des Epheserbriefes ist die Ermutigung und Ermahnung der angesprochenen Christengemeinde zu einer neuen Lebensweise, die das Allgemein-Gültige der Welt des römischen Reiches aus „Gewalt, Macht und Herrschaft“ (2,21) wirksam hinter sich lässt. Das ganze Leben Jesu als von Gott gesandter Christus wird darin als ein universeller „Wandel-Prozess“ beschrieben vom Tod zum Leben (2,1-6), von der Feindschaft zum Frieden (2,11-18), von der Fremdheit zur Hausgenossenschaft (2,19-22) und von der Vereinzelung zu einer verbindlichen Gemeinschaft (4,1-6). Die Veränderungen dieses Wandel-Vorgangs durch Christus werden als „gültige Tatsachen“ dargestellt, wobei sich die Überzeugungskraft des Epheserbriefes in starken Bildern äußert, die die Angesprochen zu „Kindern und Geschwistern eines Gott-Vaters“ (4,6), zu „Gliedern eines Leibes Christi“ (4,12) und zu „Mitbürgerinnen und Mitbürger im einen Haus Gottes“ (4,19-22) ernennt. Mit dieser neuen Identität sollen die Gläubigen den durch Christus angestoßenen Wandel-Prozess nun selbständig weiter führen, indem sie ihren Glauben auch tatsächlich als konkreten „Lebens-Wandel“ umsetzen: „Legt von euch ab den alten Menschen mit seinem früheren Wandel … und zieht an den neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (4,22.24). „Denn früher wart ihr Finsternis, nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts“ (5,8).
Das „Licht“, um das es im Abschnitt 5,8b-14 geht, steht für die Erkenntnis neuer (Gottes-)Werte, die die Gläubigen durch das Zeugnis Christi vermittelt bekommen haben und die sie die „Finsternis“ der üblichen gesellschaftlichen Werte (benannt werden vor allem „Habsucht“ und „Ablenkung durch Vergnügungen“, die die römische Klassengesellschaft und den Kaiserkult widerspiegeln mögen, vgl. 4,19; 5,5) als „Abstumpfung, Entfremdung und Sinnentleerung“ durchschauen lässt. Im Kern geht es um die Abkehr von einer Unmündigkeit und einem Mitläufertum (4,14) hin zu einem Leben in Verantwortung und Selbstbestimmung vor Gott bzw. um die Umkehr der Lebensausrichtung vom Eigenwohl auf das Gemeinwohl (als „Segen für alle“, 4,29). Das „Licht des Herrn“ bringt „Auferstehung“ der Gläubigen (als eine Art „energetische Erneuerung“) mitten im Leben hervor: Die Aufforderung „Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten“ (5,14) nimmt die beiden Haupttermini für Auferstehung im Neuen Testament („aufwachen/wecken“ und „aufstehen“) auf.
Den Glauben leben und in Taten umsetzen, ist bis heute die große Herausforderung des Christentums. Wirksamkeit und Nachhaltigkeit gibt es nur durch Handeln. Das Geglaubte muss ins Leben. Darum der Appell: „Lebt dieses Licht!“ – Damit tun wir uns in der Kirche oft schwer. So groß die Bemühungen um die Gestaltung von Sonntagsgottesdiensten und Predigten sind, so wenig gibt es doch theologisch fundierte Diskussionen und Bestimmungen über den „christlichen Gottesdienst im Alltag“. Das Nachdenken über Themen wie „Christsein als Lebensform“ (Christian Grethlein) oder „Wirksame Kirche“ (Gerhard Wegner) hat Seltenheitswert.
Dabei ist das Thema „Lebens-Wandel“ im Sinne einer praktisch-konkreten Lebensveränderung gerade hochaktuell. Denn die fundamentale Öko-Krise, in die wir uns hineinmanövriert haben, ist im Innersten eine Krise unseres Werte-Kanons aus „Wohlstand, Wachstum und Fortschritt“. Die Antwort auf den „Klima-Wandel“ kann daher nur ein nachhaltiger „Lebens-Wandel“ sein: persönlich, gesellschaftlich und ökonomisch. Hier hätte die christliche Theologie sehr viel zu bieten, wenn sie dies für sich entdecken würde. Anregungen aus dem Epheserbrief könnten sein:
- „Dass der Leib wachse“ (4,16): Aus der Vereinzelung heraustreten, sich mit anderen zusammentun, Gemeinschaft suchen. Keine Aussage des Epheser, die für ein individualisiertes Christentum gedacht wäre: Alle theologische Kraft entfaltet sich nur in Gemeinschaft. Christsein gibt es nur im Plural. Auch jeder „Lebens-Wandel“ wird nur in Gemeinschaft gesellschaftsverändernd. Darum könnte im Gottesdienst ein „Wandel-Treff“ angeregt werden, bei dem das Thema einmal gemeinsam durchgesprochen wird (siehe auch unten zu Markus 6).
- „Prüft, was dem Herrn gefällt“ (5,10): Die „Entfremdung und Sinnentleerung“ zahlreicher heutiger Lebens- und Arbeitsformen thematisieren und andere Werte wie Zusammenhalt, Solidarität, gerechte Güterteilung, gegenseitige Hilfe, Genügsamkeit, Gemeinwohl-Orientierung und Verantwortung als „Gottes-Werte“ beschreiben, zusammengefasst mit dem Wort „Liebe“ (5,2).
