4. Adventsonntag [III/A]
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Lk 1, 26-33 (34-37) 38 | Jes 7, 10-14 | Röm 1, 1-7 | Mt 1, 18-24 |
Stellung im Kirchenjahr
Der 4. Advent steht im Schatten von Heiligabend. Vielerorts wird dieser Sonntag dominiert von Adventsfeiern, Adventsmusiken und Kindergarten-Weihnachtsfeiern. So haben die Texte leider wenig Chancen gepredigt zu werden – zumal dort, wo in Gemeinden ein 14tägiger Gottesdienstrhythmus üblich ist. Das ist schade, denn gerade an diesem Sonntag kulminiert die Vorfreude. Die Ankündigung der Geburt des Gottessohnes steht im Zentrum. Die Sehnsucht nach dem Heil hofft auf Erfüllung. Freude bricht sich Bahn. Manche feiern diesen Tag als „Gaudete“. Ich beziehe mich auf die Ankündigungen der Geburt an Maria und Joseph, die in unterschiedlichen Evangelien überliefert werden. Die Texte können nicht ohne weiteres für den konziliaren Prozess fruchtbar gemacht werden. Hier geht es zuerst um Heilsgeschichte aus der dann sekundär Orientierung in ethischen Fragen gewonnen werden kann.
Lk. 1,26-33 (34-37) 38
Wer je in Nazareth gewesen ist, wird die gewaltige Verkündigungsbasilika vor Augen haben. In der Unterkirche ist die Verkündigungsszene figürlich nachgestaltet. Ein heiliger Ort. Hier also wurde Maria die Botschaft überbracht, dass sie den Sohn des Höchsten gebären würde. Wie auch an anderen Stellen, wo die Schöpferkraft Gottes auf unerhörte Weise in das Leben einbricht, so wird auch hier die Botschaft mit einem „Fürchte dich nicht eingeleitet“. Beinahe intim, im Wohnzimmer Marias, nimmt das Heil seinen Lauf. Maria kann die Dimension dieses Geschehens nicht fassen. Sie hat wohl ihr Leben lang damit zu tun gehabt, dass dieser, ihr Sohn nicht nur ihr Sohn ist, sondern von Gott der Welt zum Heil geschenkt wurde, um den Riss zu heilen, der die Menschen von Gott und untereinander trennt. Dass dies auch eminent politische Folgen haben würde, hat Maria noch nicht im Blick. Sie ist verwundert, weil sie die Herkunft ihrer Schwangerschaft nicht begreifen kann. In diesem Geschehen liegt der Übergang vom alten zum neuen Bund. Gott redet wieder und neue Wirklichkeit entsteht (Hebr. 1). Maria ist auserwählt als Mutter und sie erweist sich mit ihrem Lobgesang als letzte Prophetin des alten Bundes (V. 52f). Was sie verkündigt, kommt in ihr zur Welt. Sie wird zur Christusträgerin. Lukas berichtet, dass sie diese Aufgabe bewusst bejaht hat. So ist sie der erste Mensch, der sich für Christus öffnet. Sie wird zum Urbild des Glaubens, der ja stets mit einem sich öffnen für Christus beginnt. Sie war der Mensch, der Christus am nächsten stand. Mit Sicherheit war sie später eine seiner Jüngerinnen. So kommt ihr auch in der evangelischen Kirche eine herausragende Rolle zu. Viele unserer Kirchen sind ihr geweiht.
Mt. 1,18-24
So wie in Nazareth die Josephskirche im Schatten der Verkündigungsbasilika steht, steht auch die Verkündigung an Joseph im Schatten der lukanischen Überlieferung. Matthäus setzt den Schwerpunkt eindeutig anders. Ihm kommt es auf die Abstammung Jesu aus dem Hause Davids an. Joseph ist dafür das notwendige Bindeglied. Maria war dem Joseph verlobt, also hatte er ein Recht an ihr. Ihre überraschende Schwangerschaft war für ihn eine Zumutung. Sie hätte es gerechtfertigt, dass er sie verstößt bis hin zur Todesstrafe. Doch Joseph will kein Aufhebens und will sie heimlich entlassen. Eine große Güte wird hier spürbar – vielleicht aus Liebe. Die Kraft der Liebe bricht die Macht des Gesetzes. Der Engel verrät ihm das Besondere dieser Schwangerschaft: Dieses Kind ist Gottes Kind. Nenne ihn Jesus - Gott hilft, denn er wird sein Volk retten. Bekenne dich also zu diesem Kind und seiner Mutter und stelle deine Zweifel hintenan. Sei diesem Kind ein leiblicher Vater. Joseph darf das Gottesgeschenk bergen und forthin dieses Kind in einer ganz normalen Familie erziehen und ihm so den Weg bahnen – hin zu seinem Auftrag. Joseph kann uns ein Leitbild sein für die Annahme von Kindern, seien sie unehelich, von fremden Vätern, verwahrlost oder auf der Flucht wie die unbegleiteten minderjährigen Ausländer, die ein neues Aufgabenfeld für die Jugendhilfe bedeuten und unsere besondere Fürsorge erfordern. Der Sohn Josephs und Marias wird später sagen: „Wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf“(Mt.18,5). Nach der Geburt erscheint der Engel dem Joseph ein zweites Mal. Joseph folgt der Aufforderung, das Kind und seine Mutter in Sicherheit zu bringen indem sie nach Ägypten fliehen. Auch hier ist die Flucht um des Überlebens willen notwendig.
Wolfram Hädicke, Köthen