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Gal 3, 26-29 | Weish 2, 1a.12.17-20 | Jak 3, 16 - 4, 3 | Mk 9, 30-37 |
Galater 3,26-29
Im Galaterbrief (~55 n. Chr.) spricht Paulus die zum christlichen Glauben gekommenen Judenchristen an. Manche Judenchristen (gesetzestreue Nomisten) aus Jerusalem lehrten die Konvertiten, dass sie dem jĂŒdischen Gesetz nach wie vor gehorchen mĂŒssten. Paulus ist aufgebracht und ermahnt die Galater, dass der Geist nicht durch das Gesetz, sondern durch Christus kommt. Die Heilszusage gilt jedem, der glaubt. Sie haben den Heiligen Geist, weil sie glaubten, nicht weil sie dem Gesetz folgten.
Das Christentum grĂŒnde auf den VerheiĂungen an Abraham (Grundlage des Judentums), die dann in Jesus Christus erfĂŒllt wurden. Christus ist der Erbe Abrahams. Alle Christen sind Söhne Gottes und Abrahams (sowohl Söhne als auch Töchter). Das Christentum Ă€nderte sich hin zu einer eigenstĂ€ndigen Lebensweise und stellt nicht mehr nur eine Strömung des Judentums dar.
Leitlinien in Zeiten der Orientierungslosigkeit
Paulus greift im Galaterbrief die Diskussion um den ârechten Glaubenâ und die ârechte Nachfolgeâ auf. Unterschiede der Herkunft, der Glaubenspraxis, der Rechtsauffassung, des Geschlechts oder der sozialen Stellung finden in der Taufe und im Glauben an Jesus als den Erben der VerheiĂung an Abraham eine gemeinsame Ausrichtung auf eine neue gemeinsame Zukunft. Es ist die VerheiĂung einer Welt, die eine soziale und gerechte Gesellschaft anstrebt, wie es beispielsweise auch in den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen formuliert wird.
In einer Zeit der Orientierungslosigkeit breiten sich unterschiedliche Vorstellungen vom ârechten Wegâ bis in religiöse Gruppierungen hinein aus. Die Haltung, den eigenen Glauben rechtmĂ€Ăiger zu praktizieren als andere und andere zu bekehren, ist nach wie vor prĂ€sent. Die Botschaft des Textes ist, alles beiseite zu lassen, was trennt und ausgrenzt (kulturelle und ethnische Unterschiede, Geschlechterunterschiede, sozialer Status usw.). Vielmehr betont der Apostel Paulus, dass alle, die getauft sind und sich im Glauben an Jesus zum Christentum bekennen, Töchter und Söhne Gottes sind. Jedem ist das Land (âin dem Milch und Honig flieĂtâ) verheiĂen, d.h. eine Gesellschaft, in der wir die Ideale eines sozialen, gerechten und nachhaltigen Zusammenlebens leben können.
Weish 2, 1a.12.17-20
Die Weisheitsliteratur umfasst neben dem Buch der Weisheit (auch: Sprichwörter) auch das Buch Ijob (Bezug zum Motiv des leidenden Gerechten) und einige Psalmen. Im Neuen Testament zĂ€hlt auch der Jakobusbrief (siehe oben) zur Weisheitsliteratur. Charakteristisch sind die praktischen Hinweise fĂŒr ein gutes Leben, was auch umfasst, wie man den Versuchungen des Lebens widerstehen kann und gute Entscheidungen trifft. Das hĂ€ufig begegnende Stilmittel sind pragmatische Sprichwörter, moralische Geschichten und Lebensregeln (hĂ€ufig fĂŒr junge Höflinge) sowie Betrachtungen ĂŒber das Leben. Der besondere Beitrag der Weisheit in Israel bestand in dem Bewusstsein, dass alle wahre Weisheit von Gott kommt und der Anfang der Weisheit mit der Gottesfurcht beginnt (Weish. 1,7; 9, 10).