- „Lebt das Licht, steht auf vom Tod“ (5,8.14): Angesichts zunehmender Polemik und Abwehr gegenüber Klimaschutzmaßnahmen (befördert durch opportunistische oder populistische Stimmungsmache) nüchtern bleiben und das „Licht der Erkenntnis“ hochhalten: Wir müssen etwas tun und wir können etwas tun! Es gilt, die „Zeit zu nutzen“ (5,16), den „Wandel“ vom Alten zu Neuem Schritt für Schritt weiterzutreiben und immer wieder – im Namen Gottes – vom „Tod“ der Gleichgültigkeit und der Resignation zu neuer Hoffnung aufzustehen.
Markus 6,30-34: Lebens-Wandel durch Gemeinschaftsbildung
Der Abschnitt umfasst die ersten Sätze der „Speisung der Fünftausend“ bzw. der „Wundersamen Brotvermehrung“, ist aber von der Geschichte im Ganzen nicht zu trennen. Es wird eine Lehrstunde für die Jünger, die hungrig von ihrer ersten Aussendung zurückgekehrt sind und sich mit Jesus zum Essen zurückziehen wollen. Aber eine „große Menge“ kommt ihnen mit ihrem eigenen, großen „Hunger“ dazwischen. Denn Jesus hat Mitleid mit ihnen: Sie erscheinen ihm „wie Schafe ohne Hirte“, wie Menschen ohne Plan und Orientierung. Interessanterweise ist die Predigt, der er dann hält (und die für unser kirchliches Handeln so zentral ist), nicht überliefert. Predigten sind flüchtig, entscheidend ist, was daraus im Alltag wird. Zentral ist hier wieder einmal die Umsetzung des Glaubens im Handeln, ohne die es keine Wirksamkeit gibt. Jesus hat nicht nur gepredigt, sondern seinen Jüngerinnen und Jüngern auch eine „Strategie zur Umsetzung“ mitgegeben, die in dieser Episode so deutlich wie selten entfaltet wird. Man kann fünf Strategie-Schritte erkennen:
1. Schritt: Eine klare (Gottes-)Ansage machen: Zum Beispiel so: „Die Zeit ist erfüllt, die andere Welt Gottes ist längst da, darum lebt euren Glauben jetzt!“ (nach der ersten überlieferten Predigt Jesu, Markus 1,15). Menschen sehnen sich, damals wie heute, nach Klarheit und Orientierung (ohne Dinge zu vereinfachen). Eine solche Ansage finden wir (natürlich) in der Bibel – und müssen sie doch für heute neu formulieren und mit Mut aussprechen.
2. Schritt: Menschen berufen: „Gebt ihr ihnen zu essen“ (6,37), sagt Jesus zu den Jüngern. Andere beauftragen, ihnen etwas zutrauen und übergeben, sie in den Dienst nehmen für andere, ihnen damit einen „Gotteswert“ (biblisch: „Heiligkeit“) zusprechen – auf dass sie in gleicher Weise andere Menschen berufen. Jesus stößt damit einen ganzen Prozess an, der imgrunde bis heute andauert, wenn wir ihn denn bewusst vollziehen.
3. Schritt: Gruppen bilden: „Und er gebot ihnen, dass sich alle lagerten, in Gruppen zu hundert und zu fünfzig“ (6,39f). Die große Menge Einzelkämpfer*innen („wie Schafe ohne Orientierung“) wird verwandelt in Gruppen von Menschen, die miteinander in Verbindung treten und damit Struktur, Halt und Handlungsfähigkeit erhalten.
4. Schritt: Sich gemeinsam stärken: „Und Jesus nahm die fünf Brote und zwei Fische, damit die Jünger sie an alle austeilten, und alle wurden satt“ (6,41f). Die „Brote“ und „Fische“ sind „Auferstehungsspeisen“ (siehe die Geschichten vor und nach der Kreuzigung), bestehend aus den Lebenserfahrungen der Menschen, die im Lichte der Worte und Taten Jesu neu gedeutet werden, sodass hier eine „wundersame Kraftvermehrung“ stattfindet, die aus Totem Lebendiges, sprich aus Resignation und Tatenlosigkeit nun Hoffnung und Handlungsfähigkeit macht. Das Geheimnis dabei: Jede beteiligte Person ist bei diesem Geschehen Empfangende und Gebende zugleich.
5. Schritt: Aufstehen und Losgehen: „Und sie sammelten die Brocken auf, zwölf Körbe voll“ (6,43). Dort, wo die Bibelgeschichten scheinbar zu Ende sind, fangen sie erst richtig an, denn sie enden imgrunde alle mit einem Doppelpunkt: „Nun macht es genauso weiter!“ Auf der Textebene sind es die tausenden Beteiligten, die nun aufstehen und losgehen, um die „Brocken“ ihrerseits zu vermehren – und heute sind es wir als Lesende und Verstehende.
Es geht hier um „Lebens-Wandel durch Gemeinschaftsbildung“: nur durch Beziehungen, Gemeinschaft und Gruppen-Bildung kommt der Glaube ins Handeln und ins Leben. Die Leitgedanken dabei sind unter anderem: „Gemeinwohl“ vor Eigenwohl („Gebt ihr ihnen zu essen“, 6,37), „Solidarische Ökonomie“ statt reine Geld-Wirtschaft („Sollen wir für 200 Groschen Brot kaufen“, 6,37), „Ethik des Genug“ statt immer mehr Gewinner und Verlierer aus Reichtum und Armut („Zwölf Körbe voll“, 6,43, als Reichtum durch Teilen). Es lohnt sich, diese Stichworte mit anderen konkret für den Alltag durchzubuchstabieren.
Carsten Röhr, Bad Hersfeld