Epiphanias / Erscheinung des Herrn (06.01.17)

Epiphanias / Erscheinung des Herrn [III/A]

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Joh 1, 15-18 Jes 60, 1-6 Eph 3, 2-3a.5-6 Mt 2, 1-12

Der Autor stellt die Drei-Königs-Geschichte in einen breiten Kontext von sozialer, ökologischer und globaler Nachhaltigkeit. Es ist überraschend, wie gut sich aktuell diskutierte Themen wie Lebensstilfragen und ökologische Grenzen, Angst vor sozialem Abstieg oder die Situation der Flüchtlinge mit der Drei-Königs-Geschichte verbinden lassen.

Ein guter Stern über dem neuen Jahr – Weihnachten wirkt

Zum Text Matth. 2, -12
Dieser Abschnitt ist evangelisch wie katholisch das Evangelium für das Epiphaniasfest. Wiewohl als Legende charakterisiert, ist eine besondere Sternkonstellation für das Jahr 7 vor Christus belegt: Jupiter, der Königsstern, und Saturn, der Stern des Sabbats, rückten mit ihren Laufbahnen so eng zueinander, dass sie wie ein großer heller Stern wirkten. Das Ineinander von Astrologie und religiöser Weltdeutung war offenbar – trotz tiefer Skepsis im biblischen Zeugnis - so sehr kulturelles Gemeingut, dass Matthäus seine theologische Botschaft vom neugeborenen Jesuskind, dem Gesalbten (Christus) Gottes, nach dem innerjüdischen Stammbaum noch um die weltumspannende, ja kosmische Dimension weitet: sogar Heiden, wahrscheinlich zoroastrische Gelehrte und Priester aus Persien (Iran), erkennen in den Sternen die Bedeutung des Ereignisses und kommen, um den neugeborenen König der Juden anzubeten („Himmel und Erde, erzählet's den Heiden“). Dass die Dreizahl der Weisen keinen Anhalt am Text hat, sondern aus der Zahl der Geschenke gefolgert wurde und dass die Art und der Wert der Geschenke die Weisen in der Wirkungsgeschichte zu Königen werden ließ, die schließlich im 6. Jahrhundert auch noch Namen bekamen, zeigt die nachhaltige Wirkmächtigkeit dieser Geschichte. Die Intention des Matthäus wurde durch die  Traditionsgeschichte der Legende weiter verstärkt: die Weisen/Könige wurden als Repräsentanten der damals bekannten Kontinente verstanden, sprich: die ganze Welt ist zur Krippe gekommen. Nicht so der um seine Macht besorgte Herodes, König von Roms Gnaden, der in seiner jüdischen Umwelt als grausam und mörderisch galt. Dass Herodes bereits 4 v.Chr. gestorben ist, unterstreicht die theologische Konstruktion der Geschichte und die Verkündigungsabsicht des Matthäus.

Kirchenjahr und Predigtsituation
Epiphanias ist in evangelischen Kreisen kaum als Feiertag mit seinen biblisch-theologischen Konnotationen bewusst (Anbetung des Jesuskindes durch die Weisen, Taufe Jesu, Jesu erstes Wunder Hochzeit zu Kana); vielmehr ist der Tag/die Zeit - zumindest im Rheinland - gut katholisch als Fest der Heiligen Drei Könige im Bewusstsein, die durch die inzwischen oft schon evangelisch mitgetragenen Sternsinger ganz sinnenhaft bis vor die Haustür kommen, Gaben für Kinder im armen Süden sammeln und den Segen Christi für das noch neue Jahr sichtbar vermitteln. Als eine andere Facette ist für bewusste Protestanten das weiter wirkende Weihnachtsereignis jenseits des 'volkskirchlichen Ernstfalls' Heiligabend von Bedeutung, eher still mit seiner Licht- und Morgensternsymbolik in den entsprechenden Liedern, ohne den Stress des rummeligen und Heiligabend eher schummrigen Altjahres, vielmehr mit dem frischen Glanz der weihnachtlichen Verheißung über dem noch neuen Jahr. Mit dem Jahreswechsel verbinden sich üblicherweise auch volkstümlich mancherlei (unbewusst) archaisch mythische Praktiken, die einerseits den Zeitenwandel bewusst machen und teilweise auch versuchen, sich des 'guten Sterns' über dem neuen Jahr mit seinen Hoffnungen und Vorsätzen zu vergewissern. Solche Hoffnungen und Vorsätze wie auch ihre Gegenstücke, Ängste und Sorgen, können ganz persönlich auf das eigene Leben bezogen sein, genauso aber auch auf die Zukunft des Miteinanderlebens auf diesem Planeten, auf eine Politik, die kein Vertrauen mehr findet, weil Staaten und Gesellschaften immer tiefer gespalten sind in arm und reich, weil aufgerüstet wird wie nie und Menschen in unabsehbarer Zahl aus Not, Gewalt und Zerstörung auch zu uns fliehen und in unseren Gesellschaften Gewohntes in Frage stellen, der soziale Frieden in Gefahr ist. Dieser Bandbreite kann das so schillernd wirkmächtige Evangelium zum Epiphaniasfest durchaus begegnen, wenn der Text denn in protestantischen Kreisen ohne Feiertag überhaupt eine Chance hat, gepredigt zu werden und sei es am darauffolgenden Sonntag.

