o6.o4.25 – Judika / 5. Fastensonntag

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Joh 18, 28 - 19, 5 Jes 43, 16-21 Phil 3, 8-14 Joh 8, 1-11

‚Was Gott tut, das ist wohlgetan‘ (GL 416; EG 372) kann Überschrift, Bestärkung und Anregung sein im Nachdenken über die Schrifttexte dieses Sonntags. Kein ‚Ich weiß es besser‘, kein ‚Ich rette die Welt‘. In den Texten begegnet uns ein rettender und heilender Gott – als Vorbild, als Bezugspunkt meines Handelns. Was ist unsere Antwort auf die Erkenntnis, auf das Bekenntnis „Was Gott tut, das ist wohlgetan“?

 

Zum Predigttext der Ev. Perikopenordnung:

Joh 18,28 – 19,5

Exegese

Die Frage des Pilatus ‚Bist du der König der Juden?‘ findet sich in gleicher Weise bei den Synoptikern. Bei Johannes interpretiert Jesus die Bezeichnung ‚König der Juden‘: Weg vom politischen Messiasverständnis, auf dem die Anklage fußt, hin zu einem Messiasverständnis, das das Bekenntnis zu Jesus als dem Sohn Gottes voraussetzt. Die frühe Kirche deutete die Auferstehung Jesu als seine Einsetzung als messianischer König – also erst der Auferstandene wird zum Messias, zum Christus. Am Ende des Abschnitts wird die traditionelle Inthronisation eines Königs karikiert, in dem Jesus als gedemütigter und geschundener Mensch der Menge präsentiert wird: Ecce homo – Gott gegenwärtig im von Schmerzen gezeichneten Menschen.

Bezüge zur Nachhaltigkeit

Pilatus sollte nicht fragen ‚Was ist Wahrheit?‘, sondern ‚Wer ist Wahrheit?‘ Die Wahrheit ist keine Theorie, sondern die Beziehung zu einer Person – zu Jesus. Aus dieser Wahrheit erwächst absolute Gewaltlosigkeit und Feindesliebe. Bis heute fürchten sich ‚Machtpolitiker‘ vor Gedanken- und Redefreiheit, vor der wehrlosen Macht innerer Überzeugungen. Damit wird das Reich Gottes zu einer Größe, die als ‚Heilsherrschaft der Liebe‘ auch eine politische Dimension hat. Widerstand gegen politische Systeme, gegen gesellschaftliche Strömungen, die spalten, Menschen ausgrenzen, die Menschenwürde missachten, gehört damit zur DANN des Christentums. Dabei der Wahrheit – der Person Jesu und ihrer Botschaft – verbunden und damit pazifistisch zu bleiben, gehört heute, wie wohl zu allen Zeiten, zu den großen Herausforderungen christlicher Existenz.

 

Zu den Schrifttexten der Kath. Leseordnung:

Erste Lesung: Jes 43, 16–21

Exegese

Der Abschnitt aus Deuterojesaja ist eingangs formuliert im Rückgriff auf die Erfahrung des Volkes Gottes in der Rettung am Schilfmeer. Die kommende Rettung aus dem babylonischen Exil wird als noch größer dargestellt (Vers 18: „Denkt nicht mehr an das, was früher war“). Lautete in Kapitel 40 noch die die Aufforderung, Gott einen Weg durch die Wüste zu bahnen, ist es hier Gott selbst, der diesen Weg bahnt. Nicht nur das Volk selbst, die ganze Schöpfung hat Anteil an der rettenden Tat Gottes und Gott selbst liefert in den Versen 20-21 eine Vorlage für das künftige Danklied des Volkes.

Bezüge zur Nachhaltigkeit

Schöpfung und Erlösung sind eins. Gott handelt nicht ausschließlich am Menschen, sein Handeln ist allumfassend. In anschaulicher Weise lädt der Text zum Nachdenken darüber ein, dass der Mensch nicht losgelöst von seiner Umwelt zu sehen ist. Sie wird zur Mit-Welt, zur Mit-Schöpfung. Erlöste Menschen gibt es nur in Kombination mit erlöster Schöpfung. Gott will das Heil seines gesamten Schöpfungswerkes

In diesem Textabschnitt handelt Gott allein – ohne menschliche Hilfe. Erlösung ist Geschenk, kein Verdienst. Doch wo wir schuldig werden an unserer Mit-Schöpfung, müssen wir auch selbst ins Handeln kommen. Hier gilt nicht: Gott wird’s schon richten!

