Neujahrstag / Hochfest der Gottesmutter Maria (01.01.17)

Neujahrstag / Hochfest der Gottesmutter Maria [III/A]

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Joh 14, 1-6 Num 6, 22-27 Gal 4, 4-7 Lk 2, 16-21

Der janusköpfige Tag

I Vorspann: Entscheidungen zum Inhalt der Predigt – Gemälde statt Perikope

Da der 1.1.2017 ein Tag von besonderer Bedeutung für die evangelische und die katholische Kirche ist, ein Neujahrstag, wie es ihn die nächsten einhundert Jahre nicht geben wird, liegt der Fokus dieser Predigtanregung nicht auf den Nachhaltigkeitsbezügen der Perikopentexte, sondern auf dem ersten Tag des Jahres, das den Beginn der Reformation markiert. Wohl kaum ein Ereignis ist derartig nachhaltig gewesen wie der vermeintliche Thesenanschlag Martin Luthers am 31.10.1517. Dies erkennt selbst die Partei „Die Linke“ an, weswegen auch sie dem Beschluss des Bundestages zustimmte, der da lautete: „Bei dem Reformationsjubiläum im Jahr 2017 handelt es sich um ein Ereignis von Weltrang.“

In dieser Predigtanregung wird nun anhand eines Gemäldes beides miteinander verknüpft – die Bedeutung der Reformation am Beginn dieses besonderen Jahres und die Sorge um die nachhaltige Pflege unserer Erde. Das Bild, das sich dafür wie kaum ein anderes eignet, stammt von Lucas Cranach dem Jüngeren aus dem Jahr 1569 und trägt den Titel „Der Weinberg Gottes“. (zum Johann-Friedrich-Danneil-Museeum mit Cranach-Altar)

II Vorbemerkungen

Seit einem Jahrzehnt läuft sich die Evangelische Kirche in Deutschland warm für das Reformationsgedenken. Am 1.1.2017, heute, ist es dann endlich soweit – das Reformationsjahr beginnt. Anders als bei den vorherigen Reformationsjubiläen liegt dabei der Fokus auffällig auf der Ökumene. Das Ereignis gipfelt in einem Staatsakt am 31.10.2017 – gewürdigt als Feiertag in ganz Deutschland.

Von daher sollte es in der Predigt auf drei Ebenen um Geschichte und Gegenwart dieses besonderen Jahres gehen: Zum ersten könnte ein Blick auf die Trennung im 16. Jahrhundert geworfen werden. Wie genau kam es zu dieser folgenschweren Kirchentrennung, welche Faktoren spielten dabei eine Rolle, was war der Stein des Anstoßes? Dabei sollten nicht nur das Zerwürfnis zwischen nachmaliger römisch-katholischer Kirche und nachmaliger evangelischer Kirche betrachtet werden, sondern auch die innerevangelischen Divergenzen sowie frühere Schismata fokussieren, wie etwa das Große Schisma im Jahr 1054, das zur Spaltung des Christentums in orthodoxe und katholische Kirche führte. Auf einer zweiten Ebene wären einige Sätze zu den inter- und intrakonfessionellen Versuchen der Einigung zu sagen, ausgehend vom 16. Jahrhundert bis zum „Jahrhundert der Ökumene“ (Frieling), dem 20. Jahrhundert. Schließlich sollte die Predigt münden in einen Ausblick auf die Feierlichkeiten und Verlautbarungen seitens verschiedener Konfessionen zu 2017.

Die Predigt bietet somit eine gute Gelegenheit, sich mit den historischen und gegenwärtigen Unterschieden und Abgrenzungsversuchen innerhalb und zwischen den Konfessionen zu befassen, sowie einen eigenen Standpunkt zu diesem besonderen Jahr zu entwickeln, das in seiner historischen Bedeutung einmalig ist.

III Das Gemälde

Lucas Cranach der Jüngere wohnte nur wenige Schritte von Martin Luther entfernt – die Beiden bildeten, so würde man heute sagen, ein kongeniales Dreamteam. Was Luther dachte und schrieb, druckte Lucas Cranach und bebilderte es, so wie es vorher sein Vater getan hatte. Damit verschafften die Cranachs Luthers Theologie eine ungeheure Breitenwirkung. Luther wurde durch die unternehmerisch begabten Lucas Cranachs geradezu selbst zu einem Kunstwerk. Die Botschaft Luthers verbreitete sich in Windeseile.

Wenn wir nun auf das Gemälde „Der Weinberg Gottes“ sehen, erkennen wir eine polemische Allegorie der beiden großen, inzwischen gespaltenen Konfessionen. Die Katholiken, auf der linken Seite, verhalten sich wie Irre: sie werfen die abgehauenen Weinstöcke in das Feuer, zerstören den Boden und werfen Steine in den Brunnen – nachhaltiges Wirtschaften sieht anders aus. Mit ihrem Tun erinnern sie an die Prophezeiung aus Jesaja 5 über den verwüsteten Weinberg. Auf der anderen Seite, durch einen Graben getrennt, sieht man die Reformatoren fleißig und umsichtig bei der Arbeit. Sie jäten, gießen, zupfen, binden pfropfen – vorbildlich in ihrem Tun.

Viele neutestamentliche Gleichnisse spielen im Bereich des Acker- und Gartenbaus (man denke nur an Matthäus 20,1-6). Luther hat sich selbst immer wieder, nicht ganz historisch korrekt, als Bauern und von bäuerlicher Herkunft charakterisiert: „Ich bin eines Bauern Sohn, Vater, Großvater und Ahn sind rechte Bauern gewesen.“ Ihm ging es darum zu er und seine Parteigänger besser mit Gottes Weinberg umzugehen wüssten als die Altgläubigen.

IV Conclusio – 1.1.2017: Der janusköpfige Tag

Inzwischen sind 500 Jahre vergangen und die Zeit ist reif, um in aller Entschiedenheit zu erklären, dass wir diesen Weinberg nur gemeinsam bewirtschaften können. Dass wir alte Feindbilder hinter uns lassen werden. Und dass wir diesen 1.1.2017 als janusköpfigen Tag betrachten – mit dem Blick auf das, was hinter uns liegt. Also auf die Verwerfungen, Verunglimpfungen und Verketzerungen. Auf 500 Jahre, in denen Katholiken und Protestanten versucht haben, sich gegenseitig das Leben so schwer wie nur möglich zu machen, damit nur eine den Sieg davontrage, nämlich die wahre Konfession.

Vom 1. Januar wollen wir aber auch und gerade, und dies voller Hoffnung, Wagemut und Tollkühnheit tun, nämlich nach vorne sehen. Wir wollen auf das sehen, was vor uns liegt, auf die Aufgaben im Weinberg des Herrn und im Weinberg, der unsere ganze Welt ist, denn nur gemeinsam können wir die Probleme und Herausforderungen lösen. So wollen wir uns das Leben gegenseitig so leicht wie möglich machen, damit einer den Sieg davontrage, nämlich unser Herr Jesus Christus.

Und so sollten wir Ihn bitten in diesem Gottesdienst, dass wir neu den Glauben zu leben lernen und dass wir dann so eins werden.

PD Dr. Rajah Isabelle Scheepers, Berlin-Steglitz