Entdeckungen zum Text
Das Erschrecken über den Auftritt und das Anliegen der Weisen geht tief; König Herodes mitsamt seinem Hof und der führenden Jerusalemer Oberschicht sehen ihre Macht in Gefahr. Schließlich hatte es schon einige Putsche, mörderische Intrigen und Hinrichtungen gegeben, um die eigene Macht zu behaupten. Hektik bricht unter den Mächtigen hinter den Kulissen aus, wo denn die Quelle der neuen Machtbedrohung ausfindig zu machen sei (4); vordergründig diplomatisch wird mit den Weisen verhandelt, scheinbar im Konsens mit ihrem Anliegen, doch eigentlich, um sie auszuforschen, sie gewissermaßen als IM (informelle Mitarbeiter) zu nutzen zur Sicherung der eigenen Macht (7+8). Dazwischen, inmitten dieses menschlichen Bemühens um die eigene Position mit all ihren Privilegien, steht die vergegenwärtigte Verheißung des Propheten Micha (5, 1). Sie muss für die die herrschende Schicht in der Hauptstadt ziemlich verstörend sein. Denn Micha sieht mit Macht etwas Neues kommen, das von Gott selber ausgeht, und zwar nicht in Jerusalem, sondern in der Provinz, der kleinen Stadt Bethlehem ('Haus des Brotes'). Nicht ein neuer König, den Titel vermeidet Micha, denn das Königtum in Israel hat versagt, sondern einer, der Gott gegenüber wirklich verantwortlich ist, wird in Israel Herr sein. Dieser eine Vers reicht Matthäus als Zitat, um die damit verbundene Verheißung lebendig werden zu lassen. Den nach Hoffnung und Trost hungernden Menschen verheißt Micha einen neuen Herrscher (Führer, Fürst), der das Volk so weiden wird, dass alle Menschen darin „sicher wohnen“ werden (5,3), nicht fliehen müssen vor Feinden, vor Verfolgung und Unterdrückung, vor Hunger oder der Zerstörung der Heimat. „Und er wird der Friede sein“ (5,4). Der Stern der guten Hoffnung führt die Weisen nicht in die Metropole; das war ihre menschliche Erwartung. Trotz des Erschreckens der Jerusalemer Führungsschicht und entgegen ihrem Bemühen, die Weisen für ihre eigenen Zwecke zu nutzen weisen die Herrschaften den Weisen den richtigen Weg, schicken sie nach Bethlehem. Und sie sehen den Stern wieder, der sie diesmal richtig führt. „Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut“ (10). Der Stern der guten Verheißung Gottes leitet durch alle menschlichen Intrigen und mörderischen Machtspiele hindurch an den Ort, wo Gott seine so ganz andere Herrschaft beginnt. Martin Luther sagte dazu in seiner Predigt aus dem Jahr 1532: „Willst du ...Gott in seinem Wesen recht lernen erkennen, so musst du unten anfangen, wie der Prophet tut, dass du am ersten gen Bethlehem kommest...“, und etwas später: „Lieber, klettre nicht, geh zuvor nach Bethlehem.“ In der Niedrigkeit, der unbedeutenden Provinzstadt, in einem Kind, vor dem die Weisen niederfallen und dem sie ihre kostbaren Schätze schenken, sehen die Weisen sich am Ziel ihrer Reise, dem Jesuskind, dem gesalbten Gottes, dem Gott, der seine Herrschaft ganz klein und ganz unten anfängt. Und die Weisheit Gottes schlägt am Ende der Bosheit und Arroganz der Macht noch einmal ein Schnippchen und lässt die Weisen einen anderen Weg zurückkehren.