Zwischen Gut und Böse
Die Stelle arbeitet mit der Unterscheidung zwischen âden Gerechtenâ und âden Frevlernâ: da ist auf der einen Seite der Gerechte, der sich als ein Sohn Gottes ausgibt. Und da sind auf der anderen Seite âdie Frevlerâ, die sich ertappt, beschuldigt fĂŒhlen und den Gerechten daher auf die Probe stellen wollen. Und da ist die groĂe Frage nach der Gerechtigkeit, die auch bei umwelt- und klimapolitischen Fragen hĂ€ufig im Mittelpunkt steht. So ist es alles andere als gerecht, dass diejenigen Menschen und Weltregionen am heftigsten und schnellsten vom Klimawandel betroffen sind, die am wenigsten dazu beigetragen haben.
Die Textstelle könnte aktueller nicht sein, da auch unsere heutige Gesellschaft im Jahr 2024 von GrĂ€ben, Polarisierungen und Anfeindungen durchzogen ist â auch im Bereich Umwelt und Klima. Wer hier die Guten (im Text âdie Gerechtenâ) und die Bösen (im Text âdie Frevlerâ) sind, ist dabei nicht immer so einfach zu sagen. So mĂŒssen Klimaaktivist*innen sich hĂ€ufig vorwerfen lassen, zu dramatisch zu argumentieren oder zu drastische Aktionen zu wĂ€hlen â sind sie also âdie Bösenâ? Gleichzeitig agieren sie vor dem Hintergrund aktueller Politik und geltenden Rechts, z.B. des Pariser Klimaabkommens â sind sie also doch âdie Gutenâ?
Schwer zu sagen. Am Ende bleibt die Frage, an welchen Leitlinien wir unser individuelles, gesellschaftliches und politisches Handeln ausrichten, wenn es wirklich âgerechtâ sein soll: An einer weiteren Ausbeutung des Planeten oder an seiner âBewahrungâ in einem Zustand, der auch fĂŒr nachfolgende Generationen lebenswert ist? So hĂ€lt das Buch der Weisheit einige Hinweise und Leitlinien fĂŒr ein âgutes Lebenâ bereit. Im Text soll die Widerstandskraft des Gerechten auf die Probe gestellt werden â wieviel Kraft haben Klima- und Umweltschutz noch, bevor es zu spĂ€t ist?
Jakobus 3, 16 - 4, 3
Der Jakobusbrief richtet sich grundsĂ€tzlich an alle Gemeinden (katholisch=weltweit), vermutlich aber stĂ€rker an Gemeinden in der Diaspora (12 verstreute StĂ€mme). Jakobus gilt als Autor des Briefes. Der Fischersohn, der zum Apostel berufen wurde, leitete die Jerusalemer Urgemeinde. Der Stil des Jakobusbriefes (christliche Weisheitsschrift nach Art der jĂŒdischen Weisheitsliteratur) weist auf pseudepigraphische Abfassung hin. Ebenso die Aphorismen, die vermutlich nicht der Feder eines Fischersohnes entspringen. Alle wahre Weisheit kommt von Gott, die in diesem Fall als eher praktische denn als theoretische Weisheit zu verstehen ist. Der Brief nimmt besonders die Sorge um die Armen in den Blick, die ZĂŒgelung der Zunge (gesprochenes Wort), die BestĂ€ndigkeit und das Gebet. Damit richtet sich der Fokus bei Jakobus stĂ€rker auf die Taten als bei Paulus (auf den Glauben), die die Erlösung bewirken. Glaube zeigt sich durch die Taten. Letztlich gehört aber beides zusammen.
Frieden schaffen â weltweit und vor Ort
Gerechtigkeit fĂŒr die, die Frieden schaffen â so lautet eine der zentralen Aussagen dieser Passage aus Jakobusâ Brief an die Gemeinden. Frieden schaffen: darin steckt etwas Aktives, Praktisches, tĂ€tig Seiendes. Denn der Frieden stellt sich nur selten von selbst ein, zu groĂ und mĂ€chtig sind seine Widersacher. Frieden muss immer wieder neu gesucht und geschaffen werden.