 

Zweite Lesung: Phil 3, 8–14

Exegese

Paulus blickt auf das Damaskusgeschehen zurück und schreibt damit gegen die Vollkommenheitsenthusiasten an, die in der Gemeinde offenbar am Werk waren. Sie glaubten sich offenbar im Besitz der Vollendung, des Heiles. Für Paulus ist klar: Das Heil ist niemals verfügbar, speicherbar. Am Ende wird sich entscheiden, wer Christ*in gewesen ist (Vers 14: „Das Ziel vor Augen, jage ich nach dem Siegespreis.“).

Bezüge zur Nachhaltigkeit

‚Auf die Würde! Fertig. Los.‘ – mit diesem Leitwort greift das katholische Werk für Entwicklungszusammenarbeit – Misereor – an diesem Sonntag das Bild vom sportlichen Wettstreit auf, das Paulus zum Ende seiner Ausführungen verwendet. Für die Menschenwürde, für Menschenrechte setzt sich der Misereor-Partner SEDEC in Sri Lanka ein. Den dort lebenden Hochlandtamil*innen wird der Zugang zu Bürgerrechten erschwert, ihre Würde missachtet. So wie SEDEC im Bereich der Menschenwürde & Menschenrechte, braucht es in vielen Bereichen der Entwicklungszusammenarbeit den langen Atem, die Ausdauer, die es auch im sportlichen Wettkampf braucht. In den Fragen nachhaltiger Entwicklung, gesellschaftlicher Transformationsprozesse, können Christ*innen vor dem Hintergrund paulinischer Spiritualität Antworten finden. Christliches Leben ist stets Prozess, Wandlung, Ausstrecken nach einem immer tieferen ‚Christus-Erkennen‘. Für Paulus gehört das Leiden mit dazu: Das Leiden an der Ungerechtigkeit, das Leiden mit der Schöpfung. Keine toxische Leidensspiritualität, kein ‚sich-ergeben‘ in den Schmerz, sondern das Vertrauen, dass ‚Auferstehung‘ das Zielbild ist.

 

Evangelium: Joh 8, 1-11

Exegese

Dieser Abschnitt gehört nicht ursprünglich zum Johannesevangelium, sondern wurde erst später eingefügt. Zu erklären ist dies wohl durch die Spannung, die der Text widerspiegelt, zwischen der Treue zur Jesus-Überlieferung und den Interessen der Kirchendisziplin. Die Erzählung reiht sich ein in eine Vielzahl von Jesus-Worten, in denen er betont, dass es ihm ums Retten und nichts ums Richten geht (vgl. z.B. Joh 12,47: „Ich bin nicht gekommen, um die Welt zu richten, sondern um sie zu retten.“). Die Geste des mit dem Finger auf den Boden Schreibens lässt sich wohl am ehesten als Rückgriff auf Jer 17,13 lesen. Dort heißt es: „Du Hoffnung Israels, HERR! Alle, die dich verlassen, werden zuschanden. Die sich von mir abwenden, werden in den Staub geschrieben, denn sie haben den HERRN verlassen, den Quell lebendigen Wassers.“ Damit wird die Geste zu einer Zeichenhandlung, deren Sinn in der darauffolgenden Aussage Jesu deutlich wird: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie“ (Vers 7).

Bezüge zur Nachhaltigkeit

Gott müsste eigentlich alle Menschen in den Staub schreiben. Er tut es nicht. Er vergibt, er ermöglicht Bekehrung, Wandel, einen Neuanfang. Wenn Gott Menschen nicht in den Staub schreibt, dann sollen/dürfen wir es auch nicht. Vor dem Hintergrund der vielfältigen Herausforderungen und Krisen unserer Zeit gilt in dieser Weise: Keine Moralpredigt, nicht mit dem Finger auf andere zeigen, nicht die Schuld bei anderen suchen. Ich bin gefordert, auf meine Fehler, mein Versagen zu schauen, selbst die Veränderung zu sein, die ich von anderen fordere. Ermutigung, Kraft zur Transformation, wachsen nicht auf dem Boden von Vorwürfen und Verurteilungen. Im Nächsten den Menschen zu erkennen, der wie ich Schwächen hat, dem es wie mir nicht konsequent gelingt, neue Verhaltens- und Konsumgewohnheiten ohne Rückschritte umzusetzen. „Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“ (Vers 11): Jesus benennt Fehlverhalten, aber mit einem deutlichen Zungenschlag der Ermutigung: Ich traue dir die Veränderung, den Neubeginn zu! Du schaffst es, nicht mehr in alte Gewohnheiten zurückzufallen! Wo es uns gelingt, in dieser Weise Menschen zu begegnen, da wird etwas Heiliges, da wird die heilende Nähe Gottes erfahrbar. Und wer eine solche Erfahrung gemacht hat, kann auch selbst heilend wirken.

Andreas Paul, Bistum Trier