Mögliche Konkretionen
„Da das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm das ganze Jerusalem.“ (Matth. 2,3)

  • die Angst des reichen Westen/Nordens, der 'ersten Welt', ihre Privilegien zu verlieren, den Lebensstil ändern zu müssen: wir gehören zur Minderheit der Menschheit, die die Mehrheit der Rohstoffe dieser Welt mit unserem Lebensstil verbrauchen; Marktdominanz der reichen Länder, die 'denen da unten' keine Chance für ein lebenswürdiges Leben lassen (z.B. Überfischung, Exporte von Milchpulver und Hühnchenteilen); Belastung der Biosphäre/Klimawandel, unter dessen Folgen die Ärmsten am stärksten leiden; BilligstProduktion von Lebensmitteln und anderen Konsumgütern zu Lasten der Rechte der Menschen auf ein würdiges Leben (in Entwicklungsländern Lohndumping, Kinderarbeit, aber auch hier: Milchbauern, Schlachthofarbeiter); Vernutzung der Natur und Zerstörung der Biodiversität zugunsten weniger großer Konzerne
  • die Angst der kleinen Leute und einer schwindenden Mittelschicht vor Abstieg, die Front machen gegen Flüchtlinge (mögliche Konkurrenten um Arbeit und Wohnung), gegen Überfremdung (Feindbild Islam) und sich flüchten in rassistische und nationalistische Überlegenheitsideologien
  • Konsequenzen der Angst: Sicherheitslogik als Abwehr von Bedrohungen statt einer friedenslogischen Suche nach Lösungen, die ein gemeinsames Leben auf diesem Planeten ermöglichen (UN Sustainable Development Goals 2030); 'Festung Europa', Ausbau von FRONTEX, Aufrüstung und Waffenexporte, Inkaufnahme von Tod und Zerstörung, Ertrinken von tausenden Flüchtlingen, dabei viele Frauen und Kinder

Weise werden aus Gottes Verheißung, umkehren und dem Stern folgen...
„Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut“ (Matth. 2,10)
„Und er wird der Friede sein“ (Micha 5,4)

  • Unterstützung der Sternsingeraktion, die für Projekte zur Behebung der Not von Kindern in jeweils einem Land sammelt
  • Fairer Handel (Sternsinger sind Gesellschafter der GEPA) zeigt an konkreten Projekten, dass es um einen Frieden in Gerechtigkeit geht, wir eine andere menschen und mitweltfreundliche Art des Wirtschaftens brauchen (Wirtschaften für das Leben, ethisches Investment statt 'alternativloses' Diktat des Marktes)
  • sich den Diktaten von Werbung und Konsumdruck entziehen, die Freiheit eines anderen Lebensstiles erproben, Konsumverhalten verändern (Ernährung, Kleidung, Mobilität, Reisen); ökofaire Beschaffung, Erd-Charta, Zusammenarbeit mit Umweltorganisationen, Enzyklika “Laudato Si - über die Sorge für das gemeinsame Haus”
  • der Stern von Bethlehem über Idomeni, über einem Flüchtlingsboot vor Lampedusa; Flüchtlinge als Kinder Gottes wahrnehmen und aufnehmen, mit ihnen und von ihnen lernen; sich engagieren, dass Fluchtursachen, nicht Flüchtlinge und Schlepper bekämpft werden; Kirchenasyl, damit Menschen Gerechtigkeit widerfahren kann
  • Beteiligung an der friedensethischen Diskussion unter dem Leitbild des gerechten Friedens (Aktion Aufschrei gegen Rüstungsexporte, Beteiligung an der jährlichen Ökumenischen Friedensdekade)
  • antiislamische Haltungen überwinden durch menschliche Begegnungen und interreligiöse Beziehungen (s. z.B. Charta Oecumenica 2003, „Ein gemeinsames Wort zwischen euch und uns“ von 138 muslimischen Gelehrten 2007)

Dr. Reinhard Schmeer, Ev. Kirche im Rheinland