Die sogenannte âKlimafluchtâ wird eines der drĂ€ngendsten Themen des 21. Jahrhunderts, da in immer mehr Weltregionen ein sicheres Leben aufgrund klimatischer VerĂ€nderungen nicht mehr möglich ist. Daher gilt es, Frieden auf verschiedenen Ebenen zu schaffen: auf politischer Ebene, etwa indem die Situation von Menschen in weniger privilegierten Teilen der Welt verbessert wird und globale Ungerechtigkeiten abgebaut werden. Auf gesellschaftlicher Ebene, indem wir bereit sind, diejenigen Menschen in unsere Mitte aufzunehmen, deren Lebensgrundlagen in ihrer Heimat nicht mehr gesichert sind. Und auf individueller Ebene, indem wir diese Willkommenskultur im Alltag leben, statt uns abzugrenzen.
Markus 9, 30-37
Das Evangelium nach Markus (zwischen 66 und 74 abgefasst) gilt als frĂŒhestes Evangelium, das von Markus verfasst wurde und die Geschichten um Jesus zusammentrĂ€gt, die seit langem in den christlichen Gemeinden zirkulierten. Markus fokussiert auf die Besonderheit und Faszination der Person Jesu zum einen und zum anderen, dass dieser durch seine Einstimmung in den Willen seines Vaters und seine Zustimmung zum Leidensweg seinen Gehorsam zeigte. Jesus lehrte, dass er seine Sendung nur durch Leiden und Tod erfĂŒllen kann. Seine dreifache LeidensankĂŒndigung vor seinem Weg nach Jerusalem (ab Kapitel 11) und seinem Tod wird von den JĂŒngern nicht verstanden. Eine Botschaft, die niemals leicht akzeptiert wurde und wird. Das muss die christlichen Gemeinden damals dennoch auch ermutigt haben, die selbst unter Verfolgung und Leid litten.
Eine solidarische Gesellschaft ist immer an der Seite der âSchwachenâ
Zentrales Motiv in dieser Bibelstelle ist, dass Ehrgeiz, Neid und Vergleiche nicht aus dem Geiste Gottes kommen. Um in den Augen Jesu und seines Vaters âgroĂâ zu sein, bedarf es der Bereitschaft, sich zurĂŒckzunehmen und sich in den Dienst Anderer zu stellen. Kommt uns das nicht bekannt vor angesichts einer Gesellschaft, die von Vergleichen und der Steigerungslogik des âHöher-Schneller-Weiterâ geprĂ€gt ist? In einer Zeit, in der wir die Ressourcen der Erde ausbeuten, damit sich kleine Teile der Menschheit daran bereichern können, wĂ€re ein solcher Perspektivwechsel durchaus sinnvoll, der noch vor der ErfĂŒllung der eigenen Interessen die BedĂŒrfnisse aller Menschen in den Blick nimmt.
FĂŒr unser konkretes gesellschaftliches und politisches Handeln können wir zwei Hinweise finden:
Wer mich aufnimmt, nimmt auch den auf, der mich gesandt hat: mit diesen Worten sendet Jesus ein starkes Zeichen, das wir heute unter der Ăberschrift âWillkommenskulturâ lesen können. Ob durch Krieg und Terror, Naturkatastrophen oder Verfolgung: wenn wir unsere TĂŒren öffnen und Menschen aufnehmen, tun wir damit nicht nur ihnen selbst etwas Gutes, sondern dienen einem höheren Zweck.
Jesus steht auĂerdem einmal mehr auf der Seite der âSchwachenâ unserer Gesellschaft und möchte dazu anregen, unser gesamtes Handeln an den gesellschaftlichen Gruppen auszurichten, die keine Stimme, keine Lobby und keinen Einfluss haben. Solidarisch mit den Schwachen - eine gute Perspektive auch bei heutigen politischen Entscheidungen, oder?
Kai Stenull, Dr. Jonas Pavelka und Alexander Mack, Heinrich Pesch Haus, Ludwigshafen